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Die große Zwiefalt

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. „Die Welt ist dem Menschen zwiefältig nach seiner zwiefältigen Haltung. Die Haltung des Menschen ist zwiefältig nach der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann.“ Bedingend und bedingt ergeben sich zwischen dem Menschen und seiner Welt zwei Möglichkeiten. Es sind Möglichkeiten des Menschseins, und da das Menschsein seinem Prinzip nach doppelt zu verstehen ist und diese Zweipoligkeit durch nichts so zum Ausdruck kommt als gerade durch das Wort, das immer von etwas zu etwas ausgeht, sind es Möglichkeiten des Sprechens. „Die Grundworte sind nicht Einzelworte, sondern Wortpaare.“ Die beiden Möglichkeiten des Menschseins, also des menschlichen Sprechens, offenbaren sich als Korrelation. Sie ergeben sich zwischen dem Sprechenden und dem Angesprochenen. „Das eine Grundwort ist das Wortpaar Ich-Du. Das andere Grundwort ist das Wortpaar Ich-Es.“ Je nach der Haltung des Menschen ist die Welt Du oder Es, das Wort, das gesprochen wird, Dialog oder Monolog. „Somit ist auch das Ich des Menschen zwiefältig.“ Die Zwie-

falt des Sprechens zwischen Ich und Nicht-Ich ergibt nicht nur eine Zwiefalt der Welt, sondern auch eine Zwiefalt des Menschen. In allem menschlichen Sprechen, das jedes menschliche Wirken und Unterlassen umfaßt, wird eines der beiden Grundworte mitgesprochen, ist der Mensch und ist die Welt das eine oder das andere. „Ich sein und Ich sprechen sind eins.“

Der Sinn des Menschseins

Im Sprechen des Grundwortes Ich-Es distanziert sich das Ich vom Nicht-Ich als das Subjekt vom Objekt. Das Grundwort vollzieht sich im Erfahren und Gebrauchen. Darum ist alle Wissenschaft, alle Technik eshaft. Im Sprechen des Grundwortes Ich-Du treten Ich und Nicht-Ich zueinander in Beziehung. Das Wort steht als Anrede und Antwort, als Erschließen und Annahme zwischen den Partnern des Gesprächs, die sich gegenwärtig sind als das, was sie sind, in ihrer vollen existentiellen Wahrheit des Bezogenseins.

Das Grundwort Ich-Es gestaltet, ordnet, bewältigt die Welt. Als ein

Kontinuum des Raumes und der Zeit, durchwaltet von der Kausalität, ohne Geheimnis und völlig der Forschung anheimgegeben, ist sie das Ganze, in dem jedes seinen Platz hat. Im Sprechen des Grundwortes wird Welt verfügbarer Besitz, ist sie wißbar in ihrer zuverlässigen Konsistenz. Das Grundwort Ich-Du aber führt den Menschen

aus der Es-Welt in das unvorhergesehene, unberechenbare Wagnis der Begegnung, wo es keine Forschung, kein Wissen und keine Konsistenz gibt, sondern wo Ansprache geschieht und Antwort gefordert ist in der Sprache, welche die Situation bestimmt.

Zwischen diesen beiden Möglichkeiten vollzieht sich das Menschsein und zugleich alle Geschichte. Denn jedes Geschehen steht im Zeichen dieser Zwiefalt. Aber beide stehen einander nicht als gleichberechtigt gegenüber, sondern sie sind hinsichtlich ihres Wertes unterschieden. Und in dieser Unterscheidung scheidet sich das Menschsein und alle Geschichte. Beschränkt sich das Sprechen des Menschen auf das Grundwort Ich-Es, so ist der Mensch in einer Welt behaust, die ihm Ru^e und Sicherheit gewährt. Aber der letzte Sinn alles Menschseins bleibt dabei unerfüllt.

Das ewige Du

Denn der Sinn des Menschen liegt zwischen Ich und Du. Das Du ist das Einzelne, Begegnende, das die Situation darreicht, das Stück Welt, das anspricht. Aber „die verlängerten Linien der Beziehung schneiden sich im ewigen Du“. Das Du ist dem Menschen eingeboren, es ist das un-überholbare Apriori des Geschaffenseins. Aber dieses Geschaffensein ist nichts anderes als eine Antwort heischende Anrede. Geschaffen ist der Mensch, der als Du Gottes gewollt ist, und sein Leben hat keinen anderen Sinn, als diesen von Gott her eröffneten Dialog fortzusetzen.

Gott aber ist der ganz andere. Er ist als absolutes Mysterium verborgen. Aber diese Verborgenheit ist keine jenseitige, keine, die das ewige Du zum Konkurrenten des endlichen macht, sondern es ist die Verborgenheit Gottes in der Schöpfung. „Man findet Gott nicht, wenn man in der Welt bleibt, man findet Gott nicht, wenn man aus der Welt geht. Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem

Du ausgeht und alles Weltwesen [hm zuträgt, findet Ihn, den man nicht suchen kann.“

Dialogisches Leben ist religiöses Leben. „Jedes geeinzelte Du ist ein Durchblick zu Ihm.“ Die Verborgen-leit des ewigen Du verweist in den Bereich der Situationen, der weltmäßigen Konkretheit, wo alles Du begegnet. Das Wort, in der Situation zwischen Ich und Du gespro-:hen, ist Wort zwischen Gott und Mensch. In wahrer Mittlerschaft sprechen die Partner des Dialogs in ihrer Beziehung, in ihrer Situation, ineinander das ewige Du an. So ist iie Welt ein Miteinander und auf sin Miteinander hin geschaffen. „Einander reichen die Menschen das Himmelsbrot des Selbstseins.“ Was sich so zwischen Ich und Du offenbart, was aus der Distanzierung von Ich und Es, jener schicksalhaften Verdeckung der eigentlichen Wirklichkeit, als das Wort entsteht, ist die Gemeinschaft des Geschaffenen, äas Wir der Schöpfung, das Reich Gottes, „das in unserer Mitte, im Dazwischen sich birgt“.

Gott ist das ewige Du, das niemals ein Es werden kann. Somit ist aber auch alles Wissen um Gott, alle Offenbarung, alle Theologie nur Es-Rede, die niemals Ihn selbst in Seiner Wirklichkeit betrifft. Dennoch drängte es die Menschen aller Zeiten und Kulturen, das ewige Du in die Inhaltlichkeit der Es-Rede zu ziehen. Religiöses Leben wurde immer Religion. Das Wort zwischen Ich und Du ist jedoch für Buber niemals definitiver Inhalt, sondern existentieller Vollzug. Der Glaube ist für ihn reines Vertrauensverhältnis, wirksamer Kontakt zwischen Gott und Mensch. Die inhaltliche Bestimmtheit dieses Kontaktes entstammt der konkreten Situation. Der Glaube ist für Buber nicht Akzeptation einer Tatsache.

Hier liegt die Schranke, welche Buber vom Christentum trennt. Dem Christen ist das Wort zwischen Ich und Du, zwischen Gott und Mensch, letztlich der Logos des Johannesprologs. Durch das historisch einmalige Konkretwerden Gottes in der Inkarnation des Logos erweist sich ehristliche Religiosität notwendig als inhaltlich bestimmt und cHftstlicher Glaube als Akzeptation. Trotz der weitgehenden Verwandtschaft der Lehre steht Buber hier im Gegensatz zu den großen christlichen Kündern des dialogischen Lebens. Wenn er auch die Bedeutung der religiösen Inhaltlichkeit für den Vollzug des Dialogs und somit für die Verwirklichung des Reiches Gottes anerkennt, der christliche Anspruch auf die absolute Wahrheit des dogmatischen Inhalts stößt bei Buber auf ein unbedingtes Veto. Alles Wissen um Gott ist Es-Rede über ein Gottding; es ist äquivoke Metapher, die das unerforschliche Mysterium verfehlt.

Trotz dieser Schranke aber bleibt es Bubers Verdienst, auf echte Religiosität hingewiesen zu haben. Denn echte Religiosität ist auch dort, wo im Sinne der paulinischen Pistis inhaltliche Akzeptation vorliegt, letztlich immer dialogische Beziehung. Hält die Inhaltlichkeit der Religion den lebendigen Dialog nieder, so erstirbt die Religiosität. Darin liegt Bubers Warnung, die über alle Schranken winweg auch des Christen Gewissensfrage werden muß: Die Inhaltlichkeit des theologischen Wissens um Gott kann dem Christen zu einem beruhigenden Bescheidwissen werden, durch das er sich der immer unvorhergesehenen täglichen Bewährung enthoben glaubt. Die Liturgie kann zu einer Art Technik erstarren, in der nach inhaltlichen Gesetzen das Gottding gehandhabt wird. Die Institutionen der Kirche können zu einem toten Es der Einrichtungen versteinern und des dialogischen Lebens entbehren.

Hier Hegt die Gefahr der Veruntreuung alles Religiösen. Denn das Wissen um Gott darf niemals zum Ersatz für existentielle Be-zogenheit werden. Der Glaube an Inhalte, auch der an die Mittlerschaft Christi, dispensiert den Menschen nicht, am Reiche Gottes zu wirken. Dieses Reich aber ist dort, wo ich stehe. Es birgt sich in der Gewöhnlichkeit des Alltags, im Bereich der Begegnungen und Bewährungen, wo es Ich und Du gibt und beide einander das Himmelsbrot der Gotteskindschaft reichen, indem sie sich annehmen als das, was sie sind.

Der österreichische Cartellver-band (ÖCV) hat auf seiner VII. Versammlung in Salzburg sich mit Fragen der Hochschulreform beschäftigt und zur Frage der Hochschulorganisation einen Diskussionsbeitrag vorgelegt, der einige neue, sehr beachtenswerte Punkte enthält. An erster Stelle unter den Grundsätzen steht die Hochschulautonomie. „Alle Belange, der Wissenschaft“, heißt es in dem Beitrag, „werden am besten von den Trägern der Lehre und Forschung selbst gelöst.“ Sie sollen daher nicht von den übergeordneten staatlichen Organen an sich gezogen, sondern der Hochschule als Selbstverwaltungskörper fiberlassen werden.

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Die Behörden der portugiesischen Afrikabesitzung Mozambique haben das Diözesanblatt der Diözese Beira beschlagnahmt, weil es einen Hirtenbrief von Bischof Soares ohne Zustimmung der Zensur veröffentlichte.

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Gegen eine Reihe bedenklicher Erscheinungen in Österreich wandte sich Erzbischof Rohracher vor dem Salzburger Katholischen Bildungswerk. Die Verbreitung von Angst und Drohungen im politischen Tageskampf dürfte nicht hingenommen, der Unaufrichtigkeit als politische Taktik müßten Ehrlichkeit und Wahrheit gegenübergestellt werden. Weiter gab Erzbischof Rohracher der Hoffnung Ausdruck, daß die Ehefrage in einer Weise bereinigt werde, die der pluralistischen Gesellschaft der Gegenwart entspreche.

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Auf einem katholischen Ärztesymposion in Feldkirch wurde die Forderung nach Errichtung von Beratungsstellen für Fragen der Geburtenregelung durch den Katholischen Familienverband erhoben. Die Eheleute sollten dort über alle jene wissenschaftlich gesicherten Möglichkeiten der Geburtenregelung informiert werden, die moralisch akzeptabel, weitgehend aber unbekannt seien.

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Am Fronlclchnamstag sind zwei weitere Angehörige der Katholischen Landjugend Österreichs nach Tanzania abgereist, um dort als Entwicklungshelfer zu arbeiten. Insgesamt befinden sich zehn Angehörige der KLJ als Entwicklungshelfer in Tanzania.

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Papst Paul VI. hat dem koptischen Patriarchen von Alexandrien, Cyrillos VI., in einem Schreiben mitgeteilt, daß die geplante Deklaration über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den Juden im Rahmen der vierten Konzilssession nochmals diskutiert werden wird.

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In seiner ersten Pressekonferenz bekannte sich der neugewählte Jesuitengeneral P. Pedro Arrupe ausdrücklich zum Werk Teilhard de Chardins. Was den Kampf gegen den Atheismus betreffe, so sagte P. Arrupe, so wäre die Aufgabe der Jesuiten in dieser Hinsicht wesentlich religiös und nicht politisch. Der Orden wolle im gleichen Geist arbeiten wie das neuerrichtete Sekretariat für die Nichtgläubigen.

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Drei baskische Priester sind zu hohen Geldstrafen verurteilt worden, weil sie an verbotenen katholischen Versammlungen in Spanien teilgenommen hatten beziehungsweise weil sie zugunsten eines ebenfalls inhaftierten Geistlichen intervenierten.

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Patriarch Athenagoras I. von Konstantinopel wird, wie der mel-chitische Erzbischof Hakim mitteilte, voraussichtlich im kommenden Jahr Papst Paul VI. in Rom besuchen.

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Um weitere Ausschreitungen und Blutvergießen zu vermeiden, hat der katholische Erzbischof von New Orleans, John F. Cody, die Regierung und die Gemeinden des Staates Louisiana aufgefordert, öffentliche Ausschüsse aus Farbigen und Weißen zu bilden. Erzbischof Cody wurde als Nachfolger des verstorbenen Kardinals Meyer zum Erzbischof von Chikago ernannt.

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Es besteht die Möglichkeit, daß Papst Paul VI. im Herbst dieses Jahres den Vereinten Nationen in New York einen Besuch abstattet.

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