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Die Hirten und die Hunde

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Die Abreise aus Rom glich einer Flucht. Die Fluglinien in alle Welt waren für Tage ausgebucht, in Flugzeugen, Zügen und Autos vollzog sich der große Aufbruch. In den kurzen Begrüßungsreden der Konzilsväter in ihrer Heimat schwang die Erleichterung mit, daß die Tage in Rom nun endlich vorüber waren und daß sie nun endlich wieder in der Heimat seien. In einer letzten ganz großen, von all der Würde des päpstlichen Roms getragenen Feierlichkeit war das Konzil zu Ende gegangen. Millionen Menschen in aller Welt hatten es in Rundfunk und Fernsehen miterlebt. Die aber, die dabei waren, waren mit ihren Gedanken meist schon in der Heimai. Und die Römer, so weit sie das Konzil überhaupt mehr als ein bloß äußeres imposantes Ereignis zur Kenntnis genommen hatten, wandten sich wieder anderem zu.

Nach der ungeheuren geistigen und seelischen Anspannung trat eine große Erschöpfung ein. Ist eine große Arbeit, ein großes Vorhaben, das alles Sinnen und Trachten durch Jahre hindurch okkupiert hat, auf das alles ausgerichtet war, endlich glücklich überstanden, dann folgt die Entspannung, die Leere, die Erschöpfung. Das betrifft uns alle. Und je mehr einer sich mit dem Konzil befaßt hat, um so stärker spürt er es. Einmal ausspannen, einmal nicht mehr davon reden, einmal an etwas anderes denken, einmal vergessen. Vergessen? Das Konzil kann man nicht vergessen, auch wenn man jetzt versucht ist, an etwas anderes zu denken oder das Besprochene schon für das Getane zu halten. Aber all das, was dort besprochen oder nur halb ausgesprochen wurde, wirkt weiter, muß weiterwirken.

Das Konzil ist zu Ende, das Konzil beginnt! Es beginnt die sehr mühevolle, die sehr zähe, die sehr schwierige, aber die allein ausschlaggebende Arbeit, das Konzil umzusetzen in unsere unmittelbare Gegenwart, in unserer unmittelbaren Umgebung. Diözesan- und Provinzialsynoden, bis herunter in das Dekanat und die Pfarre, werden diese Arbeit besorgen.

Das Konzil war nicht nur ein Konzil für die katholische Kirche, es war vielleicht zum erstenmal ein Konzil für die ganze Welt, so wie sich die Kirche auf diesem Konzil selbst nicht nur für die Katholiken, sondern für alle Menschen verantwortlich fühlte und sich auch an alle Menschen wandte. Die Welt hat dieses Konzil auch so aufgefaßt. Nur daraus ist dieses große Interesse und das umfassende Echo zu erklären, das das Konzil in der Weltpresse gefunden hat. Den Journalisten und in diesem Zusammenhang gerade den katholischen Journalisten erwächst hier die Pflicht, aus ihrer eigenen katholischen Verantwortung heraus, aus der Verantwortung des katholischen Laien, zu der gerade dieses Konzil immer wieder aufgerufen hat, zu „drängen und zu mahnen“, wie dies Kardinal König einmal den katholischen Journalisten schon ans Herz gelegt hat.

Die Kirche ist unterwegs, auf diesen Generalnenner läßt sich vielleicht der große Aufbruch in der Kirche bringen, der mit dem Konzil und durch das Konzil seinen Ausdruck gefunden hat. Die Kirche darf nicht wieder stehenbleiben. Wenn die Bischöfe die Hirten dieser Kirche sind, dann können die Journalisten vielleicht die Hirtenhunde sein, die darauf zu achten haben, daß die Herde in Bewegung bleibt. Sie müssen es in Kauf nehmen, daß sie lästig fallen, wenn sie bellen und stoßen, wenn sie „drängen und mahnen“. Denn der Herr der Herde, der auch der Herr der Hirten und der Hirtenhunde ist, will sicherlich keine stummen Hunde haben.

Eine lebendige Kirche braucht eine lebendige Presse, so schrieb Kardinal König vor wenigen Wochen in dieser Zeitung, und er fügte hinzu, nicht im Mittelmaß, nicht in der Nivellierung, nicht in der Vorsicht liegt die Chance einer Zeitung wie der „Furche“, sondern in der Herausforderung, im Anruf, in der Provokation. Wir werden versuchen, dieser Meinung gerecht zu werden.

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