Die Ikone Karajan vor der Kamera

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Der große Fotograf Erich Lessing, eben 75 geworden, hat den Jahrhundertdirigenten im Jahr 1957 über mehrere Wochen begleitet.

Herbert von Karajan war zweifelsohne einer der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. In den Augen vieler war Karajan (1908 -1989) sogar der Jahrhundertdirigent schlechthin - trotz der schon zu Lebzeiten geäußerten Kritik, ihm sei musikalisch mehr an Schönheit als an Wahrheit gelegen. Warum Karajan dennoch als die beherrschende Figur des Musiklebens wahrgenommen wurde, macht die Fotoausstellung "Erich Lessing: Karajan" im Leopold Museum deutlich: Es waren Karajans Auftreten und seine Körpersprache, die ihn zu einer Art Ikone machten und noch heute das Bild prägen, das sich die Öffentlichkeit von einem Dirigenten macht.

Karajans Körpersprache

Der Fotograf Erich Lessing hat Karajan im Sommer 1957 für eine große Fotoreportage über mehrere Wochen begleitet und dabei den intensiven Arbeitsalltag des Maestros in grandiosen Schwarz-weiß-Aufnahmen festgehalten. Karajans spezifische Ästhetik des Dirigierens, die fließenden Bewegungen, die sichtbare Entrücktheit, die Sprache seiner Hände, die genialische Geste - all das ist hier auf Papier gebannt.

Doch auch außerhalb des Orchestergrabens und der Konzertbühne war der zeitweilige Direktor der Wiener Staatsoper eine Erscheinung: Das volle Haar wie vom Wind gekämmt, stets perfekt gekleidet, auch in Momenten vermeintlicher Nonchalance, etwa bei Orchesterproben im existenzialistischen Rollkragenpullover. Nicht minder dynamisch und weltmännisch sein Auftritt im Privatleben: Karajan war stets stilvoll nach der neuesten Mode gekleidet, seine Begeisterung für schnelle Autos, Boote und Flugzeuge war bekannt.

Weltmännisch privat

In der Ausstellung sind einige Aufnahmen zu sehen, die Karajan im Gespräch mit George Szell vor dem Salzburger Festspielhaus zeigen. Da steht der stocksteife Chefdirigent des Cleveland Orchestra mit Glatze, Hornbrille und Regenschirm, eine Autorität nicht nur fachlich, sondern auch qua professoralem Habitus; ihm gegenüber Karajan im Outfit des konservativen Dandy, vom Nieselregen unbeeindruckt, den Fuß lässig auf eine Mauer gesetzt, die Sonnenbrille am Bügel in der Hand haltend - und scheint dem älteren Kollegen mit dem Gesichtsausdruck vollkommener Überzeugung die Welt zu erklären.

Lässig die Welt erklärt

Lessing erzählt, dass sich Karajan stets der Anwesenheit der Kamera bewusst war und sich entsprechend verhielt. Der Stardirigent wusste die Medien für sich zu nutzen wie kein anderer. Böse Zungen behaupteten sogar, dass Karajan seine beim Dirigieren so beeindruckenden Bewegungsabläufe zu Hause vor dem Spiegel einstudierte. "Karajan gehörte zu jenen Menschen, die mit einem Qualitätsbewusstsein ausgestattet waren, welches nicht auf einen Lebensbereich beschränkt war, sondern den Gesamtraum menschlichen Daseins umfasste", schreibt Rainer Bischof in seinem Karajan-Essay im Ausstellungskatalog, der in limitierter, von Lessing handsignierter Auflage erhältlich ist.

Geplant war die Ausstellung zum 100. Geburtstag Herbert von Karajans (siehe Furche Nr. 10/08), doch jetzt gerät sie gleich zweifach zur Jubiläumsschau: Am 13. Juli nämlich wurde der große österreichische Fotograf Erich Lessing 75 Jahre alt.

Erich Lessing: Karajan

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.leopoldmuseum.org

Bis 7. 9. täglich 10 - 8, Do 10 -21 Uhr

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