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Die Katholische Jugend

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bens, die Herrlichkeit der Kirche neu erkannt, gelernt, was es heißt, Jugend der Kirche, Jugend der Pfarre zu sein.

So kann es nicht wundernehmen, daß diese Jugend, als das Jahr 1945 die Tore zur Freiheit auftat, ihren Weg in gerader Linie weitergehen und, was ihr in diesen Jahren geschenkt worden war, beibehalten wollte. So ist die „Katholische Jugend“ heute nicht vereinsmäßig, sondern auf dem Boden der Kirche nach Pfarre, Dekanat und Diözese aufgebaut und steht unter der obersten Leitung ihres Bischofs. Es ist klar, daß der kirchliche Aufbau und die kirchliche Leitung kein Hindernis ist und sein darf, der Arbeit der Laien in ihr weiten Raum zu geben. Nicht nur, weil die Größe der Aufgabe über die Kraft und Belastungsmöglichkeit der Seelsorger weit hinausgeht, die durch den kriegsbedingten gegenwärtigen Priestermangel aufs äußerste beansprucht sind, sondern noch viel mehr, weil die vertiefte Erkenntnis der Kirche die Klarheit wiedergebracht hat, daß der Laie berufen ist, am Werden und Schicksal des Gottesreiches verantwortlich mitzubauen. Darum hat in der kirchlichen Jugendführung der Laie an der Seite des Priesters seine wichtige Sendung und reiche Arbeitsmöglichkeit.

Als kirchliche Jugend ist der „Katholischen Jugend“ ferner eine eindeutig religiöse Zielsetzung gegeben. Ihr Ziel und Aufgabe kann im letzten kein anderes sein als Ziel und Aufgabe der Kirche mit ihrer schicksalwendenden Sendung, die ihr anvertrauten jungen Menschen zu ganzen, lebendigen und mündigen Christen zu formen. So meint sie, dem Volke und dem einzelnen Menschen am besten zu dienen. In dieser Absicht hofft sie sich eins mit allen, die in anderen Jugendverbänden, politischen oder unpolitischen, ehrlichen Willens am Werke sind. Die Not der Zeit und vor allem die Not der Jugend, der die Jahre der nationalsozialistischen Verderbnis, der Krieg und seine Folgen besonders schwere Schäden zugefügt haben, ist wahrhaftig so gewaltig, daß die Hilfe von allen Seiten und mit allen Mitteln geleistet werden muß, damit die Rettung gelinge. Alle, die aufrichtigen Herzens die junge Generation aus dem Dunkel ins Licht führen wollen, sollten sich daher als Diener an dem einen Werke achten.

In Weg, Methode und endgültigem Ziele freilich scheidet sich die Arbeit der „Katholischen Jugend“ von jenen Jugendverbänden, die ausschließlich innerhalb einer politischen Partei, also innerhalb der Mittel und Methoden eines bestimmt abgegrenzten politischen Wirkens und Kämpfens ihre Tätigkeit entfalten Unsere Jugendarbeit geht von der Erkenntnis aus, daß alle Not der Zeit, auch die äußere Not, zuletzt aus der inneren Verderbtheit, charakterlichen Haltlosigkeit und Verantwortungslosigkeit so vieler Menschen herkommt. Das idealste politische Programm, die besten Sozialreformen und wirtschaftlichen Erneuerungspläne sind zur Fruchtlosigkeit verurteilt, wenn nicht die Menschen, die sie tragen und erfüllen sollen, vom Geiste der Bergpredigt durchdrungen, zu einer aufrichtigen Haltung christlicher Gerechtigkeit und Liebe, Selbstlosigkeit und Zucht geformt werden. Nur gelebte tiefe Gläubigkeit kann Not und Verzweiflung fruchtbar überwinden. Diese Erfahrung so vieler in den furchtbarsten Augenblicken des Krieges an der Front und in der Heimat darf nicht vergessen werden. Gerade weil die „Katholische Jugend“ aufrichtigen Heizens ihr Volk und ihre Heimat liebt und ihre Not und die Schicksalsbedeutung der Gegenwart kennt, will sie ihr das Wertvollste geben, was ihr helfen kann: echte, lebenswirkliche Gläubigkeit.

Ist die Arbeit der „Katholischen Jugend“ also eine durchaus religiöse, so soll und darf das nicht so verstanden werden, als ob sie auf das rein kirchlich-seelsorgliche Gebiet beschränkt werden könnte, wie es in den vergangenen Jahren durch die widerrechtlichen Verfügungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft der Fall war. Auch in diesen Jahren det Bedrängnis hat die Jugend nach der Entfaltung ihres Gemeinschaftslebens sich in alle ihr gemäßen Gebiete hinein gesehnt: Wanderleben in der Natur, fröhliches und freies Singen, Geselligkeit, Spielplatz, Bühne und manches andere. Wieder frei geworden, nehmen wir grundsätzlich das ganze jugendliche Gemeinschaftsleben wieder in Anspruch. Die Jugend hat ein Recht darauf und braucht es, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Christ sein ist ein Begriff, der das ganze Leben, nicht nur seinen übernatürlichen, sondern auch den natürlichen Bereich umspannt. Die Verwirklichung des christlichen Lebensideals ist nur möglich, wo eine aus christlichem Gesetz geformte Gemeinschaft den jungen Menschen in allen Bereichen seines jugendlichen Lebens formen kann.

Die „Katholische Jugend“ ruft alle, die ihr als getaufte Katholiken zugehören, wo immer sie stehen mögen. Indem sie dies tut, folgt sie der von parteimäßigen Bindungen freien Haltung der Kirche und ist vom Wissen geleitet, daß die Politik, die Gestaltung des öffentlichen Lebens, Reife, Urteilsfähigkeit und Erfahrung verlangt. Selbstverständlich muß die Jugend zur guten Erfüllung dieser Aufgaben heranwachsen, sie soll aber in dieser Vorbereitungsperiode von der Gegensätzlichkeit und Gehässigkeit, wie sie leider nur zu oft im Wettkampfe der Parteien auftreten, verschont bleiben. In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft haben wir es schmerzlich erlebt, welche seelischen Zerstörungen in der Jugend entstanden, die viel zu früh in politischen Fanatismus geschleudert wurde. Diese Erfahrung ist es wohl, welche so viele Eltern bewegt, ihre Kinder lieber der „Katholischen Jugend“ anzuvertrauen als parteigebundenen Verbänden.

Daß die Jugend häufig Mißtrauen und Müdigkeit gegenüber politischen Organisationen erkenne läßt, ist heute die Folge des Zuviel in der Zeit zwischen 1938 und 1945, bei vielen ist sie aber dem Drang nach innerlicher Vertiefung zuzusdireiben. Freilich ist die Jugend nicht nur des Drills müde, sie scheut allzusehr — manche aus Stumpfheit, andere aus instinktmäßiger Abwehr — Bindungen; wieder andere geben sich nur zu leicht oberflächlichen Vergnügungen und auch der Eigenbrötelei hin. Wer das alles beachtet, wird es zu schätzen wissen, daß die „Katholische Jugend“ zahlenmäßig stärker ist als die anderen Jugendverbändc. In Wien allein zählt sie heute rund 10.000 über vierzehnjährige Mitglieder und mit den unter vierzehnjährigen etwa 16.000. In ganz Österreich sind es heute rund 100.000 Jugendliche, die der „Katholischen Jugend“ zugehören. Uns können diese Zahlen noch nicht befriedigen, sie sind immerhin ein schönes Ergebnis der Arbeit eines Jahres, das auch die Wiedererrichtung des stets rein kirchlich-religiös und sozial-fürsorgerisch geführten Kolpingwerkes für die Arbeiterjugend gebracht hat, das dem Nationalsozialismus so im Wege lag.

Die von parteipolitischer Bindung freie Haltung der „Katholischen Jugend“ darf freilich nicht mißverstanden werden. Sie ist keineswegs uninteressiert am öffentlichen Leben. Die sozialen Fragen unserer Zeit, das kulturelle Leben, die karitativen Aufgaben sind Anliegen, die sie gerade als Jugend der Kirche brennend interessieren; denn das sind Aufgaben, für die jeder Christ als solcher lebendige Verantwortung spüren und für die er sehr bewußt vorgebildet werden muß. Heimat und-Volk sind Begriffe, die unabhängig von parteipolitischer Verpflichtung jeden angehen und für die gerade der Katholik aus seiner religiösen Haltung um so eindeutiger die rechte Liebe und Verantwortlichkeit lernen muß. Die „Katholische Jugend“ hat in den letzten Monaten deutlich genug ihre Bereitschaft bewiesen, in all diesen Anliegen, die die gesamte Jugend angehen, mit den anderen Verbänden ernst und brüderlich zusammenzuarbeiten, wo immer sich die Möglichkeit ergab: in der Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, im Jugendparlament, im Jugendherbergsverband usw. Daß d'ese Zusammenarbeit seit dem Wiener Jugendtag wesentlich schwieriger geworden ist, darf nicht auf ihr Schuldkonto gesetzt werden.

Die jungen Menschen für immer dem politischen Leben fernhalten, ist keineswegs unser Wille und echte und aufrichtige Demokratie wahrlich kein verächtlicher Begriff. Durch die Erziehung der jungen Generation zur Achtung der menschlichen Würde und Persönlichkeit, zum Respekt vor der Meinung anderer, zur inneren Freiheit, zur Gerechtigkeit, zu Brüderlichkeit und aufrechter christlicher Liebe, i zur inneren Sauberkeit und Verläßlichkeit, zum klaren Bewußtsein in der Verantwortung vor Gott leistet die „Katholische Jugend“ vielmehr dem Werden einer rechten Demokratie die besten Dienste. Sic sieht im Ringen um die Neuordnung der Gesellschaft keinen „oberflächlichen und häßlichen Zank“. Die politischen Parteien, alle männlichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen, das Parlament und andere Einrichtungen der Demokratie sind von ihr nie verächtlich gemacht worden. Gerade der echte Katholik wird seine Achtung keinem versagen, der ehrlichen Herzens im politischen Leben seine beste Kraft einsetzt, auf welcher Seite immer er stehen mag. Die Jugend, die in der kirchlichen Gemeinschaft aufwächst, soll auch einmal dort ihre Pflicht tun für unsere Heimat. Gerade in der „Katholischen Jugend“ soll die Verantwortlichkeit wach werden, sie soll hier die Urteilsfähigkeit des Gewissens und die mündige Reife erhalten, auf daß sie nicht aus egoistischen Konjunkturgründen, sondern aus innerer Gewissensentscheidung ihren rechten Platz im öffentlichen Leben und auch im politischen Parteiieben findet, wenn sie in die Jahre der Reife gekommen ist.

Die „Katholische Jugend“ arbeitet in aller Öffentlichkeit vor den Blicken aller und scheut keine sachliche Kritik. Wir wollen unseren Teil leisten, um die Gemeinsamkeit aller zu begründen, denen es ernst ist mit dem Satze, den wir gerne aus der sozialistischen Erwiderung zitieren: „Wir werden wachsam sein um die Seele der Jugend.“ Ja, das sei unser aller Anliegen, dann dürfen wir uns trotz allen Meinungsverschiedenheiten in der Sorge um die Jugend als Brüder an einem Werke wissen.

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