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,,Die Kirche nimmt Euch ernst!"

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Liebe Jugendliche! In den meisten Eurer Schreiben geht es um die „Kirche". Für mich ist die Kirche eine geistige Heimat, in der ich mich geborgen fühle. Heute wird sie von vielen in Frage gestellt, und in der Öffentlichkeit ist eine heftige Diskussion entbrannt - sie spiegelt sich auch in Euren Briefen wider.

Der Zölibat ist die innerhalb der katholischen Kirche vorgesehene Lebensform des Priesters, wie sie einst durch ein Kirchengesetz festgelegt wurde. Für mich selber bedeutet der Zölibat eine Chance, mich ganz Gott zu widmen und mich zugleich mit allen Kräften dem Dienst am Menschen hinzugeben. Das ist eine gute Lebensform für Priester. Ich kann mir aber vorstellen, daß es in Zukunft einmal neben dem zölibatären auch den verheirateten Priester geben könnte.

Viele von Euch empfinden die Kirche als frauenfeindlich. Im Blick auf die Kirchengeschichte muß ich Euch weitgehend rechtgeben. Die Frau war in der Kirche tatsächlich oft geringer geachtet als der Mann. Heute sehe ich hier vieles im Umbruch. Wir glauben, daß Gott den Menschen mit gleicher Würde erschaffen hat. Daher sollten der Frau gerade auch in der Kirche mehr Achtung und größere Aufgaben gegeben werden.

Was die von Euch angesprochenen Fragen der wiederverheirateten Geschiedenen angeht, möchte ich folgendes sagen: Die Kirche hat den Auftrag, sich intensiv für die Familie und das (Belingen ehelicher Partnerschaft einzusetzen. Für jene Menschen, die in ihrer Partnerschaft gescheitert sind und Sehnsucht nach einer intensiven Begegnung mit Gott und der Kirche haben, soll ein Zugang zu den Sakramenten ermöglicht werden.

Viele Eurer Briefe sprechen von Liebe, Partnerschaft und Sexualität. Ihr schreibt, daß Ihr mit den Ansichten der Kirche zu diesen Fragen nichts anfangen könnt. Wahrscheinlich sind wir uns aber einig, wenn ich sage, daß Liebe etwas sehr Kostbares und zugleich etwas sehr Zerbrechliches ist.

Zur Liebe gehört untrennbar Zärtlichkeit, und Zärtlichkeit ist unendlich mehr als „Erfahrung" mit dem anderen Geschlecht. Es ist ganz natürlich, daß mit der Zeit das Verlangen nach körperliche Liebe wächst. Ich wünsche Euch aber, daß Ihr sie nicht so erfährt, wie sie in Illustrierten oder einschlägigen Filmen angepriesen wird: als rein ichbezogener Sex. Laßt Euch nicht von momentanen Gefühlsregungen täuschen. Horcht ernsthaft in Euch hinein und laßt Euch nicht blenden von eigenen Wunschvorstellungen oder der Freude am Abenteuer. Achtet die Gefühle des anderen und dessen ganz persönlichen Bereich. Gebt Eurer Liebe Zeit, laßt sie wachsen und reifen. Immer geht es in der Liebe zuerst um ein DU. Wo nur die augenblickliche Befriedigung der eigenen Bedürfnisse auf Kosten der anderen gesucht wird, wird Leben und Glück zerstört. Wo Geschlechtlichkeit ohne Verantwortung gelebt wird, kann Liebe nicht wachsen. Wirkliche Liebe hat mit Treue und Verantwortung zu tun, sie sehnt sich nach Endgültigkeit. Dort, wo zwei Menschen einander wirklich lieben, werden sie bemühtsein, ihrer Beziehung Dauer zu schenken. Im Sakrament der Ehe spenden die beiden Eheleute einander das Sakrament und bringen damit zum Ausdruck, daß sie in unaufhörlicher Liebe und Treue ein Leben lang zueinander stehen wollen. In ihrer Liebe ist immer auch Gott zugegen.

Ich hoffe, daß auch viele von Euch ihren Weg in der Ehe finden werden. Es gibt aber auch noch andere Wege. Auch in einem ehelosen Leben ist menschliche Erfüllung zu finden. Es kommt darauf an, den richtigen Weg für sich zu finden. Dann bekommen jene Probleme, die heute oft in den Vordergrund gestellt werden (voreheliche Beziehungen, Methoden der Verhütung) den Stellenwert, der ihnen zukommt. Sie werden zu einer Frage des mündigen Gewissens.

Immer wieder wird in Euren Briefen die Frage nach dem Platz der Jugend in der Kirche gefragt. Und deutlich ist in vielen Fällen die Klage, daß Ihr von den Erwachsenen nicht wirklich ernstgenommen werdet. Das hat mich betroffen gemacht, und ich möchte die Gelegenheit nützen, Euch zu versichern, daß Ihr eine wichtige Rolle in unseren Gemeinden auszufüllen habt. Ohne Euren Beitrag wird sich mein Traum, meine Hoffnung -eine Kirche aus lebendigen Gruppen und Gemeinden - nicht verwirklichen lassen.

Was könnt Ihr in dieser Kirche tun? Ich meine, daß Ihr vor allem versuchen solltet, mit Gleichaltrigen Gemeinschaften zu bilden. Wenn das in Eurer Pfarrgemeinde nicht möglich ist, dann überschreitet die Grenzen der Gemeinde, sucht Euch einen Ansprechpartner (einen Priester, eine/n Beligionslehrer/in oder Jugendleiter/in), mit dem oder mit der Ihr zusammenkommen, zusammenarbeiten, zusammen feiern und zusammen beten könnt

Nehmt Euch um die Fragen an, die so wichtig sind für ein harmonisches Zusammenleben der Menschheit und für die Zukunft unserer Welt: Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, die Begenwaldproblema-tik insbesonders, Toleranz - Themen, zu denen Euer Engagement dringend notwendig ist. Persönlich möchte ich Euch auch das Problem der Kranken und Alten in der Gemeinde ans Herz legen - etwa in der Form eines regelmäßigen Besuchsdienstes.

Bringt dann als Gruppe Eure Erfahrungen in die Gemeinde ein, und tragt dadurch dazu bei, daß auch andere Jugendliche wieder Heimat finden in der Kirche. Macht sichtbar, daß das Leben der Kirche keineswegs in mittelalterlichen Formen erstarrt ist (auch wenn das da und dort so scheinen mag), helft mit, Erstarrtes aufzubrechen und Abgestorbenem neuen Geist einzuflößen. Sucht bei all dem das Verbindende, den Dialog!

Was kann die Kirche für Euch tun? Wenn sich Schwierigkeiten in den Weg stellen, gebt nicht gleich auf! Mir ist spontan der Gedanke gekommen, eine diözesane Anlaufstelle für Eure Probleme einzurichten, an die Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr den Eindruck habt, mit Euren berechtigten Anliegen nicht gehört zu werden.

„Fad", „langweilig", „ohne Bezug zu meinem Leben", schwache Predigten", „überholte Musik" - so lauteten einige Eurer Vorwürfe bezüglich des Gottesdienstes. Ich denke, daß Ihr gerade in dieser Frage das schlech -te Gewissen einer Pfarrgemeinde sein könnt. Allzu oft regieren in unseren Gottesdiensten Boutine und Gedankenlosigkeit. Buft deshalb den Erwachsenen - und, wenn es notwendig ist, auch dem Priester - in Erinnerung, daß geistlich fruchtbare Liturgie etwas Lebendiges sein muß. Sucht zugleich selber nach neuen Zugängen, nach neuen Ausdrucksformen, nach einem neuen Verständnis dessen, was Gottesdienst sein kann und sein soll.

Das Ziel sind aber nicht „Gemeinden im Jugendstil", sondern Messfeiern, in denen sich die ganze Pfarrfamilie beheimatet fühlen kann.

Zum Abschluß wünsche ich Euch, daß Ihr auch künftig den Mut zur eigenen Meinung aufbringt, und viel Erfolg bei der Bewältigung der Aufgaben des Lebens! Bleiben wir miteinander auf dem Weg und im Gespräch! Gottes Segen begleite Euch!

Auszug aus dem

„Brief an die Jugend" des burgenländi-schen Diözesanbischofs.

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