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Die lyrische Summe

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DER GESCHLOSSENE KREIS. Gedichte ans vierzig Jahren. Von Rndolf Itm. Stlasny. Verlag, Graz-Wien, 1964. 348 Seiten.

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DER GESCHLOSSENE KREIS. Gedichte ans vierzig Jahren. Von Rndolf Itm. Stlasny. Verlag, Graz-Wien, 1964. 348 Seiten.

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Wie sehr im Gedicht das persönliche Antlitz eines Menschen, der zum Dichter berufen, zum Kulturpolitiker aber bestellt war, offenbar wird, beweist die Sammlung, in der Rudolf Henz die Ernte seines Lebens vorlegt. In den jüngst erschienenen autobiographischen Erinnerungen sind Gestalten und Dinge in ihrem äußeren Ablauf aneinandergereiht. Das Innenleben des Mannes offenbart sich im lyrischen Werk.

Österreicher zu sein wird dabei Henz gegenüber dem Publikum zur Tragik. Denn für einen österreichischen Lyriker zählen Resignation und morbide Skepsis mehr als gläubige Welt- und Zeitbejahung. Ausgerechnet dem katholischen Österreich glaubt der Zeitgenosse seine künstlerische Konfession selten. In den Kreisen, in denen Bodenständigkeit noch etwas gilt, wird sie suspekt, sobald sie sich erkühnt, dem bluttrunkenen Synkretismus abzuschwören. Rudolf Henz spürt — gerade in seinen reifen Jahren — selbst Anstoß und Einsamkeit seiner Situation. Die Herausgabe seiner gesammelten Gedichte wäre ein Anlaß für eine katholische Gewissenserforschung, die zu prüfen hätte, ob zum Bildungsauftrag nicht auch eine lebendigere Beziehung zur Lyrik gehörte.

Dem Freund und Weggefährten von Rudolf Henz begegnen in dem Buch viele bekannte Gedichte. Der Meister Heinrich Suso Waldeck und der Schüler Franz Kiessling sind spürbar. In vielen Formen, von strengen Sonetten bis zu hymnischen Psalmen, vom Lied im schlichten Volkston bis zur provokanten, freien Strophe meistert der Künstler sein Sprachinstrument. Nur das Verspielte, der Traum als Selbstzweck, die grazile Verführung durch das Wort sind Henz fremd. Sein Schritt ist zu schwer, sein Blick zu offen, sein Sinn zu praktisch, um die reine Zier zu pflegen. Wie ein alter, väterlicher Bauer, der das „Spintisieren“ ablehnt, sagt er seinen Vers ehrlich und spröd. Manchmal packt ihn das Pathos wie einen Holzknecht der Zorn. Aber das geht vorbei — und die Faust, die auf den Tisch schlug, entkrampft sich, und die Hände falten sich zum Gebet.

In dem geschlossenen Kreis dieser Gedichte liegt keine Chance für den lauten Erfolg des Tages. Der Kreis ist auch noch zu groß, um das wirklich Bleibende zu umschließen. Die Zeit wird ihn enger ziehen, enger und klarer und strenger. Aber sie wird, wenn man sich des Lebenswertes echter Lyrik wieder bewußt wird, ein echtes, bleibende Erbe hervortreten lassen, ein Stück des besseren, anderen, inneren Österreich.

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