6641680-1957_49_12.jpg
Digital In Arbeit

Die Musik in Geschichte und Gegenwart

19451960198020002020

Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes herausgegeben von Friedrich Blume. — Band 5 (Ge bis Ha). Mit 80 Bildtafeln, 3 Farbtafeln, 590 Textabbildungen, 143 Notenbeispielen und 6 Tabellen. Im Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel. I bis X Seiten Abkürzungen, 1952 Spalten Text, XI bis XVIII Inhaltsverzeichnis

19451960198020002020

Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes herausgegeben von Friedrich Blume. — Band 5 (Ge bis Ha). Mit 80 Bildtafeln, 3 Farbtafeln, 590 Textabbildungen, 143 Notenbeispielen und 6 Tabellen. Im Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel. I bis X Seiten Abkürzungen, 1952 Spalten Text, XI bis XVIII Inhaltsverzeichnis

Werbung
Werbung
Werbung

Von dem großangelegten Werk, das im deutschen Sprachgebiet seinesgleichen nicht hat, liegt der fünfte Band vor. Man bewundert, wie es dem Herausgeber und seinem Team immer wieder gelingt, auch für das abgelegenste Gebiet Spezialisten zu gewinnen und staunt nicht weniger darüber, wofür alles es kompetente Fachleute gibt. Erfreulicherweise. Denn es geht hier ja, im Rahmen des Menschenmöglichen, auch um Vollständigkeit. Mit den kleinen ein- und zweibändigen Nachschlagewerken geht es dem Hilfesuchenden ja meist so, daß er gerade das, was er nicht weiß, auch im Lexikon nicht findet. Hier, beim Blättern und Lesen in der Bärenreiter- Musikenzyklopädie, erlebt auch der Belesene seine blauen Wunder... Zum Beispiel, wenn der hochgelehrte Bruno Stäblein „Gloria in excelsis“, „Graduate" (reich illustriert und mit Notenbeispielen ausgestattet) oder „Gregorianik“ auf zehn Spalten behandelt. Oder wenn H. C. Robbins London über Gött- weig und Wangermee und Van der Linden über Grėtry schreiben. An musikgeographischen Artikeln seien wenigstens hervorgehoben: die über Graz

(16 Spalten), Glasgow, Görlitz, Den Haag, Halle, Hamburg, Hannover und Griechenland, der letztere auf 56 Spalten, verfaßt von Vetter, Wegner und Dounias. Besonderes Gewicht verleihen dem Band natürlich wieder die großen monographischen Beiträge, etwa über Haydn (Spalte 1857 bis 1933), von Larsen, Landon und Pfannkuch, über Gluck (Anna Amalie Abert) 70 Spalten: aber auch die kluge Würdigung Edvard Griegs, des in den letzten Jahrzehnten zu Unrecht sehr Unterschätzten von Willi Kahl.

Einzelne Artikel über Komponisten ersetzen ganze Monographien in der gründlichen Art der Darstellung, der lückenlosen Biographie und dem akribisch zusammengestellten Werkverzeichnis. Nennen wir als Beispiel nur den Gounod-Artikel (Spalte 593 bis 604) von Emile Haraszti, oder „Händel“ und „Handel-Gesellschaft (Spalte 1229 bis 1249) von Mülle'r- Blatteau. Von neuen Komponisten werden behandelt: Paul Graener, Percy Grainger, der Wiener Wilhelm Grosz, Roy Harris, 3 Harrisons, K. A. Hartmann, Jos. Matth. Hauer, Karl Hasse, Hans Haug, Ghedini und andere'. Von Musikschriftstellein und -Wissenschaftlern: Max Graf, Hanslick und der in der Schweiz verstorbene Exilrusse Jacques Handschin.

Zum Schluß sei auf einige Artikel noch besonders hingewiesen: Habsburg (Spalte 1199 bis 1210) von Schaal, Harmonie (1588 bis 1614) von Heinrich Hüschen, Harmonielehre (1614 bis 1665) von Jens Rohwer, der von Tinctonis „Liber de arte contra- puncti" von 1477 bis zu Jelinek, Eimert und Stockhausen reicht. Schließlich einen weltliterarischen: „Goethe und die Musik“ von Friedrich Blume (432 bis 457), der im Detail erweist, daß es in der deutschen, wahrscheinlich in der Weltliteratur (vielleicht außer Shakespeare) keinen Dichter gibt, der auf die Musik eine so umfassende und tiefe Wirkung gehabt hat wie Goethe. An solchen allgemeinen kulturhistorischen Hinweisen, Parallelen und Uebersichten ist der Band überreich, und man wünscht dem Werk nicht nur Benutzer, sondern auch aufmerksame Leser.

Komponisten über Musik. Herausgegeben von Sam Morgenstern. Albert Langen-Georg Müller Verlag, München. 480 Seiten.

Dieses Sammelwerk mit Aeußerungen bekannter Komponisten über Musik erschien zuerst in Amerika. Theodor A. Knusf hat die deutsche Ausgabe bearbeitet und die fremdsprachigen Texte übersetzt. Das Werk umfaßt Zeugnisse aus dem letzten halben Jahrtausend der abendländischen und amerikanischen Musik, wobei sich erweist, daß die meisten großen Musiker auch ganz ausgezeichnete Autobiographen, Polemiker, Kritiker und Analytiker waren. Aus der Zeit der Romantik und der Gegenwart ist das bekannt, aber der Herausgeber und sein deutscher Helfer bringen aiith eine stattliche Anzahl wenig bekannter und bisher verborgener Schriften ans Licht, die der Musikfreund, der Musiker und der Kulturhistoriker mit dem gleichen Interesse und Nutzen lesen werden. — Diese umfassende Textsammlung ist chronologisch geordnet und bringt von einem. Autor jeweils zuerst Aeußerungen über allgemeine Themen, dann Kommentare über andere Komponisten, schließlich Autobiographisches und Erklärungen zu den eigenen Werken. Von den Großen fehlen nur die mit Selbstkommentaren kargen Bach und Händel... Von den älteren Meistern finden sich besonders interessante Zeugnisse von Palestrina, Monteverdi, Prä- torius. Schütz, Couperin, Telemann, Rameau, Gluck, J. J. Rousseau und Ph. E. Bach. Die Namen der Klassiker brauchen nicht genannt zu werden, man kennt ihre Bedeutung als Musikschriftsteller. Von den Neueren und Zeitgenossen erweisen sich als Meister der Feder: Bartök, Honegger, Hindemith, Strawinsky, Schönberg, Berg, Milhaud und Egk. Von besonderem Interesse sind einige Außenseiter unseres Konzertbetriebes, wie Mussorgsky, Satie, Busoni und Mali- piero. — Ein wenig bemerkt man noch die Eierschalen der ursprünglichen amerikanischen Ausgabe in der relativ großen Zahl amerikanischer. Komponisten, die vertreten sind (V. Thompson, Sessions, Gershwin, Antheil und Copland — übrigens durchweg mit sehr lesenswerten Beitfägen), wogegen die jungen Deutschen und einige wichtige Romanen fehlen: Henze, Stockhausen, Boulez und Nono. Auch von Schostakowitsch hätte man eine seiner Polemiken und Verteidigungsschriften aufnehmen können. In einer Neuauflage sollten die wichtigen Theoretiker Alois Häba, Hanns Jelinek und J. M. Hauer nicht fehlen. Die Themen sind bei den Alten und den Neuesten oft sehr ähnlich, etwa wenn schon Palestrina und Beethoven über „Kunst und Geschäft" schreiben oder wenn Monteverdi und Copland die moderne Musik gegen Angriffe und Mißdeutungen verteidigen. — Das sorgfältig und geschmackvoll ausgestattete Buch stellt eine wirkliche Bereicherung des Musikschrifttums dar und kann bestens empfohlen werden.

Das Tagebuch der Affäre Dreyfus. Von Maurice Palėologue, französischer Botschafter in Sankt Petersburg. Uebersetzt von Helmut Lindemann. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 215 Seiten.

Das nach der Angabe seines Verfassers, des damaligen Referenten im Außenministerium leider „später überarbeitete" Tagebuch gewährt hauptsächlich Einblick in den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens bis zur Rehabilitierung des Hauptmanns Alfred Dreyfus, ohne etwas Neues von Belang über die „Affaire“ zu bringen, welche die Weltöffentlichkeit fünf Jahre hindurch oft monatelang in Atem hielt und Frankreich in zwei sich heftig befehdende Lager schied. Dieser Zwist hatte zur Folge, daß die Armee längere Zeit der stets vorschnell urteilenden Oeffentlichkeit entfremdet wurde, die den Unterschied zwischen den auch in anderen Ländern häufig über seine Befugnisse hinaus einwirkenden Generalstab und den pflichtgetreuen, nicht verpolitisierten Truppenoffizieren zu machen nicht imstande ist. Erschütternd wirken heute noch wegen der Folgen für das Opfer dieses Justizirrtums und für das Ansehen

Frankreichs die WeltfremdHeit und der Leichtsinn der mit der Untersuchung in beiden Prozessen von 1894 und 1899 betrauten Militärs. Außenminister Hanotaux äußerte sich denn auch recht erbost über ihr Versagen: „Die Militärs verderben alles, sobald sie sich mit Rechtsfragen befassen.“ Doch auch zuviel Außenstehende — Beamte, Politiker, ihrer Verantwortung nicht bewußte Intellektuelle — erwiesen sich kompromittierend durch ihre Angriffe auf Deutschland und Italien oder indem sie es sich in ihrer Naivität nicht nehmen ließen, Kaiser Wilhelm habe durch Vermittlung des deutschen Botschafters Münster mit Dreyfus korrespondiert, der seinerseits mit dem deutschen Militärattache, Major von Schwartzkoppen, in Verbindung gestanden wäre. „Die Generalstäbler“, so resümierte später der Reichskanzler Hohenlohe, „haben sich seinerzeit übereilt. Dann haben sie den Irrtum eingesehen, hatten aber nicht den Mut, es offen einzugestehen. Hierauf kamen gemeine Kerle wie Esterhazy und Henry und boten ihre Fälschungen als Rettung an.“

Im „Nachspiel“ seines Tagebuches irrt Maurice Palėologue, dem der dritte Band der Denkwürdigkeiten Hohenlohes unbekannt geblieben ist, indem er die Frage stellt: „Wer aber die wahren Schuldigen des Jahres 1894 sind, bleibt ein RätseJ und wird ein Rätsel bleiben, bis die Archive in Berlin ihr Geheimnis preisgeben." Dieses Rätsel ist bereits 1931 durch einen im oben erwähnten dritten Band der Denkwürdigkeiten enthaltenen Brief des deutschen Botschafters Münster an Hohenlohe gelüftet:

„ — Trotzdem fängt der Prozeß (Zola) wieder an, lind die Frage Esterhazy und Schwartzkoppen wird unangenehm Wiederaufleben. Von Schwartzkoppen war es unrecht, sich mit dem Kerl einzulassen, und zwar hinter meinem Rücken. Er hatte mir stets versprochen, daß er sich auf kein Spionieren einlassen werde.“

Zwei Monate nach dem für Deutschland so unerwartet günstigen Ausgang des Zola-Prozesses atmet . Münster erleichtert auf: „Die Stimmung gegen uns ist merklich milde geworden; wäre das nicht der Fall, so würde die Dreyfus- und namentlich die Esterhazy- Affäre, bei welcher der gute Schwartzkoppen sich und uns schwer kompromittiert hat, auch viel mehr Angriffe gegen uns hervorgerufen' haben.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung