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Die notwendige Polaritat

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Meister der Komödie von Aristophanes bis G. B. Shaw. Von Heinz Kindermann. Donau-Verlag, Wien-München

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Meister der Komödie von Aristophanes bis G. B. Shaw. Von Heinz Kindermann. Donau-Verlag, Wien-München

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Das mit großer Kennerschaft und Können geschriebene Buch, das den so oft übersehenen Reichtum der europäischen Komödie und ihrer vielen Arten und Verbundenheiten ausbreitet, war eine Notwendigkeit, gerade heute, wo sich das dramatische Angebot so einseitig im zeitgebun-derien Tragischen dartut, wo einfach nicht nur Anlässe und Stoffe für Komödien zu fehlen scheinen, sondern eine scheinbar unausrottbare Tendenz zum Tragischen, Harten, Grausamen und Zynisch-Perversen vorherrscht. Der klare1, helle Sinn für unbeschwerte, heitere, niveauvolle Lustspiele scheint zu fehlen, scheint unmodern geworden zu sein, unbeschwert ist er nirgends vorhanden, wenn man von dem Schematischen der Pariser Boulevardkonfektion absieht und einigen tiefsinnigen Konstruktionen bei den modeinen Engländern, die aber auch allzu oft in kaum gefällige Abgründe gleiten. Und im Deutschen fehlt er erst recht, wie er ja hier schon immer sozusagen in zweiter Reihe gestanden war, wo man an einer Hand die großen, gültigen Komödien abzählen kann.

Kindermann unternimmt es nun an Hand der Stilformen und der Meister der europäischen Komödie, den Nachweis zu erbringen, daß der Reichtum und die Vielfalt, die Vollendung und clie Anerkennung, • die Europas große Komödien gefunden haben, es sehr wohl mit dem notwendigen Pendant, der Tragödie, aufnehmen, das künstlerische und sittliche Recht dieser Bruderform wird überzeugend und stilsicher dargetan. Dieses Buch schließt eine Lücke, zumal es ja auch den ersten Versuch darstellt, den Entwicklungsgang der Komödie von der Antike bis zur Gegenwart und das Gemeinsam-Abendländische in ihren Hauptzügen und -zeugen aufzuzeigen.

Und welche Schätze lassen sich hier, flüchtig, doch trefflich skizziert, aufspüren!? Wieviel Gewinn brächten noch gute Neubearbeitungen, fern den Schulmeister-Uebersetzungen, die saftigen Stücke eines Aristophanes oder Plautus, wie könnte man noch Holberg etwa oder die deutschen Romantiker entstauben und für die moderne Bühne gewinnen, wie zauberhaft würden heute noch Büchners „Leonce und Lena“ oder Grabbes „Scherz, Satire und tiefere Bedeutung“ aufglänzen?

Kindermann, der auch die rein psychologischen ' Voraussetzungen aufspürt, die Gestaltungstypen und Gestaltungsmetamorphosen, die Formarten und das historische Weiter- und Einwirken, hat im zweiten Teil seines Werkes die Großen der Komödienform vorgestellt, mit sicherem Gefühl als sich ergänzende Zwillingspartner, , den „Bioi Paralleloi“ des Plutarch vergleichbar, ein reiches Tableau also des im künstlerischen Geiste einigen Europas, sowohl theater- und geistesgeschichtlich wertvoll und bereichernd, wie auch für den heutigen Praktiker, den Schauspieler, Dramaturgen oder Journalisten eine willkommene Ergänzung, gesteigert in Wert und Wirkung noch wegen des klar und überzeugend geführten Beweises von der Gleichberechtigung, von der Notwendigkeit des Komischen in der Theaterliteratur. Glänzend essayistisch geschrieben, gut illustriert und mit Registern versehen, gehört diese Leistung zu den Standardwerken. Dr. Friedrich Langer

Weinlandheimat. Mundartgedichte von Lois S c h i f e r 1. Oesterreichischer Agrarverlag, Wien, 1953. 83 Seiten.

Da ist eine liebreiche und kundige Dichterhand, die uns da durch ein Bauernjahr in der Weinlandheimat geleitet und an keinem der eigenartigen Reize ihrer Jahreszeiten vorübergehen läßt. Solcher Führung bedarf, wer nicht im niederösterreichischen „Weinviertel“ geboren ist, sehr wohl, denn dieses Landes besondere neugierscheuende Schönheit offenbart sich dem flüchtigen Besucher nicht mit der Willfährigkeit anderer Landstriche, sie will demütig erschaut und erlebt werden. In 50 Gedichten vermittelt uns Schiferl dieses Erlebnis und erweist sich — wie schon in seinen früheren Büchern — wiederum als einer der Berufensten unter allen, die heute zum Lob des allzu lange verschwiegenen Weinlahdes ihre Stimmen erheben. Er läßt es mit der ganzen Treue seiner alten stammeseigenen Mundart zu uns sprechen in Versen voll Saft und Kraft, aber auch voll zartester Innigkeit, wie sie sich etwa in den Gedichten „Maiondocht“ oder „Summanocht“ offenbart. Nur in dieser Mundart, deren Verständlichkeit Schiferl jedem Leser durch Wortdeutungen und Schreibweise sorgsam erschließt, wird so tiefe Einfühlung in das Land mit allen seinen jahreszeitlichen Stimmungen, wird so lebendiges Verstehen seines liebenswerten Menschenschlages möglich. Schiferls Gedichte reihen sich mit vollem Anspruch auf gleichberechtigte Wertgeltung in den vielstimmigen Chor der neuen österreichischen lafrik ein, und mehr als eines von ihnen sollte in die Lesebücher des Landes Eingang finden, dem sie entstammen.

Das Kind von Paris. Roman von Alfred Neumann. Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. 423 Seiten.

Dieses Buch — kurz vor dem Tode seines Autors erschienen — hat alle Eigenschaften des großen Romans: das besondere Milieu (er spielt im belagerten und von Revolten geschüttelten Paris der Jahre 1870/71), den besonderen Konflikt (der jugendliche Held soll als unfreiwilliger Polizeispitzel die heimlich Geliebte der Polizei überliefern), er hat überdies noch die geschichtliche Wahrheit für sich und verfehlt auch nicht, scharfprofilierte historische Figuren (wie Gam-betta oder Clemenceau) zur Verstärkung seiner Wirkung einzusetzen. Dennoch will sich, allem Aufwand zum Trotz, beim Leser keine rechte Spannung einfinden; das historische Detail ermüdet, und die Versuchung, auf den letzten Seiten nachzusehen, „wie's ausgeht“ und dann den Band aus der Hand zu legen, wird nach dem ersten Teil bisweilen übermächtig. — Den Vergleich mit dem „Teufel“ hält das „Kind von Paris“ also nicht aus; daß es gleichwohl ein Schock dickleibiger Romane ähnlichen Genres aufwiegt, steht auf einem anderen Blatt.

Goethes offenes Geheimnis. Von Henri B i r v e n. Origo Verlag, Zürich, 1952. 109 Seiten.

In gewissem Sinne, was nämlich das Transzendentale anlangt, knüpft Henri Clemens Birven an sein 1924 erschienenes Buch „Goethes Faust und der Geist der Magie“ an. Er berücksichtigt mehr als sonst die Goethephilologie die Lektüre von Wellings „Opus Mago-cabbalisticum et theo-sophicum“ durch Goethe und den Einfluß Swedenborgs — aber auch den des Fräuleins von Klettenberg. Zuletzt ist ja Goethe alles beinahe schon zum „öffentlichen“ Geheimnis geworden, sogar der Geburtstag, aber dahinter liegt eben, wie Birven ahnen läßt, das Selbst-Schaudern. Abgesehen von polemischen Stellen (wie gegen die Thesen Bernhardts, „Goethe und die katholische Welt“, Frankfurter Hefte 1949; gegen Jaspers und Ortega y Gasset), die nicht unwiderlegbar sind, eröffnet Birven neue Sichten abseits ausgetretener

Wege. „Bleibe das Geheimnis teuer“ hat Goethe unter ein allegorisches Bild der Natur am 3. September 1826 geschrieben. Und eine Ahnung vorm Unbegreiflichen ließ Birven — erfreulicherweise — bestehen.

Du, liebe Katze! Von Paul E i p p e r. Verlag R. Piper & Co., München. 120 Seiten mit 34 Photos.

Vom Schauumschlag des Buches blickt eine schwarzblaue Katze mit bernsteingelben Augen den Beschauer an. Er öffnet den Band und wird von der Vielfalt und dem Scharm der Bilder bezaubert, die den besonderen ästhetischen Reiz dieser graziösen Tiergattung in immer neuen und eigenartigen Varianten zum Ausdruck bringen. Immerhin wäre eine bloß bildliche Darstellung irgendwie einseitig und unvollkommen ohne einen erzählenden Text, der von einem so großen Tierfreund und Tierkenner wie Paul Eipper stammt. Man legt das Werk aus der Hand, von dessen Rückenumschlag einem zwei neugierig aus einer Mauerspalte lugende, gleichgezeichnete, schwarzweiße Kätzchen nachsehen, freut sich über diesen leicht humorvollen Abschluß un9 weiß, daß der großen Gemeinde der Katzenfreunde (Kazophilen) mit diesem Buch ein Geschenk gemacht wurde.

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