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Die Palette

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François Mauriac, dessen literarische Antipathie gegen Jean Paul Sartre bekannt ist, konnte sich anläßlich eines Diners in Lobreden über denselben nicht genugtun. Ein vorwitziger Tischgenosse glaubte bei dieser Gelegenheit fragen zu müssen: „Wie finden Sie sein letztes Buch?“ — „Ich hatte es sehr gern“, antwortete Mauriac, „weil ich es sehr schlecht fand!"

Schadow war von einem jungen Bildhauer gebeten worden, dessen Arbeiten zu prüfen. Umständlich und lange — und ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen — besichtigt der Meister alles, was ihm gezeigt wird. Dann fragt er: „Hast du dat alles alleene jemacht?“ — „Jawohl, Meister!“ — „Hast du dat alles wirklich janz alleene jemacht?“ — „Jawohl, Meister!“ — Schadow nach einer kleinen Pause: „Na, dann kannst de Töpfer werd’n!“

Corot malte eines Tages zusammen mit einem seiner Schüler frühmorgens, während die Sonne den Nebel aufsog, an einem Teiche bei Ville d’Avray. „Mein Sohn“, ermahnte Corot den Schüler, „male immer nur genau das, was du siehst!“ Und eine gute Weile später steht der Schüler auf’ und schaut sich an, was der Meister malt.

„Aber Sie haben mir eben vorhin noch gesagt,. ich solle nur malen, was ich sehe!“ — „Gewiß, mein Freund!“ — „Und Sie selbst! Die Nymphen?“ — „Ich sehe sie“, erwiderte Corot, „siehst du sie etwa nicht?“

Und der Schüler, als er später seinen Freunden dieses Erlebnis erzählte, fügte hinzu: „Ich habe sie nicht gesehen, wirklich nicht — und das ist der Grund, weshalb ich noch immer Schüler bin und unfähig, den Meister zu erreichen.“

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Ein Kunsthändler in Paris erwarb für nicht niedrigen Preis ein unsigniertes Gemälde, das Corot zugeschrieben wurde. Weil aber Corot selbst zu seinen Kunden gehörte, wandte sich der Kunsthändler brieflich an den Meister und bat ihn, das Bild, sofern er es als seine Arbeit anerkennen sollte, freundlicherweise zu signieren.

Corot, der dem Kunsthandel gegenüber recht wenig Sympathien hegte, antwortete, nachdem er das Bild zur Ansicht zugestellt bekommen hatte: „Allerdings habe ich das Bild gemalt. Daran ist kein Zweifel. Soll ich es nun aber noch signieren, so steigert sich sein Wert. Ich werde dfes deshalb nur unter der Bedingung tun, daß Sie mir den Betrag von 200 Francs bezahlen, damit ich so doch schließlich auch einmal etwas durch Sie verdiene.“ Der Kunsthändler forderte das Bild zurück und lehnte es ab, auf diese Forderung einzugehen. Wütend schickte Corot das Bild zurück und erhielt wenige Tage später einen weiteren Brief des Kunsthändlers, der seine Wut ins Ungemessene steigerte. Der Brief lautete: „Sehr geehrter Herr Corot, haben Sie vielen Dank für Ihren Brief! Ich klebe ihn auf die Rückseite des Bildes und besitze so nicht nur eine Signatur, sondern eine Echtheitserklärung noch dazu.“

Gegen Ende eines Diners bittet die Dame des Hauses, deren ganzer Stolz die Bildersammlung ist, Jean Louis Forain, diese zu besichtigen und sein Urteil abzugeben. „Als Künstler oder als Gast, Madame?“ fragt Forain.

Im Weltkrieg wurde Forain zum regulären Waffendienst eingezogen. Er mußte als Offiziersstellvertreter Frontdienst machen. Wegen allzu saloppen Grüßens stellte ihn eines Tages ein vorbeikommender General, und Forain stand, die Zigarette in der einen Hand, die andere Hand in der Hosentasche, mit weit nach hinten geschobenem Käppi vor dem hohen Vorgesetzen. „Sie sind also der berühmte Zeichner Forain?“ fragte der General. — „Ja, der bin ich.“ — „Zu Ihrer künstlerischen Begabung möchte ich Ihnen gratulieren, aber wenn Sie mit einem Vorgesetzten sprechen, dann haben Sie militärische Haltung anzunehmen; das sollten Sie wissen!“ — „Ich . bin Zivilist“, brummte Forain mißgelaunt. Der General fing an, ärgerlich zu werden: „Also los, vorwärts!" — „Ich kann nicht“, erklärte seelenruhig Forain. — „Nur Mut!“ rief der General, „Hände an die Hosennaht! Absätze zusammen! Blick geradeaus!“ und indem er seine Worte mit der Tat begleitete, nahm der General genau die Haltung selber an, zu der er. den Zeichner veranlassen wollte. Forain aber schaute sich den Generäl einige Sekun den lang sehr aufmerksam an und kommandierte alsdann:

„Rührt euch!“

Noch im Augenblick des Todes, seines eigenen Todes, hat Forain der Humor nicht verlassen. Als nämlich der Arzt, der den. Sterbenden behandelte, die neben dem Bett stehende Frau des Künstlers zu trösten versuchte: „Das Herz funktioniert noch immer sehr gut, die Nieren arbeiten zufriedenstellend “, fuhr Forain, den beruhigenden Tonfall des Arztes nachahmend und diesem ins Wort fallend, fort: „ es geht ihm ganz ausgezeichnet, er wird, von allen Krankheiten völlig geheilt, nunmehr sterben ..

Mit Stolz betonte Degas immer wieder, daß er niemals im Freien arbeitete. Wie er denn sein Bild „Am Strande“ gemalt habe, wollte ein aufdringlicher Besucher wissen. Degas antwortete: „Das war ganz einfach. Ich habe meine Flanellweste auf dem Fußboden des Ateliers ausgebreitet und das Modell daraufgesetzt.“

Zu Lenbach kam eines Tages eine reiche, etwas eingebildete und keineswegs besonders hübsche Dame. „Herr Professor“, sagte sie, „ich möchte mich von Ihnen malen lassen. Aber hören Sie, bitte, zu! Ich möchte ein wirklich ähnliches und hübsches Bildnis haben.“ Lenbach gab zur Antwort: „Ja,

gnädige Frau, da müssen Sie sich nun schon für das eine oder das andere entscheiden.“

Von Max Liebermann sagte Adolf Menzel in späteren Jahren, daß dieser der einzige sei, der Menschen male und nicht Modelle. Aber den jungen, knapp fünfundzwanzigjährigen Liebermann — am Anfang seiner künstlerischen Tätigkeit stehend — schrie er angesichts der „Gänserupferinnen“ an: „Was? Sie haben das gemalt? Wissen Sie auch, was man Ihnen sagen muß? Ich spreche es ungeniert aus. Ihr Vater sollte Ihnen die Hosen verkloppen. Das wäre das einzig Richtige. So was malt man frühestens mit Fünfzig, aber nicht in Ihrem Alter.“

Ein junger Maler hatte sich durch die Vermittlung eines sehr hohen kirchlichen Gönners die Erlaubnis verschafft, Papst Leo XIII. zu malen. Mit viel Geduld und liebenswürdig saß der Heilige Vater. Endlich war das Porträt fertig. Der Künstler bat den Papst,

es anzuschauen. Und Leo XIII. betrachtete es schweigend, wobei er leise lächelte, was der Künstler als Anerkennung deutete. Also ermutigt bat er den Heiligen Vater, doch mit der eigenen heiligen Hand selbst etwas an den Rand des Bildes zu schreiben. Und bereitwillig griff der Papst zur Feder und schrieb unter das Bild die Worte: „Joh. 6, Vers 20.“

Hochbeglückt eilte der junge Maler heim und schlug, da angekommen, die Heilige Schrift auf, um dort zu lesen: „Ich bin es. Fürchtet euch nicht!“

Wilhelm von Bode wurde öfter von amerikanischen Galerien und Sammlern zu fachmännischen Gutachten gebeten. Nach einer solchen Expertentätigkeit für die USA stellte er im Gespräch mit einem Journalisten fest: „Corot hat schätzungsweise dreitausend Bilder gemalt. Davon hängen in Amerika etwa fünftausend.“

Paul Cassirer zeigte in Berlin eine neue Kokoschka-Ausstellung. Er nannte sie „Menschen und Tiere“; Und ein Kritiker erlaubte sich die Bemerkung: „Wären mehr Selbstbildnisse dabei, hätte er sie vermutlich .Götter, Menschen und Tiere’ genannt.“

Jemand fragte Picasso: „Sehen Sie denn die Welt wirklich so, wie Sie sie malen?“ — Picassos erschrockene Antwort war: „Ja, um

Gottes willen! Die Welt so sehen? Das wäre ja nicht auszuhalten “

Nicht nur die Maler sind darauf angewiesen, mit ihren Bildern zuweilen materiellen Gewinn einzutragen. In sehr viel stärkerem Ausmaß obliegt diese Seite der künstlerischen Produktion der Innung der Kunsthändler. Dieser Beruf fordert mancherlei Voraussetzungen und beschert öfter erstaunliche Einsichten und Erfahrungen, vor allem auf dem Gebiet der Psychologie. So erzählte einmal einer dieser Kunsthändler: „Wenn da ein Herr immer wieder vor einem Bilde auf und ab wandelt, es von allen möglichen Seiten her betrachtet, leicht nervös wird und dann erklärt, dieses Bild gefalle ihm ganz vortrefflich, er wolle nur noch eben mit seiner Frau darüber reden, so ist deswegen noch keineswegs mit einem Kaufabschluß zu rechnen. Sagt aber eine Dame: Das Bild gefällt mir, ich muß nur noch mit meinem Manne darüber sprechen — dann ist das Bild bereits so gut wie verkauft.“

Einer sagt zu seiner Frau: „Höre, es hat einen Maler gegeben, der Spinngewebe auf sö natürliche Weise an die Decke malte, daß das Dienstmädchen sich tagelang bemühte, sie fortzukehren.“ Die Frau gab ihm zur Antwort: „Das mit dem Maler glaube ich gern — aber das mit dem Dienstmädchen nie . ..“

Aus „Die Palette", Bechtle Verlag, Eßlingen

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