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Die Rache für die „Sünderin“

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Rache ist süß. Willi Forsts Rache für das »Sünderin'-Echo ist der Film „Es geschehen noch Wunder“. Eine noble Rache. Denn diese scharmante, saubere Märchen- und Illusionskomödie schwört dem verbohrten, schiefen Realismus der „Sünderin“ so freimütig ab, daß sich die spitzesten Degen und Federn versöhnlich senken.

Ein Kind des Tonfilms, eine musikalische Komödie: Zwei Menschen, zwei Liebende hören eine Melodie allein; sie verzaubert nicht nur die Liebenden (erster Teil des Films), sondern auch alle Menschen, denen die zwei Begnadeten sie auf Umwegen übermitteln — das zweite, beste, tiefsinnigste Drittel; das schwächste, konventionellste ist das dritte Drittel, man errät schon: die Störung, die Entfremdung, das Versiegen der Melodie. Das Happy-End liegt nahe — aber hier zieht sich der Weg, bis der pikante Schlußpunkt die Erlösung bringt. Man sieht: kein fehlerloser, kein makelloser Film, und die Amerikaner haben ihr „Wunder' (»von Manhattan") besser durchgestanden, aber im ganzen ist es doch eine erfreulidie Abkehr, in der königlichen Story, in der schwebenden Heiterkeit des Dialogs, in den aparten Details der Spielführung und dem graziösamourösen Darstellerstil (denn Küssen allein ist noch „keine Sünd ).

In Deutschland gefiel der Film der zünftigen Kritik, weniger dem breiten Publikum, was seinen Schöpfer in einem Wiener Montagblatt zu der überharten Selbstkritik veranlaßte: Recht hat immer das Publikum. Hier muß man, scheint's, weniger die Kritiker vor dem Publikum, als vielmehr den Willi vor dem Forst in Schutz nehmen. Das Publikum irrt nicht seltener als die Kritik. Es braucht nur seinen Irrtum nicht immer so ausführlich begründen.

übrigens, das Wiener Premierenpublikum ist in einer zweiten Vorstellung zur Entscheidung aufgerufen, ob in Österreich die Originalfassung oder die um dreihundert Meter gekürzte deutsche Fassung laufen solle. Ohne dem oberstrichterlichen Entscheid vorzugreifen — hier das Urteil König Salomons: Noch zweihundert Meter raus aus der gekürzten Fassung, und — es geschehen noch Wunder — der Film sitzt, steht, geht.

Roman Her1e

Der Mut, ein Problem sauber anzugehen, zeichnet den amerikanischen Film »Mein Glück in deine Hände aus. Wieder ist, wie so oft, das Verhalten einer Frau, die dem Tod geweiht ist und um ihre bemessene Lebenszeit weiß, das Thema. Es wird kompliziert dadurch, daß eine Berufskollegin ihren Mann liebt und die dem Tode geweihte Frau, nur um das Glück des Mannes und des Kindes besorgt, das sie zurücklassen wird, der Rivalin den Platz ihrer Nachfolgerin anweist. Das ist menschlich schön, stellenweise ergreifend gespielt, manchmal durch allzu großen Edelmut auch sentimental.

Denn das Problem des Films ist gestellt, nicht dem Leben abgelauscht, trotz der wirklichkeitsnahen Mittelstandsumgebung, in der sich das Geschehen abspielt. Der Arzt, der der Frau ihren Zustand geradezu brutal eröffnet, ihr selbstverleugnender Versuch, das Kind der „anderen zu überlassen und mit dem Mann — der dann ebenso um ihren Zustand weiß —noch einmal schöne Ferientage als Abschied vom Leben zu genießen, das ist nur durch das hervorragende Spiel gerade noch glaubhaft gemacht, mehr als Beispiel vorgerechnetes Problem als sich entwickelndes Leben. Ein von den Herstellern wahrscheinlich gewollter Mangel des — trotzdem guten — Films ist auch, daß niemals eine Auseinandersetzung mit dem Tode als religiöses Problem auch nur anklingt. Wir erfahren gar nicht, was diese Frau glaubt und ob die Religion in ihrem Leben eine Rolle spielt, sie will nur im Gedächtnis ihres Kindes weiterleben, nicht vergessen sein.

Ist hier das menschliche Problem ohne das ewige und ohne Verankerung im Ewigen aufgerollt, so gibt der nach dem Roman Viki Baums, „Das Joch“, gemachte Film „Verträumte Tage" des „Maria-Theresia"- Regisseurs Reinert die Essenz der Sinnlosigkeit des Lebens: Ehen, die keine sind, bloß Interessengemeinschaften, Frauen, die bloß unbefriedigte Lüste haben, Männer, die sie mitnehmen, ohne rechte Ursache, wie sie ohne eine solche auf die Berge steigen und vom Blitz erschlagen werden. Alles ist sinnlos und das Leben geht weiter.

Fast so sinnlos wie die Reise nach dem Mond in „Endstation Mond“, dessen ganze farbige Trickwelt mit ausgezeichnetem Können eine technische Utopie als Gegenwart vor unsere Vorstellung zaubert, nur um die ganze Hilflosigkeit der Entdecker und der geistigen Väter des Films vor der menschlichen Großtat, die sie — man ist versucht zu sagen — aus Versehen vollbracht haben, in ihrem läppischen Verhalten am Ziel und ihren Schlagworten von Weltbeherrschung und Mondokkupation um so drastischer zu zeigen: es ist, als ob unreife Buben die technischen Wunderwerke bedienten, im buchstäblichen Sinne dieses Wortes.

Dazu paßt dann der Film „Tanzende Jahr e", der alle Ingredienzien der Wiener Operette, nur ohne ihre Musikalität, auf britisch-trockene Weise zu einem seltsamen Abklatsch mischt, dazu paßt der von einem österreichischen Regisseur inszenierte deutsche Farbfilm (technisch an vielen Stellen noch sehr unbefriedigende Farben) „Johannes und die 13 Schönheitsköniginnen", der um den Schön- heilsreklamerumjnel noch Operettenklamauk inszeniert (was hat damit die Trauung vor dem Altar am Schluß des Films zu tun? Eine Revuekulisse mehr?l), ganz zu schweigen von der Fünf-Kreuzer-Gangsterromantik der „Liebe unter schwarzen Segeln" im Kostüm vergangener Zeiten oder der „Texaspolizei', die noch immer Mörder sucht, oder der Lehrstunde für werdende Gangster, „Der Panther". Sie beweisen, daß auch der Film eine technische Großleistung ist, die von den Menschen bedient, aber leider noch lange nicht beherrscht wird.

Sondervorführung des großen religiösen Films „Der Verfolgte"(„The Fugitive") am Sonntag, den 20. Jänner, 10.30 Uhr, im Parkkino, Wien XIII, Hietzinger Hauptstraße 22. Deutsche Fassung. Einleitende Worte: Kaplan Rudolf Matejka.

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