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Die Rast zu St. öeorgen

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Die Pferde gingen im Schritt, denn der Nebel lag so dicht, daß sie im Abendgrauen vom festen Wege abgekommen waren und sich nun vorsichtig im Moore vorwärtstasten mußten. Die Reite-- sprachen nichts. Nur das Zaumzeug knarrte, klirrte leise, und manchmal klatschte es, als spränge ein Fisch im Wasser, oder ein Rucr taudie in die lautlose Flut. Der Längs c war wohl ganz nahe. Der Weg begann zu steigen, aus dem Moos wurde Wiese. Dann wölbte sich das nächtige Dach von Bäumen, wohl eines Apfelgartens, über ihnen, indes der Nebel dünner wurde. Die Hufe der Pferde knirschten wieder auf einem Wege, trübrotes Licht warf einen schrägen Balken in das Dunkel. Dann kam eine lange Mauer, und endlidi ein breites, festes Einfahrtstor.

Der Ritter fand im Finstern den Glok-kenzug nicht und hieb mit dem Sdiwert-knauf gegen die Bohlen. Schritte huschten drinnen auf dem gepflasterten Wege heran, es wisperte und zögerte und klirrte mit einem Schlüsselbunde, bis Herr Bertold rief: „Wollt Ihr die Frau Herzogin vor Euerer Pforte warten lassen?“

Da ging im breitem Tore ein schmales Türlein auf und zwei dienende Schwestern standen eng aneinandergedrückt und blinzelten, von ihrer eigenen Laterne geblendet, den späten Gästen entgegen. Die Herzogin drängte ihren Falben ins Licht und sagte freundlich: „Gott grüße Euch, meine Lieben! Bringt der Frau Äbtissin meinen Gruß und die Bitte, mir Herberge zu geben!“

Müde wie eine alte Frau ließ sidi die Herzogin drinnen im Hof von Herrn Bertold aus dem Sattel heben. Sie traten in die Pfortenstube, wo eine Öllampe von der gewölbten Decke hing. Die Kammerfrau glättete die schweren, nebelfeuchten Mantelfalten ihrer Herrin. Herr Bertold ließ, aufseufzend, die alten Knochen auf die Bank fallen. Doch die Herzogin blieb mitten im Räume stehen, und starrte vor sich hin. Draußen redete der Knappe Bertolds mit den vier Pferden, die langsam ungeduldig wurden. Die Äbtissin zeigte keine Eile, die Herzogin von Kärnten zu begrüßen.

Als sie endlich mit einenr. kleinen Gefolge von Nonnen eintrat, war ihr Gruß ein wenig steif und allzu fromm. Sie blickte mit ihren machtvollen blauen Augen so fest und forschend in das schöne, müde Gesicht Frau Utas, daß es dieser schwer wurde, zu sagen: „Fürchtet nicht, daß ich Euch mit vielen Leuten lästig fallen werde! Mein Wunsch und meine Bitte ist nur. einige Tage bei des Herzogs Muhme, der Frau Priorin, zubringen zu dürfen.“

„Diesen Wunsch kann ich Euch nicht abschlagen, Frau Herzogin“, sprach die Äbtissin kühl. „Wenngleich ich es für uns gottgeweihte Nonnen nicht für gut halte, in all diese weltlichen Fehden und Streitigkeiten hineingezogen zu werden. '

„Mutter Wichburg isr die Verwandte meines Herrn, und hat uns schon öfter ihren Rat geschenkt.“

„Ja, Frau Uta Doch um der Wahrheit und der Treue willen muß ich Eudi sagen, daß wir Nonnen von St. Georgen auf der Seite unseres Bischofs Hiltebold stehen, und die Angriffe des Herzog auf Friesach für einen Raub an der Kirche halten. Und wenn Frau Wichburg auch die Schwester seiner Mutter ist, so ist es doch gewiß, daß Ihr weder sie selbst, noch durch sie die anderen Schwestern dazubringen werdet, Unrecht für Recht zu halten.“

Die Herzogin war sehr blaß geworden. Sie schloß einen Herzschlag lang die breiten, schattigen Lider und sagte dann still: „Nicht wegen dieser Fehde bin ich gekommen. Es kann auch um geistlicher Dinge willen geschehen, daß man zu geistlichen Leuten geht.' Herr Bertold, laßt mir den Sattel fester schnallen — er sdven mir locker zu sein. Und nun — Gott minne Euch, Frau Äbtissin!“

Sie neigte sich und ging zur Türe. Der Knappe sprang ihr entgegen und reichte ihr die Hand — es hatte ausgesehen, als schwanke sie leise. Die Äbtissin vertrat ihr den Weg. „Vergebt mir, Frau Uta!“ bat sie atemlos. „Vergebt mir und bleibt! Ihr müßt verstehen, wir müssen unseren Frieden bewahren — doch ich habe darüber vergessen, wieviel Ihr uns Gutes erwiesen habt. Ich bitte Euch, bleibt! Die Gaststuben sind bereit.“

„Da sei Gott davor! Wie kommt Ihr auf solche Gedanken?“ rief Mutter Wichburg und faßte nach der Hand der Herzogin. „Ich glaubte bisher, Ihr hättet Grund, mit Eurem Lose zufrieden zu sein. Viele beneiden Euch.“

„Ach ja, das sagte man mir schon als Kind!“ sagte Frau Uta müde. „Hieß doch mein Vater damals schon Ulrich von Passau, der Vielreiche. Und der Gemahl, den er seiner einzigen Tochter ausgesucht hatte, war mehr als andere schön und tüchtig und vielversprechend. Er ist ja auch Herzog geworden. — Wenn ich unzufrieden bin, so möge mir Gott verzeihen. Doch es ist mir nun, als könne ich nicht mehr so weiterleben.“

Die alte Nonne neigte sich bekümmert zu ihr. „Mein armes Kind, klag mir dein Leid! du weißt, ich habe dich lieb gehabt, seit du zum erstenmal nach deiner Hochzeit mich besuchen kamst. Immer dadite ich, daß es eine Gnade Gottes für Engelbert sei, dich zum Weibe zu haben. Ich habe viel gebetet für dich, denn daß du es nicht leicht habest, dachte ich wohl.“

Sie redete gut und leise dahin, bis Uta ihr jähausbrechendes Weinen bezwungen hatte. „O Mutter Wichburg, gibt es denn nirgends Frieden auf dieser Welt? Gibt es denn nirgends Liebe und Barmherzigkeit? Ich kann all den Streit, die Grausamkeit, den Haß nicht mehr ertragen. Laß mich doch dableiben in St. Georgen! Diese Fehde um Friesach, die mein Mann mit dem Bischof führt, sie ist nur der letzte Schwertstreich, der mich zu Boden warf. Doch krank im Gemüte bin ich schon lange.“

„Ja, schwer ist es heute für Menschen mit weichem Herzen in dieser Welt zu leben“, murmelte die Nonne. „Doch wenn sie alle aus der Welt flüchten wollten, so wäre gar keine Heimstatt mehr darin. So müssen sie eben ihre Schmerzen im stillen tragen und weiterlieben.“

Uta blickte in das weiße, runzlige Ge-' sieht, in dem es schon wie jenseitige Klarheit und Ferne leuchtete, und sie vermochte nicht mehr, von all dem Irdischen, Unheiligen zu sprechen, das sie hinabziehen wollte. Würde diese Heilige es ihr nicht als Schwachmütigkeit verweisen, • wenn sie darüber klagen wollte, daß ihres Mannes Härte, ach, und Untreue sie verbittere und ihm entfremde, und daß sie in all dem Sturm, der stets um ihn sei, nicht länger an seiner Seite bestehen könne? Daß sie mit ihren lieben Kindern leben wolle, anstatt sie früh an fremde Höfe und Klöster zu geben, wo sie etwas anderes als Kampf und Streit und Wildheit sehen könnten. Weh, Heinrich, ihr Herzenstrost weilte in .Paris und wollte aus Frankreich nicht mehr wiederkehren. Adelheid wurde in Goß, Mathilde beim Bischof von Regensburg, Hartwich in Salzburg erzogen. Die Kleinen sah sie kaum. Wie lieblich müßte es sein, wie eine Bäuerin den ganzen Tag die Kinder am Sdiürzenband zu haben.

Jetzt war sie vierzig — ihre Jugend war vorbeigegangen, ehe sie geblüht hatte. Ihre. Schönheit war verwelkt, ohne daß sie jemandes Freude gewesen war. Ihr Gatte hatte ihren Reichtum gebraucht, den Ruhm ihres Namens, — er hatte ihre Würde, ihre Klugheit, ihre Untadeligkeit geachtet, doch ihr Herz hatte niemand befragt. So hatte sie gelebt, und ihr Bestes war verschwendet gewesen.

Sie seufzte gepreßt, daß es wie ein Stöhnen klang, und sagte: „Ach Mutter, ich bin so müde von all dem Kampf, daß mir um meine eigene Seele bange wird. Ich bitte Euch, sprecht mit der Frau Äbtissin, daß sie mich als Konverse ins Kloster aufnehme! Tat nicht St. Radegundis desgleichen?“

Die Priorin faltete die zarten Greisenhände und schwieg eine lange Weile. Dann stand sie mühsam auf und beugte dann das tränennasse Antlitz Utas an ihre Schulter. „Es werden vier Jahre sein“, flüsterte sie leise errötend, „da saßest du auch in diesem Stuhle und klagtest dich einer Versuchung an. Erinnerst du dich? Ein junger Ritter, dessen Namen du mir nicht nanntest, diente dir in höfischer Minne, wie andere auch. Und du sagtest mir, sein Wesen sei so aller

Zartheit und Güte voll, daß es dich zu ihm zöge wie zu einem süßen Trost, über dem du all dein Leid vergäßest. Und du batest mich voll Angst, für dich zu Gott zu flehen, daß er dein Verlangen von dir nehme.“

„Du hast gut gebetet, es ging vorbei. Er ist heute im Kloster Morimond“, hauchte Uta in die streichelnde Hand der Alten.

„Ja, es ging vorbei, weil Gott niemanden in der Anfechtung allein läßt. Uta, liebe Tochter, er wird dich auch diesmal deinem Kreuze nicht entlaufen lassen.“

„Es kann doch nicht Sünde sein, wenn ich mich seinem Dienste weihen will.“

„Gewiß nicht, doch du kennst ja die störrischen Mägde, die sich sperren, die Wäsche zu waschen, weil es ihnen gerade heute in den Sinn kommt, daß sie lieber das

Wurzgärtlein jäten wollten,“ lächelte Wichburg lind.

Doch Uta vermochte ihrem Weinen, das sie so endlos lange in sich verschlossen hatte, nicht Einhalt zu gebieten. „Du weißt ja nicht — o Mutter Wichburg, du kannst ja nicht wissen! Was weißt du von der argen Not der Welt!“

„Ich hatte es gut, ja, liebes Kind“, sagte die Greisin still. „Doch merke wohl: Wo der Mensch auch sei, das selige und unschuldige Paradies kann er auf Erden nirgends finden. Das ist ihm seit Adam verloren.“

Uta preßte ihre zitternden Finger an ihre Lippen. Es tat ihr so weh, zu fühlen, daß Mutter Wichburg, ihre einzige vielliebe Vertraute, sie nicht verstand. Daß sie ihr nicht halfen wollte, daß sie sie abwies in ihrer tiefen Not. Weh, daß Gott sie abwies durch den Mund seiner getreuen Magd!

Sie stand auf und trat ans Fenster. Der See schieierte sich schon wieder in den 'Abendnebel. Das gelbe Herbstlaub an seinen Ufern ging langsam in den weißen Schwaden unter. Es läutete zur Vesper. Mutter Wichburg griffg nach ihrem Stock. „Kommst du mit mir, meine Uta?“

„Ich komme nach — so verweint mag ich den Nonnen nicht begegnen“, entschuldigte sich die Frau.

Doch die Schritte im Hofe waren längst hinter der Kirchenmauer verklungen und Uta wanderte in der dunklen Kemenate auf und nieder. Es wurde Nacht, eine jener vielen endlosen Nächte, die sie durchlitten hatte, Nächte voll glühender Folterqualen, voll fröstelnder Einsamkeit, Nächte voll Sehnsucht nach Frieden, Liebe und Stille, voll Kampf und Ergebung. O diese Nächte, in denen sie von einem Kampfplatz zum anderen geritten war, vorüber an Fluch und Schande und Grausamkeit — da sie in wut-umheultem Palas gekniet war und mit wundgerungenen Händen um Frieden auf Erden gebetet hatte. — O Nächte, die sie durchwacht hatte, um all die Kränkungen niederzuzwingen, um die Angst, die Bitterkeit vor Gott hinzuschleppen und wieder und tausendmal wieder „ja“ zu sagen!

Sie ging und ging zwischen Tür und Fenster hin und her und wußte nicht, wie sie die Kraft finden würde, wieder in diese Nächte hinauszugehen.

Eine Woche zog sich hin in heißen Zweifeln und'mühsamen Gesprächen. Die Mutter Priorin versuchte, den Mut der Herzogin zu stärken. Die Frau Äbtissin riet ihr, diese Sache dem Bischof zur Entscheidung vorzulegen. Doch Bischof Hiltebold, dem Herzog Engelbert eben das Recht auf Friesach streitig machte, konnte in einer Eheangelegenheit seines Feindes nicht zum Richter angerufen werden. Frau Uta kniete stundenlang in der Kirche, doch kam ihr kein Licht aus ihren müden, verzweifelten Gebeten.

Die Kammerfrau, Herr Bertold und der Knappe drückten sich gelangweilt bei den Dienstleuten des Klosters herum und machten sich wichtig mit dem, was sie von der geheimnisvollen, traurigen Frau zu erzählen wußten.

Am neunten Tage sah Frau Uta mit bangem Herzen eine kleine Reiterschar von Drasendorf herübertraben. Das Roß an der Spitze war nicht der Rotscheck ihres Gemahls. Dennoch wußte sie, daß der Besuch ihr gelte.

Herr Bertold meldete ihr den Markgrafen Leopold von Österreich. Sie erschrak. Sie hatte ihn sehr lange nicht gesehen, und er stand auf der Seite des Bischofs — auch er, der aller Gerechtigkeit ein Spiegel war.

Sie empfing ihn im Remter. Es gefiel ihr wohl, wie er, in edlem Frauendienste lang £eübt, das Knie beugte und den Ring an ihrem Zeigefinger küßte. Es war bei ihm keine leere Form. Man sprach von ihm, daß er um der Himmelsherrin Maria willen noch keiner Frau seinen Beistand versagt habe Seine schlichten angegrauten Locken, die rötlichen Wangen, die hellen Augen, denen die geraden Lider und Brauen etwas Falkenartiges gaben, schienen noch dieselben zu sein, wie vor acht Jahren. Sie aber war alt geworden.

Sie wußte nicht, daß sie ihm in ihrer .Blässe, in ihrem dunklen, schlichten Gewände mehr ans Herz griff, als damals in jener überbunten Pracht, die sie ihrem Gemahl zu gefallen getragen hatte. Er sprach: „Vergebt mir, Herzogin! Ihr habt für eine Weile fromme Rast gesucht, und nun komme ich, Euch aufzuschrecken. Ich komme mit einer Bitte zu Euch.“

„Sprecht! Ich hoffe, daß es in meiner Macht liegt, Euch zu helfen.“

„Vielleicht ist es so, daß Ihr, Frau Herzogin, noch keine Nachricht darüber habt, daß die Fehde in Friesach zu Ende ist.“

„Zu Ende! — Und wie?“

„Ihr wißt, daß meine Streitkraft dem Bischof Hilfe brachte. Vergebt —-ich hielt es für meine Pflicht. Die Schenkung eines unrechtmäßigen Erzbischofs, der die Güter der Kirche verschleuderte, um seine hoffnungslose Stellung bei den großen Herren zu festigen, konnte für mich nicht zu Recht bestehen. Friesach gehört zum Bistum Gurk.“

Es traf sie nun doch, daß ihr Gemahl die Fehle verloren hatte. So war alles umsonst gewesen, all der verbissene Mut, all die Opfer an Menschen und Besitz. Sie mußte sich mühsam fassen, ehe sie mit weißen Lippen fragte: „Wie war das Ende? Ist meinem Herrn wohl nichts zugestoßen?“ Um Gott — sollte ihre Flucht von seiner Seite so gestraft werden?

„Nein, Frau Uta. Der Herzog ist wohlauf. Die letzte Entscheidung fiel nicht durch Waffengewalt. Nach vielem Hin und und Her des Kampfes wollte Herr Hiltebold dem Blutvergießen ein Ende machen, ehe der Winter käme. Gegen unseren Rat, nur auf Gottesgerechtigkeit vertrauen, legte er seinen Bischofsornat an und schritt aus der sicheren Burg am Petersberge in den feindlichen Markt hinunter. Keiner von den Mannen des Herzogs wagte ihn anzurühren. Er schritt von Haus zu Haus, von Hof zu Hof und machte über jedem Eingangstor das Zeichen des Kreuzes. Dabei sprach er feierlich: ,Diese Güter banne ich im Namen des Herrn dem Herzog. Will er, sie wiederum angreifen, so verfalle er der Rache Gottes und seiner Diener!' darüber erschrak der Herzog und hob die Belagerung auf.“ '

„Gott sei Dank — Gott sei Dank“, stammelte Frau Uta und fühlte die Tränen nicht, die über ihre Wangen liefen. „Nun wird es Frieden werden —“

Der Markgraf blickte fast scheu an ihr vorüber. „Frau Herzogin“, begann er zögernd, „um dieses Friedens willen bin ich da. Euer Gemahl hat wohl auf Friesach verzichtet, doch sein Zorn fiel auf mich, der ich dem Bischof die beste Hilfe geleistet habe. Ich habe erfahren, daß er mir Fehde schwören will. Ich fürchte sie nicht. Doch, Frau Uta, Ihr wißt, solch ein Kampf zwischen Spanheimern und Babenbergern ist keine Burgfehde mehr.“

Sie starrte ihn entsetzt an. „Das hieße ja Krieg zwischen Österreich und Kärnten, die doch zusammenstehen sollten —, Herr Markgraf, das darf doch nimmermehr geschehen!“

„Ich will Euch nicht mit aill den Gefahren erschrecken, die der ganzen Christenheit drohen würden, wenn wir unserer Pflicht vergäßen“, sprach Leopold bedächtig, um die zitternde Frau nicht noch mehr zu verängstigen. „Doch Ihr wißt, Vieles würde mit uns untergehen, was wert wäre, bewahrt zu sein.“

„Ich muß nach St. Veit, der Herzog wird wohl schon dort sein?“

„Ja, er ist dort. Darum wollte ich Euch bitten. Sprecht Ihr für mich, Ihr mögt ihm sagen, daß ich bei Euch war. Mich würde er nicht hören.“

„Vielleicht auch mich nicht“, schluchzte sie auf. „Doch ich will alles tun, alles versuchen —“

„Tut es, Frau Uta, ich bitte Euch. Ihr tut ein gutes, großes Werk damit. Man sagt, Herr Engelbert sei seit Eurem raschen Abschied niedergeschlagen. Wenn Ihr wiederkommt, wird er sich von Eudi erbitten lassen.“

Sie errötete. Man sprach von ihrer Flucht, wie man vom Kummer sprach, den ihr der Herzog zufügte. O, Gott, verzeihe ihr — wie klein war sie gewesen! Wie durfte sie ihn von der Hand lassen, der in ihr den einzigen Halt besaß!

„Ich will noch heute reiten“, sprach sie fast hastig. „Ich bin in zwei Stunden in St. Veit. Herr Leopold, daß ich Engelbert von diesem unseligen Kampfe abbringen kann, vermag ich nicht zu versprechen. Doch ich verspreche Euch, daß ich alles tun werde — alles tun werde —“ Sie stockte. Die Angnst vor der Begegnung riß ihr plötzlich das Wort vom Munde.

„Gott segne Euch, Frau Herzogin“, sprach der Babenberger. Sie wagte kaum in sein Gesicht zu schauen. Sie sah an seinen ernsten, ehrfürchtigen Augen, daß er vieles ahnte, daß er wußte, was er von ihr verlangte.

Sie ließ ihm ihre Hand. „Nun will ich gleich Herrn Bertold Bescheid sagen lassen und von den guten Frauen Urlaub nehmen. Sdiön wäre es, noch ein wenig hier in Frieden zu rasten. Doch es ist uns beiden nicht so gesetzt, nicht wahr?“

„Ja“, sagte er nachdenklich, „es mag einem Menschen viel erspart bleiben, wenn er der Welt entsagt. Vor drei Jahren, als mein Sohn Otto fortging, war es mir hart. Doch sah ich ihn in diesem Frühjahr und ich merkte, daß er in Morimond den Frieden gefunden habe.“

„Wohl ihm“, sagte die Herzogin leise. „Besseres können wir ihm nicht wünschen.“

Sie sprachen nicht mehr von ihm, es war genug.

„Ihr wißt,-daß ich Euch ein Freund bin. Denkt daran, wenn Ihr eines Beistandes bedürftig seid!“ bat er sie. Es war ihr, als ob er damit die Bitte eines anderen aussprädie, dessen letztes verhaltenes Wort längst verweht und vergessen war.

„Ich danke Euch, Markgraf. Ihr habt mir heute viel Gutes getan.“

Engelbert von Spanheim. 1122 bis 1135 Herzog von Kärnten.

Uta, Tochter Ulrichs von Passau, seine Gemahlin.

Ihr' Sohn Heinrich studierte in Paris, wurde Zisterzienser im Kloster Morimond, später Bischof von Troyes, und gründete Viktring.

Otto von Babenberg, mit ihm zugleich Zisterzienser zu Morimond, später Bischof von Freising.

Friesacher Fehde 1124.

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