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Die Romantik ist nie zu Ende

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Es war ein guter Gedanke, auf das Programm des ersten Konzerts im R o-mantiker-Zyklus im Großen Musikvereinnaal Pfitzneri „Drei Paleitrina-Vortpiele“ und Bruckners IV. Symphonie zu setzen. Beginnen wir mit der letzteren. Ihr Hauptcharakter ist, nach einem Wort Franz Schalks, „zarte Feierlichkeit“. Die-ser^verkörpert „das Bewußtwerden einer reinen Idealität und ihrer Übereinstimmung mit dem Unendlichen, Ewigen, das hinter den Erscheinungen waltet. In diesem Innewerden aber wurzelt das Grundgefühl der Romantik“ Der älteren Romantik. Denn genau vierzig Jahre später, all Pfitzner seine Paleitrina-Partitur schrieb, setzte er als Motto drei Sätze Schopenhauers darüber, von denen wir den letzten zitieren: „Dieses intelj<;ktyel|s; Leben schwebt, wie eine ätherische Zugabe, ein, sich aus der Gärun? entwickelnder wohlriechender Duft, üb*r dem weltlichen Treiben .... und neben der Weltgeschichte geht schuldlos und nicht blutbefleckt die Geschichte der Philosophie, der Wissenschaften und der Künste.“ — Die Zeiten haben sich geändert, die Verhältnisse verhärtet. Wo bei Bruckner noch — wenigstem erstrebter, supponierter — Einklang war, ist um 1915 nur noch eine Antithese vorstellbar.

Wolfgans S a w a 1 1 l • c h und den Wiener Symphonikern, die einen besonders glücklichen Abend hatten, scheint die Palestrina-Welt mit ihrem kirchen-tönigen Moll und den harten weltlichen Akzenten de* zweiten Vorspiels bestens zu liegen. — Bruckneri „Romantische“ war klar disponiert und geformt, im Klanglichen sorgsam ausgewogen und niemals exzessiv, an einigen Steifen freilich einem Münchner Oktoberfeit näher all der idealischen Bruckner-Landschaft und -ihrer „Übereinstimmung mit dem Unendlichen, Ewigen, das hinter den Erscheinungen waltet“.

Was in Sawallischi Interpretation immer wieder erfreut, iit, bei aller Routine, jener Rest von Unmittelbarkeit und Spontaneität, der dem Zuhörer (der gezwungenermaßen ja auch Zuschauer ist) wenigstem die 111 u i i o n gibt, der Gestaltung einei Kunstwerkel beizuwohnen.

Das im Mozart-Saal dei Kon-zerthauiei konzertierende Konzert-haus-Quartett hat unmittelbar vor Saisonbeginn schwere Einbußen erlitten: Professor Erich Weil, lein BraMchlst, ist plötzlich geitorben, und Karl Maria Titze, sein zweiter Geiger, muß für unbestimmte Zeit pausieren. Um die Auflösung des beliebten Ensembles zu verhindern, haben ich die Mitglieder des Weller-Quartetti, deren Leiter für ein Jahr all Primarius zurücktritt, Herrn Profeisor Kamper zur Verfügung gestellt. Wie weit sie ein echtei Ensemble bilden, kann nach dem eriten Abend (Sextett Ei-Dur von Beethove und Quintette von Brahmi und Mozart) noch nicht beurteilt werden.

Paul H i n d e m i t h dirigierte die W i e-ner Symphoniker und die Wienet

Singakademie in einem Konzert, dessen Programm Joseph H a y d n gewidmet war. Da „Te Deum für die Kaiserin“, 1800 komponiert, ist nichl an Bruckner zu meilen, in seiner knapper und klaren Konzeption aber für Haydns kirchenmuiikalischen Spätitil bedeutend leine kirchliche Verwendung lt lehr zu empfehlen, zumal auch der Text wedei durch Kürzungen noch durch Wiederholungen entstellt ist. Die Kantate „M 11 e r a n o i“ für Sopransolo und Orchester wurde erst 1957 von Robbins Landen aufgefunden. Sie ist im Sinne der Haydn-Forschüng interessant, dürfte aber kaum zu den inspiriertesten Werken gehören. Weit schwerer als beide Kompositionen zusammen wiegt die „S c h ö p f u n g 8 m e s s e“, so genannt nach einem kurzen Zitat aus dem Oratorium „Die Schöpfung“ (Qui tollis). Ruhe und Ausgeglichenheit aller Teil des großen Werkes machen es zu einem Spiegel inneren Friedens. Hindemith dirigierte sachlich (für manche vielleicht z u lachlich), doch klar und — besonders im Rhythmischen — sehr prägnant. Dem exakt und volltönend singenden Chor der Sin g-a k a d e m i e itand ein ausgezeichnetes Soloquartett gegenüber: Pila Lorengar, Margarita Lilova, Georg Jelden und Hans Braun. Solist am Orgelpositiv war Josef Nebois.

Einen Hugo-Wolf-Liederabend gab Hanl H o 11 e r, hervorragend schön begleitet von Walter KIi en. Durch die Einteilung des Programms in sieben kleine, in lieh mehr oder weniger zusammenhängende Gruppen wurde Hotter der Vielfalt und Lebendigkeit del romantischen Geniui gerecht. Seine große, kultivierte Stimme gab den Liedern Gestalt und persönliches Profil, am stärksten dort, wo humorige Züge den Grundgedanken bestimmten. Leider war das Programm an solchen Liedern nicht reich. Immerhin blieb es eine künstlerisch hochwertige Leistung, 26 Lieder ohne Ermüdung des Publikums vorzuttagen.

Der 150 Mann starke niederländische Männerchor „Maitreechter Staar“ gab in der S t d t h a 11 e ein Konzert unter Leitung seines Kapellmeisters Profeisor Koekelkoren „Geistliche Chöre“, „Moderne Komponisten“, „Volkslieder“ und „Opernchöre“ hießen die vier Teile del vielfältigen Programms. DeT künstlerische Gipfel wurde mit der (sehr gemäßigten) „Moderne“, zum bedeutenderen Teil jedoch mit den Volksliedbearbeitungen erreicht, die überraschend frisch klangen und unmittelbar wirkten. Unmittelbarer noch kamen freilich die „Opernchöre“ beim Publikum an (Jägerchor aus „Freischütz“, Matrosenchor aus dem „Holländer“ usw.). Präzision und Disziplin des Chores waren vorbildlich, ebenso die gewandte und klare Textaussprache in vier Sprachen. Dem Konzert wohnte auch der Bundespräsident bei.

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