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Die Sehnsucht nach der Großfamilie
Großeltern, die mit ihren Enkelkindern leben, werden immer seltener. Dabei nehmen die Omis und Opis bei den Kindern einen ganz wichtigen Stellenwert ein.
Großeltern, die mit ihren Enkelkindern leben, werden immer seltener. Dabei nehmen die Omis und Opis bei den Kindern einen ganz wichtigen Stellenwert ein.
Es gibt noch Großeltern, die ihre Enkel den lieben langen Tag beaufsichtigen, während die Eltern arbeiten. Aber sie werden seltener. Heute fahren Oma und Opa selbst in die Karibik und gönnen sich regelmäßig einen Winterurlaub.
„Früher habe ich mir immer gedacht, wenn die Kinder einmal flügge sind, unternehmen wir etwas Interessantes und arbeiten bei einem Sozialprojekt mit. Und wenn ich einmal Oma bin, werde ich nur zeitweise auf unsere Enkel schauen.”
Dann kam aber alles ganz anders. Heute hat Frau Kohlmaier sechs Enkel. Der 17jährige Christian ist ganz zu den Großeltern gezogen. Thomas ist gerade vier Jahre alt und tagsüber da. Er genießt den Garten in dem kleinen, schmucken Ort in Kärnten.
Manchmal, sagt Frau Kohlmaier, höre sie von den Nachbarn: „Was du dir da antust!” Denn die ältere Generation ist nicht mehr so ohne weiteres bereit, ihre Enkel tagsüber zu beaufsichtigen.
Ist es manchesmal nicht auch wirklich sehr anstrengend, wieder ganz neu mit den Enkeln zu beginnen? „Ja, natürlich.” Die Arbeit in Küche und Haus reiße nicht ab. „Aber ich weiß, daß es einen großen Wert hat, wenn sich der Kleine bei uns wohlfühlt”, meint die Großmutter, der man die knapp 60 Jahre nicht ansieht.
Großmütter und Großväter entsprechen ohnehin schon längst nicht mehr dem Bild, das wir vor 50 Jahren hatten. Die Omi von heute hat keine aufgesteckten graue Haare mehr und keine dicke Brille auf der Nase. Haarfärbemittel und Kontaktlinsen sind auch Großmüttern nicht fremd. „Eine 50jährige Frau empfindet sich anders als vor 50 Jahren”, betont Psychotherapeutin Liselotte Mäni Kogler aus Graz. Sie ist häufig selbstbewußt und agil.
Nur wenige Kinder leben mit den Großeltern im selben Haushalt. Viele wünschen sich jedoch ganz sehnsüchtig eine Großfamilie. Das geht auch aus einer Studie hervor, die vom Amt für Jugend und Familie in Wien durchgeführt wurde. Dabei sollte das aktuelle Idealbild der Familie bei den Kindern festgestellt werden. Befragt wurden 156 Kinder, das Durchschnittsalter lag bei zehn Jahren. Von den Kindern leben 22 Prozent in einem Ein-Eltern Haushalt, 21 Prozent sind Einzelkinder und insgesamt 29 Prozent leben im „Charlotte Bühler Heim”.
Viel Konfliktpotential
Die Kinder wurden bei einem sogenannten „Scenotest” aufgefordert, mit einem Baukasten, bestehend aus Puppen, Einrichtungsgegenständen, Tieren, Autos und anderem, eine Familie nach Wunsch zu bauen. Das Ergebnis: Nur fünf Prozent aller Kinder bauten Szenen, in der entweder keine Eltern oder keine Kinder vorkommen, lediglich acht Prozent stellten eine Ein-Eltern-Familie dar. 22 Prozent beschränkten sich auf eine Kern familie, 35 Prozent bezogen die Großeltern mit ein, und 30 Prozent bildeten eine erweiterte Familie, die eventuell Onkel oder Tante miteinschließt.
Die Studie zeigt, daß sich sowohl Kinder, die nur von einem Elternteil aufgezogen wurden, als auch Heimkinder eine Oma und einen Opa wünschen. Gerade sie sehnen sich nach einer erweiterten und vollständigen Familie. Doch nicht immer sind die Beziehungen innerhalb einer Großfamilie rosig, Beibereien und Streitereien machen das Zusammenleben mitunter zur Qual. Generationenkonflikte sind häufig sehr subtil; schlecht verarbeitete Erlebnisse in der Kindheit wirken sich noch Jahre danach auf die Beziehungen aus. „Mehrgenerationen- und Großfamilien, die häufig als ideal und typisch dargestellt werden, sind viel seltener und konfliktbela-dener als angenommen wird”, sagt der Grazer Psychotherapeut Ulf Lu-kan. „Ältere Leute können auch grantig, verbittert, starr, und nicht immer nur milde Leute sein. Dadurch kann das Kind gar nicht im gewünschten Ausmaß zum Zug kommen”, rückt Lukan das allzu griffbereite Klischee der guten Großeltern zurecht. „Wenn eine Enkel-Großmutter-Beziehung klappen soll, müssen sich die Eltern von den Großeltern losgelöst haben, sonst empfinden sie vieles als Einmischung der Großeltern.” Die Eltern müssen selbst eine Autorität darstellen, erst dann können sie sich gegenüber dem großelterlichen Verhalten als tolerant zeigen.
Toleranz ist aber auch bei den Großeltern gefragt. Für die Großeltern Murg aus Graz sind die Enkel eine große Bereicherung. Opa lernt Comuputerspiele und mit Baffael kann der Großvater ganz interessant über politische Geschichte sprechen. Ob sie manchesmal ihre Enkel anders erzogen hätten? „Natürlich ändert sich viel, wenn die eigenen erwachsenen Kinder einen Partner bekommen”, sagen die Großeltern Murg.
„Wir haben unsere Kinder katholisch erzogen.” Aber heute ist es nicht mehr für alle so wichtig, am Sonntag in die Kirche zu,gehen. Auf keinen Fall möchten sich die Großeltern in die Familien ihrer Kindern einmischen. „Wir möchten sie zu nichts zwingen”, sagen sie.
Wunsch nach Freizeit
Die Großeltern gnießen selbst viel Freiraum. „Wir sind gerne bereit, zu helfen, einen Enkel zum Arzt zu bringen ... aber nicht immer”, sagen sie. „Wenn man selbst so ein erfülltes Leben geführt hat, sehnt man sich nach freier Zeit.” Und diese nützen sie auch aus, sowohl auf ihrer Almhütte als auch auf einer Bootsfahrt oder auf einer Sightseeing-Tour nach Bangkok, Hongkong und Singapur. Sie haben bereits sechs Enkel, mit denen sie dennoch sehr viel unternehmen. Mit Enkel Baf-fael baut Großvater Flugzeuge, die Großmutter, die selbst zehn Jahre Klavierunterricht genommen hatte, gibt Anna Christina Nachhilfeunterricht.
Was gehört zu den schönsten Erlebnissen? „Als ich einmal mit fünf Enkelkindern in die Stadt in die Konditorei ging - alle Hand in Hand - , da war ich schon echt stolz”, sagt der er. Und sie: „Ein Nikolausfest mit der ganzen Familie, mit Liedern, Instrumenten und einem Nikolausbesuch”. Einen besonders wichtigen Beitrag können heute Großeltern leisten, wenn die junge Familie in eine Ehekrise schlittert. „Sie könnten die junge Familie entlasten, indem sie die Kinder zu sich nehmen, damit die Eltern Zeit finden, über ihre Probleme zu sprechen”, meint Frau Kogler.
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