6536894-1946_20_12.jpg
Digital In Arbeit

Die Sonntagberger Madonna

Werbung
Werbung
Werbung

Nach dem ersten Weltkriege gelang es dem kunsthistorischen Museum in Wien, von Sonntagberg auf dem Wege des K-.;nst-handels über Steyr und Innsbruck eine Marienstatue zu erwerben, die nach Alter, Erhaltungszustand und künstlerischem

Werte selbst für diese hervorragende Sammlung eine ungewöhnliche Bereicherung bedeutete.

Die Statue ist aos Lindenholz, 184 Zentimeter hoch. Der Künstler stellt Maria als Königin und Mutter dar; sie steht, den Körper auf das rechte Bein stützend, das linke mit leicht durchgedrücktem Knie etwas vor und seitlich gestellt, groß und in sich selbst ruhend vor dem Beschauer. Gemildert und auf schöne Weise vermenschlicht wird diese königliche Größe durch die sanfte und melodische Biegung

des Körpers nach rechts und durch die Wendung von Kopf und zärtlichem Blick auf das segnende Kind, das die Mutter behutsam auf dem rechten Arme trägt. In geraden, klaren Zügen steigen die tief gehöhlten Falten des Mantels zur rechten Hüfte; in hochgeschwungenem Bogen ist er über den Kopf genommen und gleitet sanft über Schulter und Brust zum linken Arm herab. Das im Oberkörper unbekleidete Jesuskind hält sich mit der Linken an des Mantels Saum. Wirkungsvoll tritt das feingeschnittene ovale Antlitz Mariens hervor. Das Haupt der Himmelskönigin ist mit einer Krone geziert, das Zepter in der Linken fehlt.

Wie kam dieses Meisterwerk aas der besten Zeit der Gotik (um 1390) in die schlichte Kapelle am Südosthang des Sonntagberges? Ein längerer Aufenthalt auf dem Sonntagberg bot mir Gelegenheit nachzuforschen, ob im Volke noch Erinnerungen an die Entstehung und Einrichtung der Kapelle, in der die Madonna zuletzt aufgestellt war, lebendig sind. Zu meiner Freude fand ich, daß sich ein Bauer aus der näheren Umgebung, Michael Bösendorfer, schriftliche Aufzeichnungen über den Ursprung der Marienkapelle gemacht hat.

Im Jahre 1848 kam es, wie aus dieser Niederschrift hervorgeht, zwischen zwei Bauern, dem Stefan Panstingel vom Halle-hengut auf dem Sonntagberg und Philipp Stockinger vom Hauvogelgut in der Pfarte Windhag, zu einem Häusertausch. Bei der Besichtigung der beiden Häuser stießen sie auf dem Dachboden der Häuser von Hallehen auf eine alte Muttergottesstatue und kamen überein, falls der Häusertausch durchgeführt würde, so wollten sie gemeinsam U. L. Frau eine Kapelle auf grünem Wasen erbauen. Bald darauf schlössen sie wirklich mit einem Handschlag den Handel ab und übersiedelten ungesäumt in ihre neuen Häuser. Allein die Statue mußte noch vier Jahre oben unter dem Dach auf ihre Kapelle warten. Während dieser Zeit wurde die Gegend dreimal von einem schweren Hagelwetter heimgesucht. Am ärgsten hauste es am 24. Mai 1852. Vom Korn, das bereits hoch gewachsen war und schon „verblüht hatte“, blieb kein Halm mehr aufrecht stehen und in ähnlicher Weise litten auch die übrigen Feldfrüchte. In einer Stunde waren Arbeit und Hoffnung eines ganzen Jahres vernichtet. Drei Hagelschläge inner-

KaTh v?er jVrTre, cfas* msefife efen StocSnger nachdenklich, er glaubte in dem schweren Wetterschaden eine Mahnung zu sehen, wnd am folgenden Tage ging er deshalb zum Panstingel und erinnerte ihn an das Versprechen, das sie beim Häusertausch gemacht hatten. Sie einigten sich auf einen Kapellenbau auf dem Platz beim Hallehen-gut, von dem man den schönsten Ausblick auf die Sonntagberger Wallfahrtskirche genießt. Der Grundstein wurde im Juni 1853 gelegt und konnte schon ün August des Jahres von dem Superior, P. Pius Pfeiffer, eingeweiht werden. So berichten die Aufzeichnungen Bösendorfers.

Es geht aus ihnen deutlich hervor, daß die Kapelle für eine bereits vorhandene Statue gebaut wurde. Diese war, wie schon die Größe der Figur und die künstlerische Ausführung nahelegt, ursprünglich nicht für eine Kapelle, sondern für eine Kirche bestimmt. In Betracht kommt nur die eine schwache halbe Stunde entfernte Wall- , fahrtskirche auf dem Sonntagberg. Allein die erste Kirche auf dem Sonntagberg wurde erst 1490, also hundert Jahre nach der Entstehung unseres Bildwerkes, erbaut. So kann die Statue auch nicht für diese Kirche in Auftrag gegeben und ausgeführt worden sein. Sonntagberg ist aber als Filiale von Allhartsberg mit seiner Mutterpfarre dem Benediktinerstifte Seitenstetten inkorporiert, und so liegt die Annahme nahe, daß die Stiftskirche zuerst diese Statue besessen und Abt und Konvent von Seitenstetten um 1490 ihre neue Wallfahrtskirche auf dem Sonntagberg damit ausgestattet haben. Dies, konnte um so leichter geschehen, als • das Stift Seitenstetten um 1450 eine Steinfigur der sogenannten „Schönen Madonna“ aus Straubing erhalten hatte. .

Über mehr als 250 Jahre bildete unsere Marienstatue einen Schmuck der Sonntagberger Wallfahrtskirche und stand dort neben dem Gnadenbild der helligsten Dreifaltigkeit stets in hoher Verehrung. Damit erscheint auch unser im Titel gewählter Name „Sonntagberger Madonna“ wohl gerechtfertigt.

In den Jahren 1766 bis 1769 bekam die von Prandtauer und Munggenast neu erbaute herrliche Barockkirche einen nach den Plänen von Melchior Hefele entworfenen marmornen Marienaltar. Das Altarbild der Aufnahme Mariens in den Himmel schuf in einem durch * Komposition und Farbengebung gleich ausgezeichneten Werke der berühmte Maler Martin Johann Schmidt aus Krems (1767). Da dieser Altar dem Zeitgeschmack besser entsprach, entfernte man wohl damals die gotische Madonna aus der Kirche, um sie ein oder zwei Menschenalter später an ein Bauernhaus der Pfarre für eine zu errichtende Kapelle abzugeben.

Soweit läßt sich die äußere Geschichte der Sonntagberger Madonna auf Grund der Tatsachen, der Überlieferung und begründeter Annahmen feststellen. Wie weit stilistische Untersuchungen di- Frage nach der Herkunft der Statue noch zu klären vermögen, ist abzuwarten. Daß der Archetypus im westlichen Kulturkreis zu suchen ist, scheint mir kaum zweifelhaft, wenn auch noch kein bestimmter Name genannt werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung