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Die Sparkassen und die moderne Wirtschaft

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Stattet man dem Museum der Ersten österreichischen Spar-Casse in Wien einen Besuch ab, so fällt einem vielleicht ein kleines, vergilbtes’ Büchlein in die Hände. Es sind das die „Briefe Eipeldauers an seinen Herrn Vettern“, die sich seinerzeit einer großen Beliebtheit erfreuten. In einem dieser Briefe aus dem Jahre 1819 wird der Gründung der Ersten österreichischen Spar-Casse in so feiner Art und Weise gedacht, daß es uns passend erscheint/ einen Auszug hier wiederzugeben.

„Wie ich hör’ soll ich das Geld, was mir der Herr Vetter g’schickt hat, nicht für mich verwenden, nu und lieber Himmel, ich brauchte es noch nothwendig, weil meine Erbschaft so lang ausbleibt, der Herr Vetter will, ich soil’s in die neue Sparkassa in die Leopoldstadt tragen und dort anlegen, es ist recht — was der Herr Vetter will, soll jeder Zeit g’schehen! Ich hab mich schon erkundigt nach der neuen Anstalt, und warum soll ich’s nicht sagen, ich war sogar schon dort. Herr Vetter, Herr Vetter! ich bin nur vom Land’, aber das kenn’ ich doch, die Anstalt ist schon prächtig auch. Wie ich hinein kommen bin, ist mir gleich ein wunderartiger Herr entgegen kommen, er heißt Ritter von Schönfeld, und ist einer von den braven Direktoren, oder wie sie heißen, wovon viere sind. Der Biedermann ist seinem Stand nach mit Recht ein Ritter, weil er so im Bund mit andern wackern Leuten gegen die Armuth und Verschwendung der niedern Menschenklassen kämpft, und Schönfeld heißt er auch mit allem Grund, denn er hat sich da ein schönes Feld aüsg’sucht, auf dem er wirken will. Neben ihm ist die Freundlichkeit und Lieblichkeit selber g’standen, der bekannte und verehrte Herr Pfarrer Weber aus der Leopoldstadt. Der hat auch um die Gründung dieser Sparkassa ein Hauptverdienst; da kann man also ehrlich sagen, die Leinwand, die dieser Weber macht, trocknet stets die Thränen der Armen, verbindet die Wunden, die das Schicksal schlagt, und macht noch als Bahrtuch das Sterben leicht, kurz ist halt ein Leinwand, die unser Herr Gott mit Freuden bleicht!“

Mit dem äußeren Bild der Spar-Casse hat sich auch — bedingt durch die Umschichtung der Wirtschaftsformen und der Gesellschaft — ihre Zielsetzung geändert. Die Ursache für diese Veränderungen liegt in der Entfaltung des Maschinenwesens, in der fortschreitenden Industrialisierung, im Uebergang von statischen zu dynamischen Wirtschaftsformen. In dem Maße, in dem sich die Wirtschaft zu automatisieren beginnt, folgen auch die Kapitalbewegungen dem wachsenden Automatismus. Der Automatismus des technischen Zeitalters hat die einzelnen Volkswirtschaften zu Großraumwirtschaften zusammengekettet, deren Wirtschaftsleben einen untrennbaren Mechanismus darstellt. Ein Kapitalmarkt breitester Basis ist erste Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsdynamik, der Konjunktur.

Die Bedeutung des Kapitalmarktes für eine expandierende Wirtschaft läßt sich an der Wirtschaftssituation Oesterreichs deutlich erkennen. Die durch die Konjunktur bedingte Vollbeschäftigung zieht eine Erhöhung des Volkseinkommens nach sich. Ueberschüsse aus der aktiven Zahlungsbilanz führen zu einer weiteren Verflüssigung des Geldmarktes. Diese beiden Faktoren bewirken ein Ansteigen der Preise, falls die Zuwachsrate des Güterangebotes mit der ständig anwachsenden Nachfrage nicht Schritt halten kann. Darin liegt eben Oesterreichs Konjunkturproblem! Das Sozialprodukt läßt sich schon im Hinblick darauf, daß das Arbeitskräftereservoir nahezu ausgeschöpft ist und die kultivierbaren Bodenflächen nicht mehr wesentlich vergrößert werden können, nicht beliebig steigern. Das Anwachsen des Sozialprodukts ist aber Grundbedingung für die Erhaltung der heute lebensnotwendig gewordenen Konjunktur. Die wichtigste Voraussetzung für eine Steigerung des Sozialprodukts ist die Investitionstätigkeit. Investitionstätigkeit erfordert Kapital, Kapital entsteht durch Arbeit und Sparen.

Dem Sparen kommt in der Konjunktur eine wesentlicheßedeutung zu. Sparen ist Konsumverzicht. D, Konsumverzicht kann Störungen, die im Véialtnis zwischen Angebot und Nachfrage jfgetreten sind, ausgleichen. Die Nachfrag eite wird entlastet und die so notwendige Mįsenkaufkraft bleibt erhalten. Andererseits wj durch Spartätigkeit der Kapitalmarkt gesjr] t und ermöglicht auf diese Weise zusätzliche Investitionstätigkeit, welche ein Ansteigen derpjoduktivität zur Folge hat. Die Stabilität bleib gewahrt.

Es haben sich Herdings die Beziehungen zwischen Sparer uncjparkasse wesentlich verändert Die Aütomapn des Wirtschaftslebens hat zu einer Verände.ng des Geldbegriffes geführt. Der moderne Leidbegriff ist abstrakt. Geld und- die Manipjation mit Geld sind anonym. Geld bedeute Kaufkraft. Man legt nicht mehr „Geld“ irück, sondern man speichert Kaufkraft. Ein vierer Faktor, der die Beziehung zwischen Sparkle und Sparer verändert hat, ist das heute perfekte System der Sozialversicherung. Der M1sch wird vielfach enthoben, Vorsorge für Not, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter zu treff . Der dritte und wahrscheinlich der entscheichdste Faktor ist die dauernde, zunehmende Massenproduktion von Gebrauchsgütern, die denMenschen verleitet, den Großteil seines Einkomens unmittelbar dem Konsum zuzuführen.

Doch lassen wir die Statistik das Mittel, Massenerscheinungen zu registriere Und zahlenmäßig darzustellen, zu Worte komen:

Aus Veröffentlichungen des Institig für Wirtschaftsforschung ist zu entnehmen, aß gegenüber 195 5 das verfügbare persönlich',Einkommen im Jahre 1956 von 72,5 Milliar n Schilling auf 79.5 Milliarden Schilling įer um 10 Prozent angestiegen ist. Da der priv Konsum in der gleichen Zeit von 65,6 M'iarden Schilling auf 70,5 Milliarden Schilling, ao nur um 7 Prozent des Vorjahres anstieg, wuc, die Sparrate von 6,9 Milliarden Schilling auf 9,1 Milliarden Schilling an, das sind 9,5 zw. 11,5 Prozent des verfügbaren persönlichen in- kommens. Der Anteil der Ausgaben für Warning betrug 4,7 Prozent des GesamtkonSu.s gegenüber den Ausgaben für Verkehr in Höl von 5,9 Prozent und Genußmittel in Höhe voi 11,6 Prozent. Innerhalb der Genußmittel erhöhte sich die Nachfrage nach Schaumwein um 83 Prozent.

Es ist eine international allgemein feststellbare Erscheinung, daß gleichzeitig mit der Wirtschaftsexpansion auch die Sparrate wächst. Ein Vergleich der Spareinlagenquoten verschiedener Länder erhärtet diese Feststellung. In Oesterreich betrugen die Spareinlagen je Kopf der Bevölkerung 1955 55 US-Dollar, wobei der Anteil der Sparkassen 24 US-Dollar betrug. Im Jahre 1956 stieg die Kopfquote insgesamt auf 69 US-Dollar an mit einer Beteiligung der Sparkassen von 30,5 US-Dollar. Als Vergleich seien hier noch einige Kopfquoten anderer Länder angeführt: Deutschland 147, Großbritannien 453, Schweiz 899, Spanien 72 und Türkei 25 US- Dollar.

Diese Zahlen verdeutlichen, daß — sobald die elementarsten Bedürfnisse ohne Schwierigkeiten befriedigt werden können — zusätzliche Bedürfnisse entstehen. Bei dem Großteil der auf dem Markte angebotenen Waren handelt es sich um langlebige Konsumgüter mit hohem Anschaffungspreis. Der Mensch muß Rücklagen bilden, er muß sparen, um diese Güter erwerben zu können. Das ist nämlich der heutige Sparvorgang: Verzicht auf wahllosen Augenblickskonsum, um bewußt und überlegt konsumieren zu können und auf diese Weise eine weitere Stufe des Wohlstandes zu ersteigen.

Man sieht, daß auch heute noch der Sparkassenarbeit der Gedanke der Gemeinnützigkeit zugrunde liegt. In ihrer Funktion, die kleinsten Spargelder zu sammeln — bedenken wir doc., daß über 60 Prozent des Volkseinkommens von Lohn- und Gehaltsempfängern bezogen wird, von der Bevölkerungsgruppe, die seit jeher von den Sparkassen betreut wurde —, stehen sie im Dienste der Wirtschaft und helfen den Menschen, Wohlstand und wirtschaftliche Freiheit zu erlangen.

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