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Die Stimme Frankreichs

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Es sind nicht nur die Impulse auf kulturellem, religiösem und sozialem Gebiet, welche wir ständig von Frankreich empfangen, und es ist nicht allein die aufrüttelnde, mahnende und beschwörende Stimme der Claudel, Mauriäc und Bernanos, die von Frankreich herübertönen, sondern es klingt und leuchtet auch in einer anderen freundlichen, verbindlichen und verbindenden Sprache, die wir nicht missen möchten, in unseren kulturellen Alltag. Es ‘sind die Hervorbringungen der französischen Kultur jenseits schwieriger Problematik, es sind dichterische, musikalische und' malerische Kunstwerke, die jedem zugänglich und verständlich sind und doch den Geschmack und das Formgefühl der lateinischen Rasse nie verleugnen. Und es ist vor allem die französische Sprache, die an Soziabilität nicht ihresgleichen hat, die sich weniger durch ihren Reichtum als durch Bestimmtheit, Biegsamkeit und Anmut auszeichnet und in der mehr geistreiche Definitionen und Antworten gegeben wurden als in irgendeiner andern. —

Wie umfangreich und kontinuierlich die Wirkung Frankreichs in unserem Kulturleben ist, zeigte augenfällig eine Reihe von Veranstaltungen während der letzten Wochen. Es ist auch bezeichnend, daß die meisten in französischer Sprache stattfinden konnten und ein ebenso zahlreiches wie aufmerksames Publikum fanden. Die berühmte französische Charakterdarstellerin Franęoise Rosay spielte allein, mit sparsamsten Requisiten und in wechselndem Kostüm, sechs Kurzszenen aus dem französischen und menschlichen Alltag, und doch: welch tiefes, nachwirkendes Erlebnis, vermittelt von einer großen Künstlerin des Wortes und der Gebärde…

Dieser Veranstaltung der Division des Affaires Culturelies folgte eine zweite gemeinsam mit der österreichischen Kultur Vereinigung: Raoul Aslan las französische Lyrik und Prosa von Malherbe über Corneille, La Fontaine, Hugo und Musset bis Rimbaud. Es waren zum Teil die bekannten Paradestücke der französischen Literatur aus dem guten alten Schullesebuch, die man damals nicht immer ganz verstand, die aber so angenehm ins Ohr gingen und so leicht zu merken waren. Manches davon ist ein wenig verblaßt und unwirklich geworden, dann aber fesselt wieder ein starker und entschiedener Ton, etwa in den Gedichten Baudelaires. Sena Jurinac sang kleine Lieder von Clement Marot und anderen alten Meistern und leitete die Gruppe neuer Gedichte mit Liedern von Faure und Chausson ein. Ihr scheinen die französische Sprache und Diktion ebenso gut zu liegen wie Raoul Aslan die hinreißende Rhetorik Hugos und der Weltschmerz Mussets. —

Die Französisch-Österreichische Gesellschaft schenkte uns einen Abend mit französischen Liedern und Arien aus drei Jahrhunderten. Anmutige „Bergerettes“ wechselten mit Klavierliedern von Faure, Cesar Franck, Ravel und Opernarien von Massenet und Lalo. Überzeugend und beglückend auch hier die Kontinuität eines Stils als Ausdruck einer Kultur, die wir immer als unsere notwendige Ergänzung empfinden werden. (Joseph Maschkan und Olly Kerth sangen in französischer Sprache, von Margit Szekely begleitet). —

Die Staatsoper brachte als letzte Neuinszenierung „Manon“ von Massenet, dem Schüler von Thomas und Lehrer Charpentiers und Debussys. Auf den französischen Bühnen hat sich von den rund 25 Opern Massenets eine größere Anzahl gehalten als bei uns. Das mag — für uns — bedauerlich sein, ist aber verständlich, da Massenet unter den französischen Komponisten des letzten Jahrhunderts vielleicht derjenige ist, in dessen Werken sich nationale Wesenszüge am charakteristischesten ausprägen. Neben der Leichtigkeit und Eleganz seiner Erfindung, der Kultur seiner Instrumentierung ist es eine besondere Art des Sentiments, welche den Charakter seiner Musik bestimmen. Der äußere Rahmen der kleinen und mittleren französischen Provinzbühne ist seinen Werken vielleicht mehr angemessen als der — relativ — große des Theaters an der Wien. Das empfand man besonders peinlich in dem viel zu sehr „aufgemachten“ 2. Akt und den forcierten dramatischen Akzenten ä la Grande Opera im letzten. (Inszenierung Adolf Rott, musikalische Leitung Otto Ackermann, Bühnenbilder Fritz Judtmann. Die Hauptpartien sangen Ljuba Welitsch und Anton Dermota.)

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