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Die Teilung Jerusalems

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Jerusalem, 20. Janner

Wer heute über die neue „Himalaya- straße“, auf welche die Juden mit Recht so stolz sind, Jerusalem erreicht, der findet sich in einer Sackgasse. Hier ist die Welt fast buchstälblich mit Brettern verschlagen. Die Straßen der Neustadt enden an den Gittertoren der „Militärzonen“, ein paar hundert Schritte von der Grenze, welche die Stadt durchschneidet und (wenn auch hier nicht mehr geschossen wird) das arabische vom jüdischen Jerusalem hermetisch abschließt. An diesen verschlossenen Toren endet die Westwelt, jenseits liegt Arabien.

Es gibt in Jerusalem schon wieder, als erste Friedenstaube, ein eigenes Fremdenverkehrsbüro, aber was einst die Baedecker- Sterne Jerusalems waren, das kann den Fremden nur mehr von irgendeinem hoch gelegenen Aussichtspunkt von fern her gezeigt werden. Man schaut über die Altstadt zum ölberg hinüber und zu den Höhen, hinter denen Bethlehem liegt. Man staunt mit ehrlichem Respekt, wie diese Stadt sich halten konnte, da alle beherrschenden Höhen in Nord, Ost und Süd in den Händen eines bewaffneten Feindes sind. Man wird, wenn man gut empfohlen ist, noch an irgendeinen Punkt der bisherigen Kampffront geführt. Damit ist das Programm des Besuches im Jerusalem von 1949 wohl erschöpft.

85 Prozent des Stadtgebietes von Jerusalem sind in den Händen der Juden, aber gerade die fehlenden 15 Prozent machen das Herz jenes Jerusalems aus, das das irdische Abbild des Himmlischen ist. Was übrigMelbt, ist eine architektonisch ziemlich unglückliche Neustadt, die sich wohl nur jene zu Herzen nehmen können, die um sie gekämpft haben. Von zionistischer Seite wird alles Erdenklich geschehen, um dem neuen Jerusalem wieder aufzuhelfen, das mit dem Zentrum der Verwaltung Palästinas und mit dem Zentrum eines weltumfassenden Pilgerverkehrs seine Daseinsberechtigung verloren zu haben scheint.

Es ist verständlich, nur allzu verständlich, daß nach all dem Blut, das um Jerusalem geflossen ist, sich Juden und Araber an den Besitz ihrer Stadtteile klammern. Nichts-’ destoweniger kann sich der unbefangene Beobachter einem tiefen Bedauern nicht entziehen, bedenkt er, welch bezaubernd’’ Traum hier durch die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen um seine Verwirklichung gebracht wurde. Vor weniger als einem Jahr waren alle Parteien des Streites um Palästina bereit, der Internationalisierung des ganzen Stadtgebietes von Jerusalem zuzustimmen. Den Vereinten Nationen war damit eine territoriale Basis geboten, von welcher sie mit einer ganz anderen Autorität zur Welt hätten sprechen können als von Paris oder Lake Success.

Der Traum sdiien der Verwirklichung so nahe, als menschheitsalte Träume überhaupt verwirklicht werden können. Das heilige Jerusalem, thronend über den Bergen Judäas, dem Streit der Parteien entzogen, wäre wahrhaftig eine Hauptstadt der Welt geworden.

Heute kann man nur mehr darauf hoffen, daß wenigstens die Internationalisierung der Altstadt Jerusalems zustande kommt. Dann würde wenigstens eine neutrale Zone geschaffen, die beiden Parteien und ihren Gästen gleichmäßig zugänglich wäre, ein neutraler Boden, auf welchem die beiden Völker, die nun einmal dazu verurteilt sind, als Nachbarn zu leben, wiederum miteinander „ins Gespräch kommen“ könnten. Der Unterschied zwischen einem wirklich internationalisierten Jerusalem und einem internationalen Museum von einem Quadratkilometer Umfang ist allerdings fast so in die Augen springend wie zwischen der katholischen Weltkirche und der Vatikanstadt.

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