
Die Türen der Paläste eintreten
Éric Vuillard beleuchtet in seiner Geschichtsminiatur „14. Juli" den Beginn der Französischen Revolution.
Éric Vuillard beleuchtet in seiner Geschichtsminiatur „14. Juli" den Beginn der Französischen Revolution.
„Eine folie ist ein Lusthaus, Architekturlaune und fürstliche Extravaganz.“ – Éric Vuillard eröffnet seine Revolutionsminiatur „14. Juli“ mit einem Kontrastbild. Hier die luxuriöse bauliche „Tollheit“ (folie) der Reichen, da das hungernde Volk. Die Historie kann unseren Blick auf die Gegenwart schärfen, sagt Vuillard gern. Sie ist vom sozialen Leben nicht abzulösen. Darum sticht er den gesellschaftlichen Humus um, auf dem der Volkszorn keimt. Nicht, dass ein Mangel an Literatur zur Französischen Revolution herrschte. Aber Vuillard wählt, wie stets, einen besonderen Ansatz: In seiner „Ballade vom Abendland“ führte er die Drahtzieher des Ersten Weltkriegs mit dem Elend in den Schützengräben zusammen, in „Kongo“ den belgischen Kolonialismus und dessen Opfer; in „Traurigkeit der Erde“ entzauberte er den USWildwest-Mythos, während „Die Tagesordnung“ (Prix Goncourt) den Aufstieg der Nationalsozialisten aus den Hinterzimmern der Macht darlegt. Sein „14. Juli“ nun erlöst die Bastille-Stürmer aus der historiografischen Anonymität. Sie bekommen ein Gesicht, eine Individualität; ihre Namen und Berufe fand er in den Archiven.
Doch dürre Protokolle hauchen den Personen kein Leben ein. Diesen Part übernimmt der Literat (und Regisseur) Vuillard, der auch das Gefühlsleben einzelner Akteure imaginiert und auf manch postrevolutionären Lebensweg vorgreift. Dem Faktischen mengt er so viel Fiktion bei, als es zur „Umerzählung“ dieses Kapitels aus der Perspektive des Volks bedarf. Flüchtig lässt er die kleinen Leben, die Nöte und kargen Glücksmomente jener Menschen aufblitzen, die am 14. Juli 1789 Geschichte schrieben.
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