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Die Verteilung der charakteristischen Verbrechen auf die Altersschichten der Osterreichischen Bevölkerung
Der Grad der Abhängigkeit läßt sich anschaulich am besten graphisch unter Benützung eines ebenen Koordinatensystems darstellen, indem man das Alter auf der Abszissenachse und die zugehörige Kriminalitätsziffer auf der Ordinatenachse aufträgt. (Vergleiche die graphische Darstellung rechts oben.)
Vor Erreichung des 14. Lebensjahres kann bei uns niemand kriminell im Rechtssinne werden. Wer das 14. Lebensjahr erreicht hat, wird bis zum 18. Lebensjahr als Jugendlicher (im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes), die Jahrgänge darüber werden wie die Erwachsenen behandelt.
Kennzeichnend für die Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher ist die Beseitigung oder doch Einschränkung der kriminellen Strafe. Die kriminelle Strafe beruht auf der Verantwortlichkeit und sozialen Verpflichtung und bedeutet soziale Diskriminierung. Die Minderjährigkeitsgrenze des Strafrechtes weicht von der des bürgerlichen Rechtes ab, denn dort dauert die Minderjährigkeit bis 21 (früher 24) Jahre. Wie die Statistik bestätigt, ist diese verschiedene Festlegung der Volljährigkeit durch nichts begründet. Die Erfahrung lehrt, daß solche Menschen (18 bis
Die Oesterreichische Furche Nr. 5/1949. 21 Jahre) aus einer typisch jugendlichen Haltung heraus handeln. Die volle Verantwortungsfähigkeit ist nun einmal nicht vom physischen Lebensalter abhängig. Der gemeinrechtliche Satz: malitia supplet aetatem, darf nicht bestimmend sein;- er verführt zur Ueberbetonung der Tat und bedeutet eine Verschärfung der Straftendenz. Die Strafe, also Unannehmlichkeiten für begangenes Unrecht, ist in der pädagogischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen unentbehrlich. Doch muß der junge Mensch davor bewahrt bleiben, daß er diskriminiert wird, ehe er überhaupt in die soziale Ordnung hineingewachsen ist. Dem einmal Vorbestraften mißtraut man, er kann nur schwer eine Arbeitsstelle bekommen, er leidet unter dem Mißtrauen und wird dadurch gesellschaftsfeindlich.
Starke Erziehungsschäden und mangelnde Einführung in die Lebensnotwendigkeiten einer harten Wirklichkeit sind die Voraussetzungen 'der Kriminalität Jugendlicher. Uebermäßiger und einseitiger Kinobesuch wie andere „Vergnügungen“, die eine Fülle von Eindrücken und Sensationen vermitteln, die der Jugendliche nicht klassifizieren kann, sind nur die Folge der unzulänglichen Erziehung, mangelhaften Aufsicht und Verwahrlosung. Der Jugendliche muß zu leiblicher, seelischer und gesellschaftlicher Tüchtigkeit erzogen werden. Wo dies unterblieben ist oder vernachlässigt wurde, muß die Erziehung nachgeholt werden. Je stärker die kriminellen Neigungen und Verwahrlosungserscheinungen bei Jugendlichen sind, desto mehr sind amtliche Einrichtungen und Kräfte zur Abhilfe berufen, je mehr die Fehler der Jugendlichen durch Erziehungsmängel bedingt sind, desto größer ist das Arbeitsgebiet freier Einrichtungen und Kräfte. Die Schwierigkeit der Aufgabe bedingt notwendig berufliche Kräfte.
Zur Erziehung gehört auch die Fürsorge. Sie bedeutet Hilfe in der Not und ist nicht nur Jugendfürsorge, sondern in vielen Fällen zugleich Familienfürsorge.
Der Jugendliche aber, der auf die schiefe Bahn geraten ist und für den Gefängnis weder Schrecken noch Besserung bedeutet, sollte za einem Leben voll harter und disziplinierter Arbeit gezwungen werden, das den faulen, vergnügungssüchtigen, überheblichen jungen Gangster abschreckt. Keinesfalls ist jedoch die ungesteuerte Situation im Strafvollzug erziehlich (Schädigung durch das Gefängnismilieu und der verderbliche Einfluß der Kriminellen).
Je mehr das Jugendstrafrecht noch Straf-recht ist, desto höher muß die untere Grenze krimineller Verantwortlichkeit sein. Die obere Grenze aber darf nicht gesetzlich fixiert sein, vielmehr müßte der biologische und soziale Reifezustand des Menschen maßgeblich sein für seine soziale Diskriminierung. Denn nur die schuldhafte Tat des Erwachsenen verdient das Zeichen des Makels und fordert Sühne.
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