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Die Welt und die Heiligen

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Albertus Magnus. Von Heribert Christian Scheeben. Bachem-Verlag, Köln. Preis 7 DM.

Leider ist der heilige Albertus Magnus noch immer 3er „bekannte Unbekannte“ unter den deutschen Heiligen. Man weiß nicht recht, woran das liegt, daß er nicht populär werden will. Das Volk scheint ihn mit dem Beinamen „der Große“ geehrt, aber zugleich von sich ferngehalten zu haben. — Die zweite Auflage seiner Lebensbeschreibung zeigt diesen einsamen Koloß mit dem weisen, gütigen Herzen und dem klaren, nüchternen Verstand so, daß, wer zu lesen versteht, sich der Anziehungskraft dieses Heiligen nicht wird entziehen können.

Aus der Welt der Heiligen. Von Ida Friederike G ö r r e s. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main. 454 Seiten. Preis 15.80 DM.

„Die Heiligen sind ein Teil vom Geheimnis Gottes in der Welt, darum wächst das Licht, aber auch das Dunkel, je länger man mit ihnen umgeht ... Man wird nie mit ihnen fertig“ (S“ 20). Damit wird der rote Faden angedeutet, der das ganze Buch, bestehend aus „kleinen hagiographischen Arbeiten aus zwei Jahrzehnten“, durchzieht. In den „Notizen und Einfällen“ (S. 23 bis 107) zeigt Görres. wie die Heiligen Schützer und Helfer sind, aber auch wie die „alten“ Heiligenleben ihre Helden uns verstehen lehren als das, was sie waren — Vorbilder im Streben nach Gott, und als das. was sie für uns bedeuten —, Leitbilder auf dem Weg zu Gott: sie will die Schwierigkeiten in der richtigen Beurteilung der Heiligenbiographien aufzeigen: sie läßt durchblicken, w.ie ihr ein ]. H. Newman (dessen Seligsprechungsprozeß eingeleitet ist) ein sehr sympathischer, und ein Alphons von Liguori ein weniger sympathischer Heiliger ist; bei Besprechung von Walter Niggs Buch „Große Heilige“ plaudert sie anregend über „den Heiligen der Kirche“ und sieht in den kleineren, nicht auf die Altäre erhobenen Heiligen „das innigste Zeichen jener Anwesenheit Gottes auf Erden, die .wir die Heiligkeit der Kirche nennen“. Im Abschnitt „von der Verehrung der Heiligen“ (S. 109 bis. 163) zeigt die Verfasserin, wie nur eine glaubensschwindsüchtige Zeit in der Heiligenverehrung ein „Randgebiet des Glaubens“ sehen kann; sie gibt wertvolle Winke, wie wir das rechte Lesen von Legenden wieder lernen können, wenn nicht „psyeho-logisiernde Neugierde“, sondern menschliche Not und christliches Vertrauen zu den Heiligen führt; sie legt uns endlich einen Entwurf einer originellen Josephslitanei vor. Im weiteren umfangreichen Ab-

Sprache ist kindertümlich, edel und packend; störend wirkt das Fehlen der Anführungszeichen. Bei der wachsenden Flut moderner „Legenden“ drängt sich die Frage auf, ob nicht die Kirche einmal Stellung nehmen wird gegen die allzu maßlose „Romantisierung“ (biographies romaneees) der Heiligenleben. Daß eine dichterische Phantasie und eine geübte Feder die Geschichte eines Heiligen so gestalten kann, daß sie gern gelesen wird (ein Vorteil auch für das Honorar des Verfassers und den Gewinn des Verlegers), rechtfertigt noch nicht das Abgehen von der geschichtlichen Wahrheit. Dichter von „Legenden“ und Heiligenromanen mögen sich eine maßvolle Freiheit erlauben bei der Schilderung von Ort und Zeit. Doch die geschichtlich feststehende Eigenart des Heiligen sollten sie nicht antasten, sonst werden sie moderne Apokryphenschreiber, sie verfälschen und entwerten das Echte und Wahre. Auch für die phantasiereiche Jugend des Karl-May-Alters hat dies seine Bedenken, denn die spätere Ent-täuschung kann vom Heiligenleben auch auf das Leben Jesu übergreifen.

Therese von Lisieux. Geschichte einer Seele und weitere Selbstzeugnisse, gesammelt, übersetzt und eingeleitet von Otto K a r r e r. Verlag Ars Sacra Josef Müller, München. 287 Seiten.

Solange als die Ausgabe der Urschrift der „Geschichte einer Seele“ nicht vorliegt (wie lange wird die Christenheit noch warten müssen auf die Edition des unersetzlichen Originals?), müssen wir alle dankbar sein für jeden Versuch einer Eindeutschung des an sich so fragwürdigen Textes, der verniedlicht, verharmlost und in seinen stärksten Elementen gebrochen wurde durch die gutgemeinte Redaktionsarbeit der geistlichen Bearbeiter. Karrer bemüht sich, durch den Wust der Ueberarbeitung sich hindurchzulotsen — auch er hält, vrie es vor den neueren Veröffentlichungen von Andre Combes und den Studien von Marcel More und Hans Urs von Balthasar nicht anders zu. erwarten war, die vorliegenden Texte für das Original. Das ist schade, denn dergestalt wurde noch einmal „das entzückend kindliche und doch tiefsinnig-ernste Bild der kleinen Heiligen“ erneuert, das heute nicht mehr gelten kann: hinter dem „verborgenen Antlitz“ dieses „Kindes“ erhebt sich eine stahlklare, löwenmutige Kämpferin von der großen, starken Art der heiligen Hildegard von Bingen, die gegen ihr „weibisches Zeitalter“ kämpft, ein Typos von geistiger Kühnheit, der in nichts ihren großen Antipoden Luther und Nietzsche im Ringen um die Begegnung mit dem Feuerofen der göttlichen Dreifaltigkeit nachsteht, ja sie noch übertrifft an Konsequenz und Lebensmut. Gott sei Dank!: die vorliegende wohlausgestattete Ausgabe der „Geschichte einer Seele“ dokumentiert diese geschichtliche Tatsache selbst: durch das, was immer noch durchschimmert aus den übermalten Texten, sodann durch die von Otto Karrer im Anhang beigegebenen Selbstzeugnisse aus den Briefen und Novissima verba — nicht zuletzt jedoch durch das Photo, das Therese im Chor aufgebahrt zeigt (durch das Gitter aufgenommen). Die kfischeemäßige, verkitschende und versentimentalisierende Retuschierung der Photobilder der kleinen heiligen Therese bildet bekanntlich eines der interessantesten Kapitel in der Geschichte kleinbürgerlich-schwachmütiger Frömmigkeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier, auf diesem Photo der Toten, selig nach furchtbarem, ja mörderischem Kampf Entschlafenen, kann sich auch der Leser dieser Uebertragung ein Bild machen von der wahren Größe dieser starken Frau, die sich vornahm, im Schoß der Kirche die Liebeskraft zu erneuern und mit allen Menschen, allen Sündern auf Erden zu weilen bis zum allerletzten Tage dieser Welt.

Univ.-Doz. Dr. Friedrich Heer schnitt „Gestalten“ (S. 165 bis 355) versucht Görres — immer kritisch und geistvoll — wesentliche Züge der gelebten Heiligkeit herauszustellen an Radegundis, H. Seuse, Severin, Johanna d'Arc und Florence Nightigale. Den Schluß bildet das „Gespräch über die Heiligkeit“ (S. 357 bis 453), ein „Dialog um Elisabeth von Thüringen“, das Erstlingswerk der Verfasserin.

Die um die katholische Erneuerungsbewegung sehr verdiente Verfasserin, bald etwas schwärmerisch bejaht, bald etwas zurückhaltend kritisiert, gibt uns in diesem Buch den Schlüssel zum Verständnis ihrer schriftstellerischen Eigenart. Nicht ihre unbezweifel-bare Liebe zu Christus und seinem Reich, nicht ihr vielseitiges Wissen, nicht ihre sprachmeisternde Begabung, auch nicht der Einfluß einer mitreißenden, umstürzlerischen Jugendbewegung erklären ganz ihre kühne, aufrüttelnde, kompromißlose Schreibart mit scharfsinniger positiver und darum fruchtbarer Kritik an der überkommenen christlichen Lebensgestaltung und mit starker Betonung der wesentlichsten Wirklichkeiten des katholischen Christentums; doch was sie uns über ihr persönliches Ringen in den Jahren der Personwerdung sagt, kann eine richtige Beurteilung ihrer Schriften wesentlich erleichtern. Je mehr ihre Jugend unter dem beengenden Druck der ausgehöhlten Fraglosigkeit einer versinkenden Geistesepoche gestanden war, desto leidenschaftlicher und radikaler wirft sie sich in die „gärende Problematik einer neuen Geistesepochc“ hinein, um christliche Zeitfragen einer glücklichen Lösung näherbringen zu helfen.

Bei der Lektüre des Buches regt sich der Wunsch, es möge noch stärker das innere Heilig-sein (Gnadenhöhe) und das äußere Heilig-scheinen (Tugendhöhe) auseinandergehalten werden. An kleinliche Nörgelei grenzt es, wenn Görres am großen österreichischen Reformator Klemens M. Hofbauer nichts auszusetzen weiß, als daß er während seines Wirkens in Polen keine Beziehung zur innerjüdischen Bewegung des Chassidismus gefunden hat. Manches, was ihr an Alfons von Liguori nicht gefällt, wird man aus der religiösen Lage seiner Zeit befriedigend erklären können. Auch kann man ruhig zugeben, daß seine Neigung zur Gewissensängstlichkeit ihm und anderen mancherlei Schwierigkeiten bereitete. Doch gerade er, mit seinen unbestreitbaren vielseitigen, großen Verdiensten um die heilige Kirche, ist ein sehr tröstliches Beispiel, wie einer trotz gelegentlicher Hemmungen in seinem Innenleben (eine auch sonst feststellbare Erscheinung bei großen Moralisten) ein sehr hochwertiger Mensch, Christ und — Heiliger sein kann. Wenn Alfons, der in der Moraltheologie eine ähnliche Autorität genießt wie Thomas von Aquin in der Dogmatik, den ein Leo XUI. „den hervorragendsten und mildesten unter den Moraltheologen“ nennt, der als kanonisierter Heiliger das Zeugnis Gottes für sich hat, der Verfasserin nicht sympathisch ist, so ist das ihre Sache. Doch es können zuweilen Liebe und Ehrfurcht gebieten, nicht alles zu sagen oder zu schreiben, was man denkt. So über Alfons zu schreiben, wie es in diesem Buch geschieht, ist auch für eine katholische Schriftstellerin vom Format einer Ida Görres — eine bedauerliche Entgleisung.

Boten der Liebe. Von Elisabeth von Schmidt-Pauli. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. 256 Seiten. Preis 6.80 DM.

Heiligenlegenden, die schon bei Buben und Mädchen des Reifezeitalters, aber auch darüber hinaus christlichen Idealismus wecken und erhalten werden. Obwohl der Jesuitenorden der verbreitetste und verdienstvollste Orden der Neuzeit ist, so ist es doch des Guten zuviel und suweni, daß von vier männlichen Heiligen drei Jesuiten sind. Die

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