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Die Wunder der Welt

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Im Kielwasser des Odysseus. Von Göran S c h i 1 d t. Verlag F. A. Brockhaus, Wiesbaden. 334 Seiten. Mit 33 Abbildungen nach Aufnahmen des Verfassers. Aus dem Schwedischen übersetzt von Siegfried K i e-nitz. Preis 14 DM-

Göran Schildt, ein schwedischer Journalist, kaufte sich 1947 Daphne, eine in Finnland gebaute Ketsch von sechseinhalb Tonnen, und segelte mit ihr ins Mittelmeer, in dem er seither Sommer für Sommer Reisen unternimmt — zusammen mit seiner Frau und einer kleinen Lambretta, die dem jungen Ehepaar Abstecher an Land ermöglicht. Die hier geschilderte Reise führt von Lavagna bei Rapallo, dem Winterhafen der Daphne, an Etruriens Küste Vorbei zum Capo Circeo — der ehemaligen Insel der Circe, die nun durch Anschwemmungen des Flusses Sisto mit den Pontinischen Sümpfen verbunden ist und zum Kap wurde —, durch die Straße von Messina, wo die schiffezerschmetternde Scylla (auf der kalabri-schen Seite) und die schiffeverschlingende Charybdis (auf der sizilianischen Seite) noch heute ihr Unwesen treiben, vorbei an den kleinen sizilianischen Inseln, deren eine Kalypsos Ogygia war, hinüber zur Gruppe der drei Inseln Kephallenia, Leukas und Ithaka, durch die Straße von Korinth, zu den Zykladen, nach Kreta und heim an die italienische Küste.

Es läßt sich kein schöneres Reisebuch denken als dieses. Der Verfasser, in der Weltliteratur ebenso zu Hause wie in der Archäologie, hat nicht nur die Gabe, alles, was er sieht — die kleinen weißgekalkten Häuser auf den Inseln inmitten des „weinroten Meeres“, die Stunden in den Ruinen der Antike — mit ursprünglicher, naiver, Freude zu erleben, sondern er kann diese Freude auch mitteilen. Sein ganzes Buch ist ein Buch der Freude am Reisen, der Kommunikation mit Luft und Wasser und Geruch und Geist des Südens. „Ich war bereit, allen Dichtern ... recht zu geben, die das Wasser als ein heiliges, mystisches Element betrachten. Rimbauds berauschtes Boot, getragen vom Meere wie von der Lebensflut selbst, Eliots Wassersymbolik, sein Mythos von dem vertrockneten Lande und dem Suchen nach Quellen, Flüssen und Meeren als Erlöser von geistiger Austrocknung — alle diese Bilder bergen ... Wahrheit in sich, die dem ausübenden Meeresmystiker, dem Segler, bekannt ist. Ich selber habe diese Wasserverbundenheit, dieses Bedürfnis, Wasser zu sehen und vom Wasser getragen zu werden, schon seit meiner frühesten Kindheit.“

Wer auf solche Weise mit allen Dingen — dem Wasser ebenso wie den Inseln, dem Geist Agamem-nons wie dem antiken Theater, dessen Ursprünge Wilhelm Dörpfeld ergründete, den Abenden beim griechischen Wein, der mit Harz vermischt* ist, und den Morgen an Deck, wenn eine leichte Brise aufsteht — verbunden ist, der beherrscht wahrhaft die Kunst des Reisens, weil er die Kunst, zu leben, beherrscht.

In Italien, um glücklich zu sein. Ein Reisebuch von Jean Giono Aus dem Französischen von Peter G a n. Mit sechs Zeichnungen von Richard Seewald. Pilgram-Verlag, Salzburg, und Biederstein-Verlag, München. 224 Seiten. Preis 68 S.

Wenn es ein schöneres Reisebuch gibt als das Göran Schiidts — dann ist es dieses von Jean Giono. Giono ist ein Dichter. Und ein Dichter braucht nur aus dem Hause zu gehen, und die Welt ist neu. „Ich reise nicht gern; das steht fest. Seit mehr als fünfzig Jahren habe ich mich kaum von der Stelle be-:wegt“, beginnt Ciono sein Buch; als er sich dann doch entschloß, zu reisen, war es hauptsächlich, um die Landschaft kennen zu lernen, in der seine Geschichte von Angelo Pardi, dem „Husar auf dem Dache“, spielt Oberitalien also. Aeußerlich ist an seiner Reise nichts Besonderes: sie geht von der Provence, wo er geboren wurde und auch heute noch lebt, über den Mont Genevre idas Meer ist Giono „zuwider“) nach Italien, nach Verona, Venedig, Florenz. Das Ehepaar Giono wird von Freunden im Renault mitgenommen — eine Autoreise durch Oberitalien, gibt es etwas Banaleres? Nichts, womit man protzen kann, keine hohe Kilometerzahl, keine unerhörten Städte!

Aber wie Giono alles erlebt! Was ihm ein Fischgericht am Gardasce, eine einsam stehende Fichte, die nur über einen Ziegenpfad zu erreichen ist, bedeutet! Auch das Autofahren ist ihm nur „eine praktische Art, zu Fuß zu gehen“ Das ist überhaupt die höchste Kunst, die ein Mensch, der heute lebt, erreichen kann: „zu Fuß zu gehen“, auch wenn er im Auto fährt; ein Pferd unter sich zu haben, wenn er bloß auf einem Motorroller sitzt: die Welt vor sich zu sehen, wenn er ein Cafe am nahen See besucht ... Schon der Titel sagt, welches. Geheimnis das Buch birgt: In Italien, um glücklich zu sein. Er macht uns mit einer Art Glück bekannt, das ganz innerlich ist, dafür aber um so dauerhafter. Wenn er von Venedig sagt, es sei der Ort, wo man die greifbare Wirklichkeit nur in kleinen Dosen zu sich nehmen könnte, so gilt das für seine Art. zu erleben, überhaupt: die Welt in kleinen Dosen aufzunehmen, aber diese bis auf ihren Wesensgrund dankbar zu schmecken. Und das heißt ja: glücklich sein. *

Abseits der großen Siraßen. Von der Lust des Reisens. Von Siegfried F r e i b e r g. Verlag Amandus Edition, Wien. 196 Seiten. Mit 52 Bildern und einer Kartenskizze.

Auch das Buch Siegfried Freibergs handelt vom Glück der tausend Landschaften und von der Kunst des Reisens, über die er uns kleine Traktate gibt, erzählt von Wanderungen auf südlichen Landstraßen — fernab der großen Straßen — und beweist, wieviel an Schönheit es auf der Welt noch zu entdecken gibt — für ieden, der Augen hat, zu sehen, eine Zunge, zu schmecken, und Sinne, zu empfinden. (Und das muß jeder von uns: die Schönheit der Welt für sich entdecken.) Freiberg ist so ein Mensch, und dies ist das beste Buch von ihm, das ich kenne. Ebenso wie Schildt und Giono ist er nicht nur in der Gegenwart zu Hause, sondern auch in der Geschichte und der Kunst, und darum ist für ihn immer viel mehr gegenwärtig als bloß das, was er gerade vor sich sieht — und auch das wäre ja schon unendlich viel. Eine Wanderung führt ihn vom Mont Genevre an der alten Hannibal-Straße über Brian?on, das Tal der Durance bis Arles und Saintes-Maries-de-la-Mer. Besonders schön dabei die Kapitel: „Station in Saint-Remy“ mit dem Erinnern an van Gogh, und „An der Wiege des Minnesangs“, in der Heimat der Troubadours. Die uralte Fernsehnsucht des Menschen, die Sehnsucht, womöglich die ganze Welt in das eigene Herz einzuschließen, lebt in diesem schönen und sympathischen Buch, das ein „Nachwort für die Enttäuschten“ abschließt, die mit Italien nicht mehr zufrieden sind, weil es ihnen ..entzaubert“ erscheint ...

Die letzten Oasen der Tierwelt. Mit Wildhüfern und Kamerajägern in den Nationalparks der Erde. Mit einer Einleitung von Heinz Heck, Bilderläuterungen von K. L. K o c h -1 s e n b u r g, zusammengestellt und herausgegeben von Mila Lippmann-P a w 1 o w s k i und Bernd L o h s e. Pinguin-Verlag, St. Johann, Tirol, und Umschau-Verlag, Frankfurt am Main. 114 ein- und mehrfarbige Bildtafeln. 220 Seiten. Preis 125 S.

Die Aufgabe dieses prachtvollen Bildbandes ist eine doppelte: einmal, in einer Fülle meisterhafter Photos, von denen eines mehr fasziniert als das andere, die elementare Schönheit der unberührten Tierwelt aufzuzeigen, ad maiorem dei gloriam. Und zum zweiten, in einer Reihe aufrüttelnder Textbeiträge darauf hinzuweisen, wie sehr die letzten Oasen der Tierwelt gefährdet sind: gefährdet vom Menschen, der im vergangenen Jahrhundert die Bisons der nordamerikanischen Prärie in sinnlosen Knallereien zu Tausenden und Zehntausenden hinstreckte und verenden ließ, zum Fraß der Aasgeier (nicht einmal die Häute konnten alle verwertet werden!), vom Menschen, dessen Zivilisation erbarmungslos um sich greift und eine Reservation nach der anderen aufzusaugen bedroht. Es geht um die Zukunft der Tiere! Nicht der Haustiere, denn die haben sich in der Welt der Menschen akklimatisiert, sondern um die Tiere der Wildnis, um die un-gezähmten Tiere in den Gebieten ihrer ursprünglichen Heimat. Sie uns zu erhalten, das ist die un-überhörbare Mahnung dieses Buches: jedes Wild, das uns auf diesen Seiten aus seinen scheuen und wissenden Augen ansieht, sagt uns das: und wir sollten es nicht vergessen, damit unsere Welt nicht ärmer wird. *

Die Welt ist voller Wunder. Ein Bildband. Herausgegeben von Theodor Müller-Alfeld. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 224 Seiten, davon 192 Bildtafeln. Preis 16.80 DM.

Photographien von unterschiedlichem Wert über die Schönheit der sichtbaren Welt, einige von ihnen großartig gelungen, alle aber eindrucksvoll. Leider wurde der Text, wie gerade Platz war, kreuz und quer zwischen die Bilder gedrängt, so daß die graphische Gestaltung msnehes zu wünschen übrig läßt. Trotz dieser Einwände: ein Band, den man gerne besitzt, denn mit ihm hat man ein Stück Welt zu Hause.

Führer durch Paris und Umgebung. Kiwi-Reiseführer Nr. 1. Von Jan B r u s s e. Verlag Kiepen-heuer & Witsch, Köln-Berlin. 116 Seiten. Preis 27.40 S.

„Mit ,Etzes' sind wir ausreichend versehen“, schrieb einmal der k. u. k. Außenminister Graf Berchtold an den Rand eines Berichtes über Serbien. Das war 1914 ... Auch der Reisende nach Paris ist mit Ratschlägen bereits hinreichend ausgerüstet: Trotzdem wird er dieses kleine, handliche und schmucke Bändchen noch gerne mit in die Reisetasche stecken — für alle Fälle. Für manchen Hinweis, den er hier findet, wird er dankbar sein; auch wenn er Paris schon zu kennen glaubt.

Führer durch Spanien. Kiwi-Reiseführer Nr. 5. Von Alberto Poveda Longo Verlag Kiepenheuer Sa Witsch, Köln-Berlin. 200 Seiten mit acht Tafeln. Preis 35.75 S.

In neuen Spanienführern besteht noch keine große Auswahl. Aber auch wenn es bereits viele geben wird — Spanien wird als Reiseland aktuell —, wird sich diee ausgezeichnete Einführung behaupten können,. F1“'ei1en aber ist sie unentbehrlich.

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