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DIRIGENTEN, DIRIGENTEN!
Zu einer Gala-Uraufführung in Schwarz-Weiß von Bernhard Leitner: Die große Karajan-Symphonie Was täte die Welt ohne sie? Ich meine: wie wäre irgendwo noch ein Konzert überhaupt zu bevölkern? Wozu, um den Ernst der Frage vollends klarzumachen, — wozu hätten Mozart, Beethoven, Brahms und alle die anderen großen Meister gelebt, wenn sje nicht aus den Händen des Maestro Cele- brissimus heute ihr Weiterleben hätten? Dieser Maestro ist nicht einmal ein ganz bestimmter Dirigent, sondern sein Typus macht es: er ist zeitlos geworden. Allerdings noch nicht lange. Um die Jahrhundertwende hat man selbst in der Musikstadt Wien noch Opern gehört, ohne vorher gesehen zu haben, wer sie dirigiert.
Im Konzertsaal war es immer ein bißchen prekärer mit der Unscheinbarkeit. Die Wahrheit liegt wohl wie immer in der Mitte. Einer der profiliertesten Köpfe unter den großen Dirigenten, die die Musikwelt, einen nach dem anderen, in den letzten Jahren verloren hat, der Österreicher Erich Kleiber, hat es auf seine Weise einmal wunderschön ausgesprochen, wie es mit dem Musizieren und dem Dirigieren bestellt sein sollte (ohne daß er dabei wirklich alles gesagt hätte, was seine Interpretationskunst auszeichnete). Es war im März 1955; nach der letzten Probe mit dem Kölner Rundfunkorchester zu Schuberts großer C-Dur-Symphonie. Ganz im Banne der
Musik, den Taktstock weglegend, wandte er sich mit einer kurzen, noch ein wenig atemlosen Rede an das Orchester:
„Wenn Sie so spielen, morgen, wird das sehr schön sein; wenn Sie nicht so spielen, wird’s auch noch schön sein. — Bittschön, ich möchte mich bedanken bei
Ihnen für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit. Es ist ein junges Orchester. Sie haben einen schönen großen Weg vor sich, einen schönen großen Weg! Aber den muß man gehen! Und der ist manchmal hart, weil der Arbeit kostet. Aber ich hoffe und wünsche erstens, daß der Weg s o geht, und zweitens, daß es nicht ’s letzte Mal war — ich werde mit Vergnügen, wenn ich Zeit und Gelegenheit hab, wieder mit Ihnen musizieren. Und Sie wollen musizieren, und das ist das Wichtige! — Ein Wort nur, technisch, bitte: keine Nervosität! Für die Nervosität sind die Proben da. Die mich kennen, die wissen, daß ich mir das mit Mühe und Not anerzogen hab: daß ich im Konzert, wenn eben das nötig ist, immer in meiner rechten und linken Tasche einen Mantel der christlichen Nächstenliebe halt, den ich draufdeck, wenn was passiert, Zufleiß macht’s keiner. Wenn der Ton falsch ist, kann er nicht mehr zurück ins Röhrl, Also nicht nachtrauern, bitte, keine Kondolenzblicke, von keiner Seite — das ist nämlich auch sehr beliebt — nicht wahr? Wenn einem was passiert, — wir sind alle Menschen! Es geht weiter, cs geht weiter! Und setzen S’ sich vor allem nicht so zum Konzert: Jetzt woll'n wir aber amai recht was Fein’s machen! Da wird’s nix. Setzen Sie sich ruhig hin und machen Sie Musik. Ich werd Sie nicht stören dabei.“
Arturo Toscanini, dessen schnelle Sätze in Beethoven-Symphonien unter guten Freunden so charakterisiert wurden: er ist wie ein rasender Pudel, der einen geliebten Pantoffel zerreißt — dieser König aus dem Süden und nachmalige musikalische Präsident der Vereinigten Staaten, einer der bewunderten Löwen bei den Salzburger Festspielen der dreißiger Jahre, vereinigte größte Eigenwilligkeit mit dem größten Glauben an Werktreue. Seine Rivalen sah er ohne Milde an. Auch die Seil-These Strawinskys war auf ihn nicht unbedingt anwendbar. (Jeder Strick hat zwei Enden.)
Wir haben im Augenblick nicht allzu viele „große Dirigenten“, dennoch Wäre über die wenigen viel zu sagen. Am 28. August, mit Goethe geboren, ist Dr. Karl Böhm, der Salomon in der Salzburger Elite, speziell was Mozart und was Strauss betrifft. Das Salomonische schließt den frisch-fröhlichen Zorn nicht aus, wie man unlängst gelesen hat, als ihm die Druckknöpfe der photographischen Publicity zu nahe ans Pult rückten. Er bleibe deshalb in dieser öffentliche Betrachtung heute verschont.
Auch zu Herbert von Karajan, dem Magier von Welt (ebenfalls ohne Seil- Trick), wäre vieles Geheimnisvolle zu notieren. Diesmal aber soll es der Zeichner sagen. Bernhard Leitner, der junge Innsbrucker Graphiker, eines der interessantesten Talente auf dem Felde der modernen, formelhaften
Karikatur, hat sich in vielen Konzerten vom Maestro inspirieren lassen. Die eigene Wiedergabe unter dem Titel „Große Karajan-Symphonie“ findet nun hier auf diesem Blatte statt.
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