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Doppeladler ladt zum Tanz

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KINDEROPERN ZÄHLEN zu den wichtigsten Programmpunkten des Carinthischen Sommers. Spielerisch lernen Kinder die Opernwelt kennen.

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KINDEROPERN ZÄHLEN zu den wichtigsten Programmpunkten des Carinthischen Sommers. Spielerisch lernen Kinder die Opernwelt kennen.

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Das Festival „Carinthischer Sommer” hat eine Besonderheit zu bieten, die es unter vergleichbaren Musikevents herausragen läßt: zur Nachwuchsförderung, um Kinder Bühnenerfahrung sammeln zu lassen und sich in einem Ensemble zu erleben, bietet der heurige Ca-rinthische Kindersommer wieder viel Qualität, aber auch den Ferien angepaßte Lust an der Arbeit.

Budolf Schölten, einer der Eröffnungsredner des Carinthischen Sommers, wies, merkbar von den Anliegen eines tieferen Kunstverständnisses überzeugt, auf die Wichtigkeit des Aspektes der Kunstvermittlung für das Festival hin. „Man begnügt sich nicht mit der reinen Programmgestaltung.” Es sei eine mühsame und spektakuläre Aufgabe, dem musikinteressierten Publikum tiefere Einsicht zu gewähren. Gemeint sind Vorträge, Seminare und Workshops, die den alljährlichen Geburtstags- und Jubiläumsreigen der Komponisten im Festspiel flankieren.

„Man hört, was man weiß.” Dieses geflügelte Wort, mit dem auch der renommierte Du-Mont-Verlag (Man sieht, was man weiß) seine Beisefüh-rer anpreist, stellte Schölten weiteren Überlegungen voran. „Musik wird anders und intensiver erlebt, wenn man sich einmal damit auseinandergesetzt hat”. Es sei lohnend, sich dem scheinbar Vertrauten intensiver zu widmen. Durch das Entschlüsseln könne man tiefer in Struktur und Geheimnisse eindringen und mehr und besser „hören”.

„Die Vertreter der Orchester und Musikhochschulen klagen über Mangel an einheimischem Nachwuchs”, berichtet der Minister, dabei gäbe es Zustrom aus aller Welt. Schlicht das Faktum sei besorgniserregend, die „musikalische Nachwuchsreserve” dürfe nicht zurückgehen. Bei der Vermittlung müsse man davon ausgehen, daß die Welt der jungen Menschen zu zerfallen droht, in einen modernen und einen antiquierten Teil.

Konkret kommt es heuer zu zwei Schwerpunkten mit auf das Millenniumsjahr zugeschnittenen Beiträgen. Kinder von sechs bis 14 Jahren erarbeiten an Vormittagen („Musikkinder”) und an Nachmittagen („Ballettkinder”) oder ganz emsige und belastbare den ganzen Tag hindurch, Szenen, Lieder, Choreographien und bringen auch eigene Ideen ein. Locker geht es zu, und doch wird „gearbeitet”. Die „großen” 13-und 14jährigen zeigen sich zu Anfang oft recht erhaben und machen sich gern lustig, die „kleinen” Sechs- bis Siebenjährigen tauen im Laufe der zehn Tage zu mehr Selbstbewußtsein und Freude am Tun auf.

Das im Vorjahr gesungene Orff-sche „Der Mond ist fort” aus „Der Mond” wurde in meiner Familie durch die Begeisterung der als eine der jüngsten Teilnehmerinnen mitsingenden Tochter Theresa zum Ohrwurm. Auf allen Tasteninstrumenten fand sie die Töne, mit denen die Melodie beginnt. Und so kommt es, daß wir zu Hause - so nebenbei - „Der Mond” und „Die Kluge” anhören wie andere die Schürzenjäger (die meine Kinder auch ganz toll finden). Welche Hits wohl der heurige Sommer bringt.

Die Kinderoper des zeitgenössischen Komponisten Sir Peter Maxwell Davies „Dinosaur at large” ist schon vom Thema her für heutige Kinder und deren Interessen maßgeschneidert. Im Sinne des Komponisten ist das Stück speziell geeignet, eine breite Palette an regionalen Geschichtsbezügen einzubinden.

Ernst A. Ekker, Carinthischer Hausdichter und bekannter Kinderbuchautor, bringt also nicht nur eine deutschsprachige Übersetzung, sondern auch eine österreichische Nachdichtung mit geschichtlichen Bezügen ein. Ekker wünscht sich, im Interesse der Kinder, „ruhige Plätze zum Träumen”, auch in der Schule.

Ein Museumsbesuch mit pflichtbewußtem Lehrer läßt die Schüler nur die vorgegebenen Übungen erfüllen.

Die Phantasie des Mädchens Petra bekommt Flügel und sie befindet sich bald auf einer Beise mit einem Bra-chiosaurus-Baby durch die Zeiten, begegnet früheren Machthabern, es kommt zu unkonventionellen Dialogen und allerhand Abenteuern.

Die Ballettgruppe erarbeitet in „Adler mit zwei Köpfen” eine Art Tanz-Parabel auf die Habsburger-Monarchie. Tänze ehemaliger österreichischer Völker erklingen ebenso wie klassische österreichische Tanzweisen von Mozart, Schubert und Johann Strauß. Die Musikarrangements von Andreas Käch werden wieder keine Wünsche offenlassen.

Seit Beginn ein Riesenerfolg

Der Doppelkopf-Adler, Wappentier der Donau-Monarchie, ist zugleich Metapher für Großköpfigkeit. In dem Irrtum, es genüge, die unterschiedlichen Tänze der anderen nach- und mitzutanzen, und schon würde das Volk ihm bewundernd und huldigend zu Füßen liegen und vor Ehrfurcht erstarren, entwickelt sich ein weltumspannender Krieg, aus dem der Adler einen Kopf kürzer hervorgeht. „Mit einem Kopf läßt es sich ja auch leben, oder?” ist die Erkenntnis.

Betreut werden die Ballettkinder und für die Gruppenszenen alle Kinder von der Choreographin Helga He-mala-Fischer, deren erwachsene Kinder und Tänzer Claudia Christine und

Alexander den Doppelkopf-Adler darstellen werden. Helga Hemala Fischer bringt viel Wärme und Mütterlichkeit ins Geschehen ein, von ihrer Gabe, zu motivieren und mutig zu machen, profitieren alle.

Musik kennt kein Alter. Intendantin Gerda Fröhlich kannte und schätzte den für die „Musikkinder” diri-gentenstabführenden Kurt Pahlen schon seit langem als „brillanten Bhe-toriker”. Das Experiment, das vor vierzehn Jahren mit den Musiktagen begann, wurde sofort und ist bis heute ein Biesenerfolg”, so die Intendantin. Die Pionierarbeit sei, den Kindern im Bahmen eines großen Musikfestspieles einen festen Platz einzuräumen. Der Carinthische Sommer habe damit viel an Fröhlichkeit und herzlichem Lachen dazugewonnen.

Fast hundert Kinde? kommen aus der Stadt, der Begion, aber auch aus Italien, Deutschland und Ägypten mit ihren Eltern angereist, um mitzumachen. Kurt Pahlen ist sicher auch ein Anziehungspunkt. 1907 in Wien geboren, begann seine künstlerische Karriere Anfang der dreißiger Jahre, Gastspielreisen als Dirigent führten ihn durch ganz Europa (1934 gründete er das Opernstudio am Wiener „Volksheim”, 1935 war er Leiter der Opernklasse am Wiener Konservatorium, 1939 nahm er ein Engagement in Buenos Aires an). Es ist ein Erlebnis, dem Autor zahlreicher Musikbücher, dem Dirigenten und Musikpädagogen in Villach in seiner Eigenschaft als Pädagogen zu begegnen.

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