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DR. HERBERT TICHY ALLEINGÄNGER IM HIMALAJA

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Die Berge sind das letzte Revier der großen Abenteuer in einer Welt, deren rationalisierte Daseinsordnung, deren Wohlfahrtsgesinnung und Kleinteilung der Arbeit und des Alltags das Abenteuerliche, das ein Grundstoff Menschlichen Lebens ist, unterdrücken, lähmen und zerstören. Es gibt Männer, deren Schöpferisches in der Begegnung mit dem Berg, im Kampf um ihn aufbricht. So geschieht es etwa Herbert Tichy, dem österreichischen Alleingänger im Himalaja. Nach Bezwingung von sieben Bergriesen, von denen einige zum erstenmal bestiegen wurden, einige noch namenlos sind, kehrt er nach einem halben Jahr wieder nach Wien zurück.

„Ich bin kein großer Bergsteiger", sagte er 1954, nachdem er gerade den 8153 m hohen Cho Oyu bezwungen hatte. Mit der kleinsten Mannschaft, die je für ein solch kühnes Unternehmen zusammengestellt wurde, wagte er den Angriff auf den noch Unbezwungenen. Der Erfolg beruhte nicht allein auf dem technischen Können, sondern auf der inneren Einstellung der Expeditionsteilnehemr, die er in einen einzigen Satz kleidete: „Demut vor dem Berg.“ Er fühlte sich nie als Held. Nichts lag ihm ferner. Er hatte nie die Gefahr gesucht. Wer sie sucht, ist dumm. Aber er nahm sie in Kauf, wußte, daß Sturm, Gewitter, Schnee und Kälte drohten. Ohne Leute, die bewußt das Risiko eingehen, gäbe er sehr wahrscheinlich keinen Alpinismus, gäbe es keine bedeutende Leistung überhaupt.

„Das größte Glück der Gipfelminuten ist nicht die Freude über den errungenen Erfolg. Es ist vielmehr ein eigenartiges, harmonisches alles umfassendes Gefühl. Diese Stimmung allein ist mehr wert als der Preis, den man dafür vielleicht bezahlen muß.“

Der Oesterreicher, der mit der Bezwingung des Cho Oyu „eines der letzten großen

Abenteuer unserer Zeit“ bestanden hatte, hält die Epoche der Entdeckungsreisen für zu Ende gegangen. Die letzten weißen Flecke auf der Landkarte sind verschwunden. Das erkannte schon Sven Hedin, das große Vorbild seiner Jugendjahre. „Wissen Sie“, sagte er zu Tichy 1952 in Stockholm, „ich bin froh, daß ich ein alter Mann bin und bald sterbe. Ich war mein Leben lang ein Abenteurer und ein Wanderer. Heute gibt es nichts mehr zu wandern.“

Den 16jährigen Gymnasiasten, Sohn eines Wiener Rechtsanwalts, wie den späteren Geologiestudenten und Schüler Prof. Sueß’, schließlich den praktizierenden Geologen, hatte das Fernweh immer gleich heftig gepackt gehabt. Er dissertierte über den Himalaja, der ihn nie mehr ganz loslassen sollte. Krieg und Nachkrieg hielten ihn in Asien fest; jede seiner Reisen nach Afrika und Asien fanden in einem Buch den Niederschlag. Tichy gehört heute zu den beliebtesten Reiseschriftstellern des deutschen Sprach- raumes. Anders als jene von Langeweile gehetzten Globetrotter, die mit existentiali- stischer Gleichgültigkeit sich heute hier, morgen dort aus dem Wagen schälen, anders auch als jene leichtfertigen Bergsteiger, die, ihre Kraft überschätzend, sich und andere in Gefahr bringen, ist Herbert Tichy immer auf der Suche nach den „Unabwägbarkeiten der Atmosphäre, dem geistigen Klima Asiens“. Wanderer zwischen zwei Welten.

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