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Drei Heiraten und ein Mord

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Arthur Adamov sagte einmal, was Anouilh vorführe, passiere stets beim Nachbarn, es stelle nie uns selbst in Frage. Dies stimmt für die meisten dieser Stücke. Aber die Mehrheit der Menschen, die in den Zuschauerräumen sitzen, wollen gar nicht in Frage gestellt werden. So schrieb der bei uns ein wenig überschätzte Anouilh Stücke, die so ziemlich alles vereinen, was ein breites Publikum entzückt. Dazu gehört die Komödie „Einladung ins Schloß“, die derzeit im Theater in der Josefstadt aufgeführt wird.

Da gibt es ein Operettenschloß mit Wintergarten und Park, zwei schwerreiche Jünglinge, Zwillinge, von denen sich der eine gegen die Liebe wehrt, ein sehr armes, aber selbstverständlich sehr hübsches Ballettmädchen, Isabelle, des Verwirrung zu stiften hat, und einem Milliardär eins, zwei, drei den Glauben an das Geld raubt, worauf beide vergnügt ganze Bündel Banknoten zerreißen. Letztlich geht es — wenn man es nicht weiß, errät man es — um die alle Tantenherzen erschütternde Frage: Wer heiratet wen?

Die Behauptung, in das viele Rosarot sei da mancherlei Schwarz gemischt, kann man nur insoweit gelten lassen, als dadurch Effekte eines geschickten Couturiers entstehen. Anouilh bekennt sich ja mit Stolz als Sohn eines Zuschneiders. Zweifellos erweist er sich in diesem 20 Jahre alten Stück als ein eminenter Beherrscher des Szenischen. Und vor allem bietet er — was den meisten Theaterdirektoren ungleich wichtiger ist als der Stückgehalt — wirkungsvolle Rollen. Das ist auch hier der Fall. Es gibt nicht weniger als vier trefflich profilierte Frauengestalten, und auch mehrere männliche Figuren haben theatermäßagen Zuschnitt.

Unter der Regie von Heinrich Schnitzler gelingt es Peter Vogel, in der Doppelrolle der Zwillinge nur den einen der beiden, den schüchternen, glaubhaft zu verkörpern. Vilma Degischer als menschlich überlegene Schloßherrin, Fritz Muliar als Milliardär und Ursula Schult als seine extravagante Geliebte bieten gut gezeichnete Gestalten. Dietlivd Macher als Isabelle, Gretl Elb als ihre Mutter, Renate Berg als kapriziös-boshafte Milliardärstochter .fü- gep sich da nicht gleichwertig ein. Einen luxuriösen Wintergarten schuf Gottfried Neumann-Spallari. .als Bühnenbildner.

Es kommt kaum vor, daß westdeutsche Autoren ihre Stücke in Wien zur Uraufführung bringen. Der 40jährige Gerd Oelschlegel hat dies dagegen schon einmal getan. Nun gelangten seine bisher unaufgeführ- ten 14 Szenen „Das Gerücht“ im Gefüge der Vorstellungen, die das

Volkstheater in den Wiener Außenbezirken veranstaltet, zur ersten Wiedergabe. Es ist sehr bezeichnend, daß das heutige Theater nur selten den Menschen unter der Einwirkung des Gewissens zeigt. Das aber ist einen Abend lang in diesem Stück bei dem primitiven Wirt eines Gasthauses der Fall. Er hat auf Befehl den früheren Ortsgruppenleiter ermordet, der sich den anrückenden Amerikanern durch Aufdeckung einiger NS-Verbrechen gefällig erweisen wollte. Fünf der angesehensten Bürger versuchen das Aufkommen dieses Mordfalls zu verhindern, da sie daran beteiligt waren. Es gelingt ihnen, denn der Wirt, der zum Säufer wurde, vergiftet sich. Was sich tatsächlich begab, bleibt nur Gerücht.

Oelschlegel versucht also hier, wie manch andere, verantwortungsvoll die Vergangenheit zu „bewältigen“. Nur übertreibt er, es haben nicht alle Menschen „Dreck am Stecken" — wie er den Eindruck zu erwecken versucht. Was aber die Kollektivschuld betrifft, so wird sie heute auch von den Gegnern des einstigen nazistischen Deutschland abgelehnt. Die hörspielmäßige Szenenfolge des Stücks verringert die Wirkung. Doch bietet Wolf Dietrich als Regisseur mit Aladar Kunrad in der Rolle des gewissensgepednigten Wirts eine gut akzentuierte Aufführung.

In den Kammerspielen ereignet sich etwas Seltsames: Das in deutschsprachiger Erstaufführung dargebotene Lustspiel „Katzenzungen“ von dem Spanier Miguel Mi- hura setzt mit einer völlig unglaubwürdigen Situation ein, die bis zum Schluß durchgehalten wird, und eben daraus ergibt sich viel Vergnügliches. Einen dermaßen weltfremden jungen Fabrikanten wie diesen Vinzenz, der kurzerhand das Barmädchen Stupsi, deren eigentlichen Beruf er nicht erkennt, zur Frau wählt, gibt es nämlich gar nicht. Und die Familie ist in gleicher Unkenntnis von ihr und ihren Berufskolleginnen — ältestes Gewerbe der Welt — entzückt. Der Gegensatz sprüht einen Abend lang Heiterkeit, um so mehr als Hans Weigel das Stück witzig ins Wienerische umgesetzt hat. Unter der gewandten Regie von Franz Messner spielt Elfriede Ott anfangs trefflich die Verlegenheit der abgebrühten Stupsi in • der für sie so sehr ungewohnten Situation, später das langsame Einfügen in die Bürgerlichkeit, wobei mancherlei Verwirrung bleibt. Als der schüchtern-ehrsame Vinzenz wirkt Albrecht Rueprecht sympathisch, seiner fast skurril-weltfremden Tante gibt Helene Thimig eine Fülle amüsanter Einzelzüge. Die drei „Damen“ sind mit Erne Seder, Gerti Gordon und Brigitte Neumeister vorzüglich besetzt.

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