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Dreimal Komödie

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Nach zehn Jahren sieht man abermals Shakespeares „Sommernachts-traum“ In einer Neuinszenierung des Burgtheaters. Wer träumt eigentlich In dieser Komödie? Ist es eine der Figuren? Hermia erwähnt kurz einen Traum. Aber Oberon sagt einmal, was sich da begebe, sei „wie Träume“, ein andermal, es sei wie die „Launen eines Traumes“. Demetrius scheint es, obwohl wach, daß sie, die im Wald Verirrten, noch träumen, aber es wird nichts von Träumen berichtet. Und Zettel glaubt, es war ein Traum, was er erlebte, es war aber Wirklichkeit. Alles ist hier wie ein Traum.

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Nach zehn Jahren sieht man abermals Shakespeares „Sommernachts-traum“ In einer Neuinszenierung des Burgtheaters. Wer träumt eigentlich In dieser Komödie? Ist es eine der Figuren? Hermia erwähnt kurz einen Traum. Aber Oberon sagt einmal, was sich da begebe, sei „wie Träume“, ein andermal, es sei wie die „Launen eines Traumes“. Demetrius scheint es, obwohl wach, daß sie, die im Wald Verirrten, noch träumen, aber es wird nichts von Träumen berichtet. Und Zettel glaubt, es war ein Traum, was er erlebte, es war aber Wirklichkeit. Alles ist hier wie ein Traum.

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Wird nun die Aufführung unter der Regie von Gerhard Klingenberg und mit den Bühnenbildern von Rudolf Heinrich zu einem vor uns vorüberschwebenden Traum? Keineswegs. Ein einheitliches Konzept fehlt. Anfangs sagt man sich: Aha, Nüchternheit. Die Handwerkerszene des ersten Aktes, in der Klingenberg-schen Fassung des Stücks unter Verwendung des Schlegelschen Textes an den Anfang gestellt, spielt vor einem Holzgerüst mit weißer Leinwand dahinter, und da regiert auch noch Theseua als Herrscher. Die Waldszenen aber bieten doch herkömmliche Romantik mit hängenden Silbernetzen und bühnenhoher roter oder grüner Mondscheibe. Und der Schlußakt spielt gar vor einem theatralisch-pomphaften Schloß mit erheblichem Aufgebot an Hofleuten. Was die Besetzung betrifft, gibt die Darstellung des Oberon durch Heinrich Schweiger einen neuen Akzent Das ist ein bauchiger, weißlarviger, beinahe genießerisch hämischer Elfenkönig, ein Gegenstück zu dem rabautzigen Puck des Fritz Grieb. Das aber bleibt isoliert. Unter den ansonsten ansprechend besetzten Rollen gibt Else Ludwig der Titania elfische Anmut, erweist sich Heinz Reincke als vehement polternder Zettel, Ernst Ander als passable

Thisbe. Peter Fischer komponierte lang hingezogene, geheimnisvoll wirkende Töne für die Romantik des Waldes.

Es kann sein, daß erst die letzte Szene die Crux eines Stücks erweist, aber dann ist die Wirkung auf das Publikum bereits entschieden. Das zeigt sich bei dem Lustspiel „Ein besserer Herr“ von Walter Hasenclever, das derzeit im Akademietheater aufgeführt wird. In diesem Stück stellt sich Möbius, der Heiratsschwindel erheblich gewinnbringend auf geschäftlicher Basis betreibt, in einer „Generalversammlung“ den von ihm betrogenen Damen, sie aber liefern ihn nicht der Polizei aus, das unerfüllt gebliebene Glück war zu groß. Wer soll das glauben? Hier wird die mögliche Realität um der spaßhaften Doktrin willen verbogen.

Und doch hat dieses leichtgewichtige Lustspiel bis dahin seine Wirkung bereits getan. Wir blicken mit lächelnder Nachsicht auf die Mentalität der zwanziger Jahre zurück, in denen man blitzartige Entschlüsse, Sachlichkeit, Tempo, Geschäftstüchtigkeit, Abwertung der Gefühle noch als Errungenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts anstaunte, worüber sich Hasenclever richtig lustig machte. Herr Compass, Chef einer Welt-firma, führt einen Familienrat als Geschäftssitzung, dekretiert, seine Tochter Lia habe sich ehestens, und zwar — eine Kontrastfigur zu Moliereschen Vätern — nach eigener Wahl zu verheiraten, worauf das Mädchen, langweiliger Männer überdrüssig, ein Inserat aufgibt und sich dann in Möbius verliebt wie er in sie. Krach in der Familie, aber das Gefecht der beiden Geschäft&mata-doren zeigt, daß Tüchtigkeit der einzige Wert ist, der wiegt Man spürt Hasenclevers leises Lächeln ob des eigenen braven Lustsplelschlusses, wobei diese Wonnige, strahlend Zukunftsträchtige Kritik mit einschließt.

Boy Gobert steigert als Regisseur die Ironie, das Satirische des Stücks, aber man kann Hasenclever nicht zu Sternheim umfunktionieren, es wird nur das Uberholte deutlicher spürbar. Klausjürgen Wussow setzt seine Männlichkeit als Möbius betont fast heldentenoral ein. Marlies Engel erweist als Lia weibliche Härte auf Kosten der Weiblichkeit. Geschäftliche Überlegenheit und Forschheit bietet Walter Starz als Compass, stark wattiert, als seine Frau forciert Eva Zilcher gezierte Larmoyanz. Achim Benning zieht als Detektiv von Schmettau eine konventionelle Preußenkarikatur ab. Gusti Wolf ist ein« Witwe von betulicher Liebessehnsucht, Florian Liewehr bemüht sich als Compass-Sohn um Kontur. Angelika Welzl beschränkt sich als Dienstmädchen auf kokette Bewegung.

Der Bühnenbildner Toni Businger führt in dicht gedrängter plastischer Collage Signifikantes der zwanziger Jahre vom Zeppelin bis zu Photos von Girlriegen vor und deutet die Schauplätze lediglich durch Möbel an.

In unserer Zeit rasanter Entwicklungen ergibt sich die Frage, wie es um unsere Beziehung zur Vergangenheit bestellt ist. Aus irischer Sicht behandelt das Sean O'Casey in seiner „abwegigen“ Komödie „Purpurstaub“, die derzeit im Theater in der Josef Stadt aufgeführt wird. Zwei reiche Engländer, Poges und Stoke, haben in Irland ein halbverfallenes Schloß aus der Tudor-Zeit gekauft und lassen es In snobistischer Begeisterung für die alte Zeit für das Gehaben der Vornehmen von damals restaurieren, damit der Glanz von einst nicht, wie ihnen entgegengehalten wird, zu „purpurnem Staub“ verblasse. Eine voreilige Freude am Landleben erfüllt sie überdies. Voreilig? Mit hämischer Freude zeigt O'Casey, daß sie sich bei allem, was sie anpacken, höchst töricht gehaben. Vollends gibt er englischen Hochmut, englische Anmaßung dem Gelächter preis. Mag aus Großbritannien zwar Kleinbritannien geworden sein, so ist es doch nicht so, daß es das englische Imperium schon nach einer Generation — das Stück entstand vor 1938 — „nur noch als halbvergessener Kindergartenverein“ gibt. Irischer Englandhaß spricht da. Syn-ge erklärte, in Gegenden, wo die Einbildungskraft der Bevölkerung und die von ihr gesprochene Sprache reich und lebendig ist, könne auch der Schriftsteller in seiner Wortwahl reich und üppig verfahren. Da dies auf Irland noch zuzutreffen scheint, gibt O'Casey einzelnen der irischen Arbeiter, die das Schloß restaurieren, eine verbale Fähigkeit, „die goldene Stickereien macht aus tanzenden Wörtern“. Mehr noch: In Visionen ersteht eine ruhmreiche irische Vergangenheit, von der die Vorstellungen dieser Menschen nahezu überquellen. Tradition als läppische Attitüde der Engländer wird gegen lebendige Verbundenheit der Iren

mit der Vergangenheit gesetzt. Am Schluß überschwemmt ein naher Fluß das Schloß, das Sinnbild falscher Beziehung zuir Vergangenheit, die irischen Arbeiter retten sich mit den irischen Mätressen der Engländer, die Engländer selbst aber müssen um der Stüokidee willen umkommen.

Hans Hollmann hat im Ausland imponierende Regieleistungen vollbracht. In Wien versagt er diesmal völlig, er scheint die Idee dieses Stücks nicht zu verstehen. Die geistigen Valeurs gehen völlig verloren, es entsteht ein plumper Schwank, der aber nicht witzig genug ist, ein Wechselbalg. Fritz Muliar macht aus dem Poges, einer Gestalt für einen Charakterdarsteller, eine Witzblatt-figur, Johanna Thimig ist als eine attraktive Schlampe arg falsch eingesetzt, Christian Futterknecht spielt als Kanonikus schlechtestes Gesel-lentheaiter. Nur Guido Wieland bietet als einer der Arbeiter eine lebendige Figur, die sitzt. Ansonsten stimmt fast nichts, auch das Bühnenbild von Monika Zallinger nicht.

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