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Professor Fritz Moldens Buch ist dort am besten, wo es um den Haudegen Fritz Molden geht - und das füllt bei so einem Leben viele Seiten. Professor Peter Filzmaier schreibt so wie er spricht: schnell und gescheit - und ausnahmsweise, aber nicht zum Nachteil des Buches, ohne Fußnoten.

Paul Lendvais "Mein Österreich" ist auch dein, unser, aller Österreicher Österreich; denn der Ungarn-Flüchtling, der in seinem neuen Buch die Geschichte der Republik in den letzten 50 Jahren seit seiner Ankunft Revue passieren lässt, präsentiert sich darin als der österreichischste Österreicher schlechthin. Ein Paradebeispiel für den hierzulande geliebten, weil integrierten Ausländer. Mit der Bedeutung von Integration, wie sie die meisten Österreicher fordern: Assimilation!

Assimiliert sind auch Lendvais Gedanken über, sein Bild von, seine Analysen zu Österreich - und das ist schade, denn dadurch ist dieses Buch sehr ähnlich vielen anderen die österreichische Zeitgeschichte behandelnden Werken geraten. Journalismus, das sei "die Chance, viele Leben zu leben", zitiert Lendvai einen deutschen Journalisten. In und mit diesem Buch lebt der Journalist Lendvai sein Leben als Professor: sehr viele, sehr kluge Fußnoten, zu noch mehr und noch gescheiteren Zitaten.

"50 Jahre hinter den Kulissen der Macht", der Untertitel, und die Ansage, einen "zutiefst persönlichen Bericht" abzugeben - beides verspricht mehr, als gehalten wird. Auf langen Strecken beschreibt Lendvai das bekannte Kulissen-Schieben der letzten Jahrzehnte, beschränkt sich der persönliche Zugang auf die Anwesenheit bei dieser oder jener Pressekonferenz. Das Buch ist seriös recherchiert und ausgewogen in der Beurteilung. Die angekündigte Spannung geht ihm aber oft ab. Fast alle Politiker der Zweiten Republik kommen bei Lendvai gut bis sehr gut weg. Vielleicht ein bissl zu viel Kreisky, könnte man kritisieren, aber gerade in den Passagen über den "Sonnenkönig" kann Lendvai mit seiner Nähe zum Langzeitkanzler punkten. Denn solche Journalisten wie Lendvai hat Kreisky "als im höchsten Maße gleichberechtigte Partner" geschätzt.

MEIN ÖSTERREICH

50 Jahre hinter den Kulissen der Macht

Von Paul Lendvai, Ecowin Verlag, Salzburg 2007, 290 Seiten, geb., € 23,60

Fritz Molden ist mit dem Forum Alpbach sehr verbunden: Sein Bruder, Otto Molden, hat den "anderen Zauberberg" im Sommer 1945 gemeinsam mit dem Philosophen Simon Moser begründet - und Fritz Molden zählt sich seither zu den "Adabeis", die in Alpbach "ein bisschen mithelfen". Für auserlesene Gäste, wird einem in Alpbach vorgeschwärmt, gibt es in den Forums-Wochen Einladungen in Moldens "Hütte" oder Alm - oder war's doch sein Haus? - und wenn Molden bei diesen Treffen von "seinerzeit" erzählt, heißt es, sei das spannend und kurzweilig und sehr oft sehr lustig.

Für alle, die noch nie bei Molden sitzen und zuhören durften, gibt es jetzt die Möglichkeit, im neuen Molden zu schmökern; und nicht nur, wenn man sie life erzählt bekommt, Moldens Erinnerungen sind auch zwischen zwei Buchdeckeln spannend, kurzweilig und oft gspaßig.

Warum das Buch "Vielgeprüftes Österreich" heißt, ist aber nicht einsichtig. Jetzt kann Molden aus dem Bundeshymne-Text von Paula von Preradovic - "im Zivilberuf meine Mutter" - mit mehr Berechtigung als jeder andere eine Zeile auswählen, doch sowohl was Moldens Biografie als auch seine politischen Erinnerungen betrifft: "Vielgeliebtes Österreich" würde viel besser passen.

Es gibt so Leben, die würde man gerne phasenweise (mit-)leben: Harrers Jahre in Tibet oder mit Hemingway im spanischen Bürgerkrieg oder mit Janis Joplin in Woodstock - oder auch Moldens Nachkriegsjahre: "wilde Tage" beim Befreien von Innsbruck, rechte Hand von Außenminister Karl Gruber, US-Kontaktmann in geheimer Mission, Presse-Herausgeber im Ungarn-Aufstand. Oder wenigstens Maus sein dürfen, als sich Kurt Waldheim einst bei Molden im Außenamt beworben hat - "unterm Arm ein halbes Fahrrad", weil er es nicht unbeaufsichtigt draußen stehen lassen wollte.

"VIELGEPRÜFTES ÖSTERREICH" - Meine politischen Erinnerungen

Von Fritz Molden, Amalthea Verlag, Wien 2007, 255 Seiten, geb., € 22.90

Peter Filzmaier hatte vom Verlag den Auftrag erhalten, "über das sperrige Thema Politik in einer für viele Menschen interessanten Weise zu schreiben". Wie das dem Politikwissenschafter von der Donau-Uni Krems mit der Analyse-Lufthoheit in fast allen Print-Qualitätsmedien, ORF sowieso, gelungen ist, zeigt das Beispiel Wählen mit 16 sehr gut: Zuerst rechnet Filzmaier vor, dass kaum wer Bescheid weiß über das Stimmverhalten der Jungwählerinnen und Jungwähler. Mit zwei bis drei Prozent der Wählerschaft sind die Jungen eine zu kleine Gruppe, um durch Meinungsumfragen repräsentativ erfasst zu werden. Deswegen machen die "sweet sixteen" auch bei keiner Partei das Stimmenkraut fett, und selbst die Grünen können sich mit den Stimmen aus dieser Gruppe "lediglich um ein paar mickrige Teilprozente verbessern". Deswegen, so Filzmaiers Resümee: viele künstliche Wellen, ein Imagegewinn für die Parteien, die sich zudem damit den Anfang einer "langfristigen Kundenbeziehung" erhoffen.

So zack, zack, ratz, fatz - "in Wahrheit ist das so!" - geht Filzmaier ein Thema nach dem anderen an: Politik und Medien, Politik und Sport, Wahlverhalten, Wahlmotive, Tabus, Ängste, Feindbilder EU und USA und, und, und …

Für kommende Wahlkämpfe rät der Autor in Österreich auf Schmutzkübel-Kampagnen zu verzichten, "weil es einfacher ist, anders an Wähler heranzukommen". Wenn schon, dann sind in Österreich, im Gegensatz zu den USA, Vorwürfe einer unseriösen Finanzgebarung erfolgreicher als privat-sexuelle Kampagnen. "Patriotismus ist Liebe zu den seinen, Nationalstolz ist Hass auf den anderen", schreibt Filzmaier im Kapitel "Unsere politische Kultur". Bedenklich, wenn man zudem erfährt, dass Österreich Spitzenreiter im Nationalstolz ist - beruhigend nur: Tendenz fallend.

WIE WIR POLITISCH TICKEN

Öffentliche und veröffentlichte Meinung in Österreich Von Peter Filzmaier Ueberreuter Verlag, Wien 2007 189 Seiten, geb., €19,95

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