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Dreimal Politik

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Die Politik, die sich wie ein Ariadnefaden durch die Premieren dieser Woche zieht, beginnt schon im Burgtheater, das Bernard Shaws Komödie „Der Kaiser von Amerika“ (The Apple Cart) spielt. Die Geschichte von König Magnus, dem Sich zu Ende unseres Jahrhunderts die Chance bietet, Kaiser von Amerika und dem „angeschlossenen“ England zu werden, ist heute, ein Vierteljahrhundert nach ihrer Entstehung, und einige Jahrzehnte vor ihrer „Realisierung“ keineswegs unaktuell. Die Pointen haben ihren Glanz nicht verloren, und die langen Gespräche über Demokratie, Plutokratie und Königtum sind nach wie vor amüsant; freilich vermögen sie die angeschnittenen Probleme auch nicht im entferntesten zu lösen, soviel bittere und bissige Teilwahrheiten sie auch enthalten. „Sowohl der König wie seine Minister spielen mit demselben Geschick; da der. König der nettere Spieler ist, besitzt er die Sympathie des Publikums.“ Dieser Satz Shaws weist darauf, das seine Komödie weniger als Schau- denn als Glücksspiel aufzufassen ist, bei dem die Partner abwechselnd zum Zug kommen. Doch hat vielleicht die Aufführung unter der Leitung Ernst Lothars für ein Glücksspiel zuwenig Tempo; die Partner überlegen zu lange, ehe sie den Gegenzug machen, und dieses Zögern läßt Lücken entstehen, die nur im Zwischenspiel (Aslan-Nicoletti) ganz geschlossen sind. Hinreißend Josef Meinrad als eine Art sympathischer „McCarthy“.

Um Politik geht es auch bei einer zweiten Premiere der Woche, die, wenngleich ebenfalls schon bejahrt, so doch noch ebenso aktuell ist. Das Volkstheater spielt in einer dichten Inszenierung von Leon Epp „Schieber des Ruhms“ (Les Marchands de Gloire), ein Stück, das Marcel P a g n o 1 gemeinsam mit dem jungen Redakteur Paul N i v o i x vor 28 Jahren verfaßte. Auch die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hat ähnliche Typen gekannt, wie sie uns Pagnol hier vorstellt: Männer, die große Ideen laufend zu politischem Kleingeld münzen und daraus ihr Kapital zu schlagen verstehen, denen, ohne daß sie „böse“ sind, nichts wichtiger ist als ihre Karriere. Knappe Handlungsführung und Beschränkung auf das Wesentliche lassen die Grundprinzipien dieser Welt der Politiker deutlich erkennen und die Spannung bis zum letzten Akt, ja, bis zum letzten Satz, nicht abreißen. Und doch sehnt man sich in diesem ehrlichen und dabei gut pointierten Stück, das zugleich als Satire und Komödie erscheint, nach einer außerordentlichen Stelle, nach einem Aufschrei, dem Kaiser Rudolfs II. vergleichbar: „Sind das noch Menschen? Ich will bei Menschen sein!“, nach einem Satz, der in der Lage gewesen wäre, das Stück aus der Welt des Scheins in den Bereich Act Kunst zu heben.

Das ist der Zauber des Theaters in der Josefstadt: es setzt immer wieder Stücke auf den Spielplan, die man nicht sehen will, aber es tut dies mit soviel Scharm, daß man sie dann doch immer wieder gerne gesehen hat. Das gilt auch für „J e a n“ von Ladislaus Bus-Fekete. Auch „Jean“ gehört ins Genre der von der Josefstadt so bevorzugten „gepflegten Stücke in einem gehobenen Milieu“ (die Adjektive können ausgetauscht werden), die sich nicht entschließen können, Komödien zu werden, und lieber Lustspiele bleiben, weil sie dann sicherer beim Publikum ankommen. Bus-Fekete hat nichts zu sagen; aber das versteht er zu formulieren. Dadurch, und vor allem durch das hervorragende Ensemblespiel (Jaray, Edthofer, Geßner, Degischer!) wird die Geschichte des Kammerdieners des Ministerpräsidenten, der selbst bei der Oppositionspartei Karriere macht, ein reizendes politisches Salon-, wenn nicht gar Kabinettstückchen.

Das Akademietheater spielt „Philomena Marturano“ von Eduardo de Filippo. Die Geschichte eines reichen neapolitanischen Wüstlings, der 25 Jahre lang mit einer Frau zweifelhafter (oder richtiger: eindeutiger) Vergangenheit zusammenlebt, und die ihn, unter Vorspielung einer Todeskrankheit, dazu „verführt“, sie zu heiraten. Als der Betrogene die Komödie erkennt, läßt er die Ehe für ungültig erklären. Dennoch kommt es zu einem „Happy-End“: der Neapolitaner heiratet seine ehemalige Geliebte und scheinbare Gattin richtig, weil sie ihm beweist, daß sie drei Kinder hat, wovon eines von ihm ist. Das Stück könnte schlechteste Schmiere sein, würde nicht die „Burg“ sich seiner annehmen. So kommt ein ausgezeichnetes Ensemblespiel heraus, mit Glanzrollen der Käthe Dorsch, Attila Hörbigers und des jungen, hochbegabten Schweiger, das den Inhalt des Stückes über der Leistung vergessen läßt. W. L.

Das Ateliertheater hatte mit „Marl-borough zieht in den Krieg“ (O diese Geschichte) von Marcel A c h a r d einen guten Start: ein blendendes Feuerwerk neuer und altbewährter Pointen zum Fest der Eröffnung. Aber schon das zweite Stück, „Wir sterben im Regen“ erweist sich als das unreife Werk eines Anfängers; der junge italienische Autor Enzo Biagi wird noch viel lernen müssen, wenn er seine österreichischen Kollegen in den Schatten stellen will. Die ambi-tionierte Aufführung (Regie: Herbert Lenobel) stellte in Kurt Müller und Heinz Röttinger zwei sympathische Schaus;-' .ler vor.

Das Theater am Parkring hat Karl Schönherrs „Kindertragödie“ auf den Spielplan gesetzt und begeht dadurch nicht nur würdig den zehnten Todestag von Karl Schönherr, sondern gewinnt diese Tragödie in einer neuen Inszenierung der Bühne zurück. Den Intentionen Schönherrs folgend, zeichnet Regisseur Willi Stari mit sparsamen Mitteln eine ungeheuer dichte Atmosphäre und hebt, unterstützt durch die Musik von Arthur Honegger, das Spiel ins Ueberwirkliche. Darstellerisch am reifsten, und doch noch kindhaft echt, ist Luzi Neudecker als Schwester.

Die Kammerspiele bringen mit Hans Schuberts Schwank „Warum nicht heiraten, meine Herren?!“ eine höchst überflüssige Angelegenheit auf die Bühne. Unsere Bewunderung verdient nur der Autor, der seine Arbeit trotz bescheidenster Einfälle auf drei Akte auszudehnen verstand.

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