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Dreimal unbeschwert

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Es gibt zwei Urteile von Schauspielern über den Dramatiker Nestroy, ihren einstigen Berufskollegen: Egon Frieden nannte ihn einen „sokratischen Dialektiker und kantisch analysierenden Geist von höchster Freiheit und Schärfe“, Alexander Girardi meinte, man müsse ihm bei einer Aufführung „ins Herz schauen können wie jedem echten Dichter“. Beides ist richtig, die Bedeutung Nestroys liegt in der Verbindung dieser polaren Gegensätze, des manchmal infernalisch Dialektischen mit der Wärme des Herzens. In Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“, die derzeit nach elf Jahren im Burgtheater wieder neu inszeniert wurde; überwiegt das Herz, die Lebensfreude, die über die Stränge schlägt; das Analytische, Dialektische ist hier mehr ins Schalkhafte gewendet.

Diese Posse erweist sich so dicht an Einfällen, daß eine Verfälschung entsteht, wenn sie bei der Aufführung von der Regie her mit primitiven Gags überladen wird. Axel von Ambesser scheut sich als Regisseur nicht, etwa die Attrappe eines Dackels über die Bühne ziehen zu lassen, wobei der künstliche Hund kurz das Haxerl hebt. Das Liebenswürdige, das reizvoll Witzige der Dialoge geht in dem dauernden Klamauk unter. Aber auch die Bühnenbilder von Lois Egg, die Kostüme von Erni Kniepert, die Bearbeitung der Musik von Adolf Müller durch Alexander Steinbrecher, all das kann nicht voll befriedigen.

Doch steht eine Spitzenbesetzung zur Verfügung: Josef Meinrad als schlaksiger Weinberl mit munteren Hallodri-Allüren, Inge Konradi als ebenso übermütiger wie ängstlicher Lausbub Christopherl, Hugo Gottschlich als phlegmatischer, sich unentbehrlich dünkender Hausknecht Melchior, Fred Liewehr als würdebedachter Prinzipal, Adrienne Gess-ner als ältliches, herzensgutes Fräulein Blumenblatt. Diese, wie auch die sonst eingesetzten Darsteller wirken für das Burgtheater repräsentativ, was keineswegs für die Inszenierung gilt. Dennoch ist geplant, mit dem „Jux“ auf Weltreise zu gehen ...

Das Publikum lacht im Volks-theater bei der Komödie „Zwei ahnungslose Engel“ von Erich Ebermayer nach einer Idee von Charles M. Wakefield zwar schon in den ersten Szenen, aber das arg Nichtige, das sich da begibt, reißt keineswegs ins Stück. Zwei ältere, weltfremde Schwestern erhalten, ohne größere Geldmittel zu besitzen, die Mitgliedskarten eines „Internationalen Service Clubs“ zugeschickt und unternehmen nun, da die Devise „Kaufe ohne zu bezahlen“ lautet, eine 24tägige Weltreise, die uns unbeholfen in projizierten Schwarzweißzeichnungen vorgeführt wird. Soweit, so uninteressant.

Ein Drittel des Abends ist bereits vergangen, da erst beginnt recht eigentlich das Stück mit der Gerichtsverhandlung gegen die beiden Schwestern wegen Betrugs. Wie nun ihre unsagbare Naivität, ihr unbekümmertes Nichtwissen um gerichtliche Usancen, ihr Unschuldsgefühl den Staatsanwalt und den Richter schachmatt setzen, das ist witzig durchgeführt. Schließlich werden sie freigesprochen, denn ein Irrtum zwar nicht des Computers, aber seines Programmierers führte zur Ausstellung der Mitgliedskarten und die „ahnungslosen Engel“ glaubten, ein wohltätiger Club habe sich ihrer angenommen. Bei dem Witzigen und

Überraschenden der Gerichtsverhandlung wird auch Wärme spürbar, es zeigt sich, daß echte Naivität tiefer im Menschlichen sitzt als unsere gänzlich unnaiv gewordene zivilisatorische Konvention. Damit ist das Stück trotz des schwachen Anfangs einigermaßen gerechtfertigt.

Die Naivität der beiden Schwestern wird durch Alice Loch als die aktive Ältere und durch Rose Renee Roth als die dummsig Jüngere voll glaubhaft. Harry Fuß gibt einem Reisebüromanager bezwingende Freundlichkeit und Glätte. Ansprechende Darstellung der übrigen Rollen unter der Handgelenksregie von Oskar Willner. Die passablen Büh-

nenbilder stammen von Maxi Tschunko. Hoffentlich gleitet das Volkstheater bei den nächsten Premieren nicht weiter ab.

Die Fabel sei das erste, erklärte Aristoteles, an zweiter Stelle rangieren die Charaktere. Das handlungslose Stück besitzt keine Fabel, also stellt es zentral Charaktere dar. In der Komödie „Weil du so fröhlich bist“ der Italienerin Natalie Ginz-burg, die derzeit im Kleinen Theater in der Josefstadt zu sehen ist, wird vor allem der Charakter der jungen, seit einer Woche verheirateten Frau Giuliana entfaltet. Und zweit ausschließlich schwatzend. Im ersten Akt erzählt sie ihre bisherige Lebensgeschichte dem Dienstmädchen, im zweiten liegt sie in der Badewanne und plaudert mit dem Gatten, im dritten siegt das Mundwerk ihrer zu Besuch weilenden Schwiegermutter. Da dieses Ballspiel der Belanglosigkeiten mit viel Witz geführt wird, gibt es — zumindest bis zum dritten Akt — einen amüsanten Abend. Blendendes Spiel ist Voraussetzung. Das aber bietet unter der einfallsreichen Regie von Hermann Kutscher vor allem Elfriede Irrall als Giuliana. Aber auch Franz Messner als Gatte, Lotte Lang als dessen Mutter wie Elfriede Ram-happ und Dietlind Macher in weiteren Rollen tragen zum Erfolg des Stücks bei.

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