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Dunkles Raunen, zu viele Worte

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Das neue Stück von Peter Handke, „Zurüstungen für die Unsterblichkeit", ist ein mächtiger, wenig bekömmlicher Grießbrei hochtönender Worte. Wer sich durch frißt, findet keinen Kern, sondern steht aufatmend wieder im Freien. Aber Claus Peymann hat seinen I landke offenbar durchschaut. Er inszenierte die „Zurüstungen" im Burgtheater, so schön es die Düsternis der Geschichte gestattet, einfallsreich, phantasievoll und ohne allzuviel Ehrfurcht vor dem gestelzten, geschwätzigen Text sowie dem dampfenden Mythenkitsch, der Handke (wie dessen Begieanmerkungen vermuten lassen) stellenweise vorgeschwebt zu haben scheint. Peymann entschied sich für die Theaterphantasie auf Kosten der dunkel raunenden Botschaft.

Irgendeine Welt ist aus den Fugen. Irgendwo, in irgendeinem Landstrich namens Enklave. Liegt sie in Spanien, Slowenien, Serbien? Gewiß ist nur, daß es sich nicht um Andorra handeln kann. Jedenfalls nicht um Max Frischs Andorra. Denn dort wurde abgehandelt, was uns in unserem damaligen Jetzt und Hier etwas anging und in unserem heutigen Jetzt und Hier erst recht sehr viel angeht.

Peter Handkes Enklave hingegen könnte auch Beiläufigstan heißen. Die Bealitätsfetzen, mit denen er das mythische Gewebe durchschießt, haben mit dem, was heute geschieht, wenig zu tun. Gewiß, da ist ein offenbar von Eroberern überranntes Land, ein Land, in dem irgendwelche seltsame Horden unterwegs sind, die Baumverdränger heißen, bei denen es sich ebenso um Nazis wie um Amis

oder um die Besatzungsmacht der Konsumwelt handeln kann und die mit seltsamen Geräten, schwuppdiwupp, Bäume, Bilder und das Himmelsblau wegsaugen. Sie stehen halt wohl für alles, was der Dichterfürst nicht mag, da ist die Auswahl ja bekanntlich groß.

Handkes Welt hat mit der Welt des Science-fiction-Autors Isaac Asimov mehr gemeinsam als mit der Welt, in der wir leben. Auch dort ist viel von Beichen die Bede und von Herrschaft und nie von den Strukturen und Problemen unserer Zeit und unserer Welt. Bei Handke wimmelt es von Königen und Königskronen. Über irgendeinem neuen Gesetz brütet der in die Enklave zurückgekehrte, zum Herrschen geborene Pablo. Irgendetwas Neues schwebt ihm vor, etwas,

was vom Himmel herabtaut, kaum etwas, worüber von den Menschen entschieden werden könnte. Die neue Ordnung der Enklave soll nicht auf Gewalt gegründet sein. Vielleicht werden die Götter Pablo doch noch im Schlaf eingeben, wie sich dies bewerkstelligen läßt. Wenn Pablo Vega ratlos ist, legt er sich hin und schläft, indes Welten unterzugehen drohen.

Denkt man an Handkes politische Äußerungen der letzten Zeit, muß man ihm zugestehen, daß er gut beraten war, dieses Stück zu schreiben: In der leider etwas komplizierten Wirklichkeit kennt er sich nicht besonders gut aus. Sein seltsames Dich-terpriestertum, seine übersteigerten, bestenfalls teilweise gedeckten Ansprüche gedeihen besser im Nebulo-sen.

Gefährlich wird's, wenn sich die Propo-nenten neuer Ordnungen auf solche Dunkelheit berufen. Doch das geht bei Handke glücklicherweise nicht so leicht. Er ist, und das spricht für ihn, kein Botho Strauß.

Gert Voss ist rührend,-komisch, stellenweise ergreifend, ist ganz er selbst, reiht Moment auf Moment, schafft aber nicht die zerrissene Imh-rerfigur, oder will sie nicht schaffen. Anne Bennent als Erzählerin im Regenbogenrock erweist sich als einer der Drehpunkte der Handlung, bringt ihre Sätze erstaunlich locker, raunt nicht, sondern plaudert. Therese Af-folter (Flüchtlingin): Ein Mensch! Johann Adam Oest (Felipe Vega) als Verkörperung des Mißerfolgs, Martin Schwab als Volk, Urs Hefti als Idiot, Wolfgang Gasser als Ahnherr, Traute Hoess und Ursula Hopfner als Mütter, sie alle verkörpern Prinzipien, die sich bei näherem Zusehen als papieren erweisen, darunter viel Bildungsstoff, Bildungspapier, machen draus aber erstaunlich viel.

Einen großen positiven Anteil am zwiespältigen Erfolg hat das Bühnenbild von Achim Freyer. Er ästhetisiert die apokalyptische Landschaft. Die fünf Minuten nach der Pause, in denen sie von innen leuchtet, ansonsten vielleicht ein Viertel der fast vierstündigen Aufführung, entschädigen teilweise für den zähen Rest.

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