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Durch 80 Jahre bildender Kunst

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Die Feier des achtzigjährigen Bestandes ihres Hauses begeht die „Gesellschaft bildender Kiinst- 1 e r” mit einer umfangreichen Ausstellung, die im ersten Stock über 300 Werke ihrer verstorbenen Mitglieder enthält; die Räume im Parterre sind dem Schaffen der lebenden Vorbehalten, den Erben und Bewahrern einer alten Tradition.

Ein Rundgang durch die der Vergangenheit gewidmeten Schau zeigt, wie kurzlebig Kunstrichtungen sind und wie wenig uns Menschen von heute die Mehrzahl dieser Bilder und Plastiken einer gar nicht so weit zurückliegenden Zeit, bei aller Anerkennung ihrer technischen Qualität, noch zu sagen vermag, wo nur mehr einzelne Werke vermögen vor dem kritischen Urteil und Geschmack von heute zu bestehen. Die gewaltigen, erschütternden Bildkompositionen eines Egger-Lienz, das wundervoll gemalte Spiegelbild S t u rn-S k r l a s, Amerlings entzückendes „Mädchenbildnis”, Landschaften von Schindler und Brunner sowie die malerisch hervorragenden Arbeiten Roy- k a s haben ihre Zeit überlebt.

Und doch gehören auch die übrigen, die ja nicht durchwegs mit ihren besten Werken vertreten sind, zu den Repräsentanten ihrer Zeit, haben aas ihrem Geiste heraus geschaffen und Anerkennung gefunden. Aber diese Zeit war eben anders geartet als die Gegenwart, der alte Adel und ein reiches Bürgertum waren die Auftraggeber einer Künstlerschaft, die gut leben und sorglos arbeiten konnte. So atmet auch die Kunst vor dem ersten Weltkriege eine gewisse Zufriedenheit, Lebensbejahung und ein wenig Sentimentalität, die uns heute viele ihrer Werke, vor allem auf dem Gebiete der Plastik, als lebensfremd und süßlich erscheinen läßt.

Völlig abwegig aber wäre es, aus dieser Erkenntnis heraus ein Kunstschaffen von vorneherein als schlecht und veraltet zu bezeichnen, wenn es auf der bewährten handwerklichen Tradition dieser Zeit weiterbaut. Niemals kommt es auf die Kunstrichtung, sondern immer nur auf d e n Geist an, der den Künstler beseelt, auf das Können, das ihn befähigt. Zu allen Zeiten gab es gute und schlechte Kunstwerke, unabhängig von den Wegen und Formen, weil es immer Könner und Nichtskönner unter den Künstlern gab und geben wird.

Der Übel größtes aber ist die Überheblichkeit, die nur in einer Kunstrichtung das Um und Auf schöpferischer Kunst sieht. Viele Wegen führen zur Kunst, aber nur der wird sie auch wirklich erreichen, der nicht aus Originalitätssucht und mit großen Deklamationen seine Art als die alleinseligmachende hinstellt, sondern derjenige, der mit wirklichem Können und aus reinem Herzen heraus der Kunst dient. Wer kein echter Künstler ist, wird eben Kitsch produzieren, gleichgültig, ob er konservativ oder modern eingestellt ist, nur wird bei der Formlosigkeit so mancher moderner Künstler das Nichtskönnen als originell angesehen, während man bei den konservativen entdeckt, daß sie nicht viel können.

Die Ausstellung zu ebener Erde zeigtmanche erfreuliche Ansätze, ohne aber im großen und ganzen eine besondere Höhe zu erreichen. Dies ist vielleicht auch darin begründet, daß diese Art von Ausstellungen, die einige hundert Werke wahllos aneinanderreiht, veraltet und ermüdend ist. Man wird doch endlich einmal neue Wege gehen müssen. Vor allem fällt es auf — dies gilt im allgemeinen für alle Ausstellungen der letzten Zeit —, daß die Künstler mit wenigen Ausnahmen dem Zeitgeschehen absolut fremd gegenüberstehen, daß all das, was sich rings um uns abspielt, uns packt und erschüttert, im Schaffen der Künstler keinen Widerhall findet. Man malt die Porträts und Landschaften, die Blumenstücke und Stilleben weiter, so wie alle die Jahre zuvor, aber das religiöse Erleben, die Qual der letzten Jahre, die ungeheuren Umwälzungen auf allen Gebieten, an all dem scheint die große Schar unserer Künstler vorbeizuleben. Nur hie und da findet man ein Werk, das sich wirklich an der Gegenwart entzündet hat. So manche meinen leider, die Zertrümmerung der alten Formen genüge, um neuen verdientermaßen Platz zu machen und vergißt, daß nur das innerste Miterleben den neuen Geist der Zeit erkennt und damit erst das neue Kunstwerk schaffen kann. In den großen Temperakompositionen Ho 1 zinge rs und Reit- t e r e r s sowie in dem ergreifenden „Blinden” von W u 1 z spürt man ein wenig den Hauch einer künstlerischen Gesinnung, die in das Reich des Geistigen vorzudringen sucht. Immerhin ist künstlerisches Gut in dieser Ausstellung zu sehen, sogar zuviel, um auf Einzelheiten eingehen zu können. Die „Heiligen Drei Könige” von P o o s c h, der entzückende Blumengobelin von Carlos Riefel, Beischlägers stimmungsvolle „Donaulandschäft”, die „Dame in Blau” von Zeileissen, Eisenmengers in Farbe und Komposition noble „Begegnung”, das stofflich meisterhafte „Blumenstück mit weißer Vase” von Leo Frank, der duftig und delikat gemalte „März in Tirol” von Kempf-Harten- kampf, Knolls brillante Radierung „Kardinal Dr. Innitzer”, ein „Herrenbildnis” von May und Schachingers „Bildnis Dr. Lorenz” sind Stütz- und Lichtpunkte der Ausstellung, die einen guten Überblick über einen großen Sektor des österreichischen Kunstlebens der Gegenwart gibt. Auch die Plastik ist mit einer Anzahl guter Arbeiten recht wirkungsvoll vertreten.

Zu wünschen ist nur, daß die nächsten Jahrzehnte dieses ehrwürdige Haus mit lebensnahem künstlerischem Geist erfüllen und eine neue Blüte hervorrufen, wie sie einst den Ruf Wiens weit über die Grenzen Österreichs hinausgetragen hat.

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