Durch die Nacht hindurch vorwärts auf ein Licht schauen

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Das wird noch kommen, zittern wirst Du vor heiterstem Glück, weil dein innerstes Auge es gesehen hat, als es Nacht war … - Eine Meditation über das Licht.

Das wird noch kommen, zittern wirst Du vor heiterstem Glück, weil Dein innerstes Auge es gesehen hat, als es Nacht war und die Alpträume sich vorbereiten wollten, als sei da kein Ahnen gewesen und nie ein Advent.

So bereiteten sie - der Gewohnheit nach - das alte Schattenbild der Welt, das ihre Wirklichkeit ist. Und es kam ein Aber über sie, das war nicht aus der Welt, das war endlich nicht von hier, wie es doch aus ihr geboren wurde - nur zum Zeichen, denn wir brauchen ein Zeichen, damit wir es glauben können, wir Bedürftigen, die wir zuviel gesehen haben von der Welt.

Es gibt Menschen …

Es gibt Menschen, die sind so arm, die können ihrem Kind keine Kerze als Geschenk zu Weihnachten kaufen. Nicht einmal eine Kerze. Auch kein Brot. Es gibt Menschen, die haben ihre Arbeit verloren in diesen Wochen. Es gibt Menschen, die sind schwer krank und es gibt Menschen, die sind so verzweifelt krank, dass sie den, den sie lieben, die, nach der sie sich immer gesehnt haben, zerstören. Es gibt Menschen …, die sind furchtbar traurig. Jetzt.

Das wird noch kommen, zittern wirst Du vor heiterstem Glück, denn so groß wie der Schmerz der Welt, ist ihre Freude. Du kannst sie sehen: "In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen." Es strahlt Dich an, alles, was es gibt auf der Welt, das Verzerrteste, jede Vernichtung. Es ist ja nicht von hier, und es ist - in allem, was ihm noch geschehen wird - ewig beschützt, "Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen …"

Für Dich, für das Leben der Welt, für das, was Du Dir nicht erklären kannst, was Dir dunkel bleibt und was Dich ängstigt.

Und weißt Du, was es macht, das Licht? Es lässt Dich nicht los. Ja, Du verlässt so viele Plätze in Deinem Leben, schließt die Augen vor Versagen und Schuld - nicht aber das Licht.

Es ist ja, Gott sein Dank, nicht von hier, endlich nicht von hier: und es verlässt Dich nicht, es ist Dir versprochen, so sicher, wie Du lebst:

Die Nacht wird nicht ewig dauern.

Es wird nicht finster bleiben.

Die Tage, von denen wir sagen,

sie gefallen uns nicht,

werden nicht die letzten Tage sein.

Wir schauen durch sie hindurch

vorwärts auf ein Licht,

zu dem wir jetzt schon gehören

und das uns nicht loslassen wird.

(Hellmut Gollwitzer)

Jetzt schon gehörst Du ihm zu, und immer schon gehört ihm die Welt. Er kam ja in sein Eigentum. Es ist gleich, ob wir die Eigentumsverhältnisse vertauschen im menschlichen Wahnwitz und in der Machthetze der kleinsten Weltgegenden unserer Beziehungen und Verbindungen: Vater, Mutter, Kind. Von hier aus geht es ja weiter in alle Gefüge des Erdengeschehens.

Doch diese Nacht, die wir uns bereiten, hat keinen Wert. Sie ist nicht ewig! Sie ist das Nichtigste. Wir werden das noch begreifen mit unseren Händen, wie Maria das Kind in Armen hält, das ihr geboren ist, doch - Gott sei Dank - nicht von hier. Und werden es noch sehen: Das Licht wird dies alles überwinden, eines Tages, das wird noch kommen, wie das Licht gekommen ist, der Trost der ganzen Welt. Die noch singen und sagen wird über das Wunder: "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."

Mit dem, was tief gesunken ist, Dir selbst und in den unverständigen Augen des kalten Betrachters ohne Güte, mit dem tief Gesunkenen hat das Licht eine helle Freude. Es ist ja das Licht aus der Höhe, das die Zustände widerruft bis in die Unendlichkeit. Mit seiner Himmelsstimme ruft das Licht aus, was Dauer hat und ewig gilt, was bleibt, wenn hier alles zerfällt. Es begab sich aber zu der Zeit, war schon da, hatte sein wahres Licht-Jetzt, weil es aus der Höhe war und von außerhalb der Zeit und es brachte das Neue, ein Jetzt, wie es zuvor nie war und hernach nie wieder.

Und weil es eine solche Freude hatte, war ein Lachen in der Stimme des Engels, der es verkündete: "Siehe ich verkündige Euch große Freude ..." Und das Lachen klang um den Erdball und läuft den ganzen Bogen aus, immer seitdem, und läuft mit dem Wunder in der Seele durch die Kriege und alle Wohnungen und durch die Straßen und zu denen, die keine Heimat haben, läuft dieses Lachen in der Stimme des Engels und bringt Dir das Licht im Angesicht des Menschen, der an Dich glaubt.

Der einzig in die Welt gekommen ist, vom Himmel hoch, die gute neue Mär zu sein dem, der sie braucht wie kein anderer. Und er meinte nicht das, was aus sich selber strahlt und sich selbst gefällt und keine Mitte hat außer sich. Und er meinte nicht das, was sich rächt und quält und raubt und zerstört. Nein, er meinte das, was uns Menschen Schmerz bereitet und uns das Leben raubt, uns darum betrügt: Sein "hohes Licht hat stets die Leidenden gemeint" (Rudolf Alexander Schröder). Und die hat es ganz gemeint. Sehr zart zu den Wunden ist es, das Licht, Lichtlieb, Herzlicht, Lichtleben, Lichtlicht, Himmelslicht, Wunderlicht, Lichtglück, Liebeslicht, das Menschenlicht, das Gotteslicht, von dem Du leben kannst, von dem Du lebst, endlich.

Es wird Dich nicht loslassen …

Das wird noch kommen, zittern wirst Du vor heiterstem Glück, weil Dein innerstes Auge es gesehen hat, als es Nacht war und das Wieder begann und sein Wille anhob, sich breit zu machen und sich aufzublähen in seiner Wichtigkeit. Da begab sich das Licht, zu der Zeit, die immer ist und nie, wenn Du in diesem Licht bist. Wenn Du an das Licht glaubst, wie es an Dich glaubt in dem Menschen, der da ist und der da war und der da kommt als das Leben. Es kommt als das Heutigste, es gibt niemals - in keiner all der Zukünfte, die wir schaffen und selbst bedeuten - es gibt nicht irgend etwas zu allen Zeiten auf dieser Welt das neuer sein könnte oder erfundener als diese schönste Helle: der Du jetzt schon gehörst. Sein Amen ist gesprochen über Deinem verschwiegensten Gebet. Und es sieht Deine Augen innen, wenn Du weinst, wenn Du lachst. Und es bringt Dir eine Stille. Und es wird Dich nicht loslassen. Nie. Das Licht.

Die Autorin ist Pfarrerin an der lutherischen Stadtkirche in Wien.

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