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Egon Schiele im Roman

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IHR WERDET SEHEN ... Ein Egon-Schiele-Roman. Von Siegfried Freiberg, Holl-ilen-Verlag, Wien, 1967. 8 Abbildungen, 376 Seiten. Leinen, S 1158.-.

Der biographische Roman erfreut sich trotz aller Verleumdung in unserer Gegenwart besonderer Beliebtheit. Fast alle großen Gestalten der Kunst, der Geschichte, der Politik, der Wissenschaft haben ihre Darsteller gefunden: Napoleon wie Nero, Sokrates wie Hadrian, Goya, van Gogh und Gauguin, Mozart und Schubert, Christine von Schweden wie Madame Curie. Ihre Lebensgeschichte wird mehr oder weniger frei, dokumentarisch belegt oder rein dichterisch als Romanbiographie aufgerollt, die historischen Urbilder werden je nach dem künstlerischen Vermögen des Darstellers vertieft oder verflacht. Die Reihe solcher Romane ist unabsehbar. Vielfach sind sie an ein bestimmtes Datum oder ein Jubiläum gebunden. Der bevorstehende 50. Jahrestag des Todes von Egon Schiele wird nicht nur das Gedächtnis der Heimat bewegen — längst ist sein Genius international bekannt und anerkannt.

Wer wäre berufener, das Lebensbild dieses österreichischen Malers uns vor Augen zu stellen und die tieferen Hintergründe dieser lange angefeindeten, unverstandenen und auch heute noch im Widerstreit mancher Meinungen stehenden Kunst Egon Schieies zu beleuchten, als Siegfried Freiberg, der lange Jahre Direktor der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien war, von Jugend an ein Verehrer Schieles und zugleich ein genauer Könner des Metiers der federführenden Gilde. Auch wenn man mit

verständlicher Zurückhaltung an die Lektüre eines solchen Buches geht und sich vielleicht vor zuviel Wissen, zuviel historischer Treue, zuviel Exaktheit fürchtet, der impulsiven freien Auflösung des Stoffes in einzelne spannende Szenen gelingt es bald, jede Scheu zu zerstreuen. Es geht Freiberg in seinem Schiele-Roman nie um kalte Schilderung, sondern immer um ein aufrüttelndes inneres Bild, um die Konzentration auf das Seelische, um das farbige Panorama der gleichzeitigen künstlerischen Umwelt in Wien. Nichts von hoditrabenden Worten, nichts von beflissener Interpretation, auch wo notwendige, klärende Reflexionen in den Text einfließen, geht es um die lebendige Entwicklung dieses absonderlichen Talentes, dessen Kunst uns auf einimai durchaus nicht mehr absonderlich vorkommt. Das oft Peinliche im Lebensweg Schieles wird nirgends zum Tragischen überhöht, er selbst wird nicht „porträtiert", sondern wir sehen ihm zu, wie e r porträtiert, malt und zeichnet. Das ist wohl der richtige Weg. Geschickt weicht Freiiberg der verführerischen Möglichkeit bloßer Bildbeschreibungen aus. Wie die Bilder entstanden sind, was den Künstler faszinierte und ihn bewog, sie zu malen, darauf kommt es ihm an. So wird der kunstgeschichtlich Versierte wie der Laie Freude an dem Buch haben wie schwer und traurig auch das Schicksal dessen war, der in jungen Jahren starb und schon den Lorbeer der Unvergänglichkeit errungen hatte.

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