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Ehrung eines Österreichers

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Vor 175 Jahren, am 15. Janner 1791, wurde Franz Grillparzer geboren. Grund genug, daß ihn Burgtheater und Akademietheater durch Aufführungen seiner Werke feiern. Den offiziellen Auftakt gab der Festakt im Burgtheater, der sich fast zu einem Staatsakt mit Ministern und Exzellenzen in der vordersten Reihe und der Bundeshymne zum Abschluß entfaltete.

Burgtheaterdirektor Haeussermann erinnerte in seiner Eröffnungsansprache daran, daß Grillparzers Geburtstag nahe bei dem des Burgtheaters liege. Grillparzer selbst werde heute weniger denn je zuvor als „Klassiker” angesehen. Sein Werk, das unser Jahrhundert in die Nähe Shakespeares gerückt habe, gehöre zu den „vier Pfeilern”, die als künstlerische Dokumentation igelten sollen und auf denen das zehnjährige Arbeiitsprogramm der gegenwärtigen Direktion aufbaue. Diese vier Pfeiler seien: die antike Tragödie in neuer Form, Shakespeares Köni gsdramen, die Werke Raimunds und Grillparzers.

Die Überleitung zur eigentlichen Festrede bildete die Uraufführung eines „Symphonischen Prologs” von Franz Salmhofer, eines durchaus gefälligen, in der Tradition der Wiener Klassik wurzelnden Musikwerkes, das die Wiener Philharmoniker unter der Leitung des Komponisten exzellent darbrachten.

Uhterrichtsmiinister Doktor Piffl- Perčevič faßte in seiner Rede die schon von der literarischen Forschung in Fülle aufgezeigten Züge in Grillparzers widersprüchlichem Charakter und in seinem Werk zusammen. In der Jugend galt Grillparzer als Freigeist, den alten Mann schält man einen Reaktionär. Gewiß schauderte ihn vor den 1 ( gelassenen Dämonen in den Massen und in den Völkern, und im Nationalismus vermochte er nichts als die Wurzel kommender Katastrophen zu sehen, wie ein berühmtes Epigramm beweist: „Der Weg der neuen Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität.”

Grillparzers Wesenszüge: seine Fähigkeit, sich in andere einzuleben, das Zögern angesichts von Entscheidungen, das tiefe Mißtrauen gegenüber der Tat, die geringe Neigung zur Abstraktion im Denken, die Wahrung des Persönlichen und Privaten, sein stetig zunehmender Pessimismus — alles das, so erklärte der Redner, sei „in reicher Fülle identisch” mit den Zügen des österreichischen an sich. Durch die Thematik seiner Werke erweist sich Grillparzer nicht minder als der große Österreicher. Fast immer ist Österreich (noch auf Lesbos oder am Hellespont) der Schauplatz seiner Dramen. Er wird zum tiefsten Psychologen der Habsburgerzeit, der an die Idee der gottgewollten Ordnung glaubt, die das Heilige Römische Reich trug — ein Glaube freilich, der in Grillparzer nicht mehr ungebrochen war. Indem er eine Verbindung zwischen idealistischem und realistischem Weltbild, zwischen österreichischem Barock und österreichischem Biedermeier zu schaffen wußte, wurde sein Werk zu jenem „geistigen Brennpunkt”, dessen Ausstrahlungen „die Abgründe der Seele und die Dunkelheiten der Zukunft” zu erhellen half.

Wie sehr für den unbeirrbar reinen Künstler Grillparzer alle Idee, alles Ideelle im Maße lag, zeigten dann die Proben aus dem Werk. Ewald Baiser las aus der „Selbstbiographie” über den Besuch bei Goethe in Weimar, ein Kapitel, das nicht zuletzt von Grillparzers schöpferischem Sinn für Komik zeugte. Fred Liewehr rezitierte den Prolog zur Enthüllung des Mozart- Denkmals in Salzburg („Für Menschen, nur durch Menschen, wird der Mensch”), Käthe Gold, sehr verinnerlicht, das Gedicht „Abschied von Gastein” mit dem schon für den 27jährigen bedeutsamen Vers: „Was ihr für Lieder haltet, es sind Klagen / Gesprochen in ein freudloses AU” und „Das Rach der Kunst ist eine zweite Welt / Doch wesenhaft und wirklich, wie die erste / Und alles Wirkliche gehorcht dem Maß”). Kurt Meisei, Alexander Trojan und Heinz Ehrenfreund ließen einige bemerkenswerte Gedanken aus dem dramatischen Fragment „Hannibal und Scipio” lebendig werden. Martha Wallner sprach den Monolog aus dem vierten Akt der „Medea”, JuditH Holzmeister ahnungsvolle Sätze aus der „Libussa”. Zum Schluß rezitierte Josef Meinrad frei und völlig unpathetisch die Lobeshymne Ottokar von Homeckis auf Österreich.

Schon Hofmannsthal hatte in seiner „Rede auf Grillparzer” (1922) den zu Feiernden als „eine Gestalt von großem Emst, uns Österreichern zu besonderem Stolz und eindringlichem Trost” gerühmt und beklagt, welchen „Redeschwall” Grillparzer von den ihn verkennenden Zeitgenossen hatte erdulden müssen; er, „der mit seinen reinen Gestalten tiefere Fragen beantwortet, als jenen zu steEen in den Sinn gekommen wäre: denn um tief und bedeutend zu fragen, muß man auch anderswo Stehen als im Vorhof den Her T.iirm der Zeit erfüllt”.

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