6771009-1969_02_01.jpg
Digital In Arbeit

Ein Appell nach links und rechts

Werbung
Werbung
Werbung

In der Kirche scheinen heute nicht wenige die Frohe Botschaft des Evangeliums nicht mehr zu spüren. Gibt es nicht heute auch in der Kirche stärker denn je Unruhe, Unsicherheit, Auseinandersetzung? Hat die Frohe Botschaft ihre Kraft verloren, ist die Kirche in sich selbst unsicher geworden?

Dazu möchte ich ein Wort der Beruhigung, der Zuversicht und des Trostes sagen. Wir müssen in der Kirche ein menschliches und ein göttliches Element unterscheiden. Was uns Gott mitgeteilt, geoffenbart hat, durch Christus als Sein Reich in die irdische Geschichte eingepflanzt hat, das ist umgeben, eingehüllt durch die breite Front des Menschlichen in der Kirche. Wäre das Christentum nur Menschenwerk, dann wäre es schon längst zerfallen und zugrunde gegangen. In ihrer irdischen und menschlichen Gestalt besteht die Kirche aus Menschen mit ihren Schwächen, ihrer Unrast und ihren Sehnsüchten. In ihrer Irdischen Gestalt ist die Kirche auch der Geschichte und der Zeit unterworfen unsere Zeit aber ist eirfe Zeit der Unruhe und der Verworrenheit,

Wenn die Zeit unruhig ist — und wie unruhig sie ist, haben wir gerade im letzten Jahre gespürt —, ist es dann ein Wunder, wenn die Kirche auch davon berührt wird? Wenn die Menschen ihre Umwelt zu verändern trachten, ist es dann nicht natürlich, daß dadurch auch die Kirche in Mitleidenschaft gezogen wird? Ist doch die Kirche auch ihr Haus, in dem sie wohnen wollen. Wenn die Jugend überall in der Welt gegen den Zwang zur Anpassung an vorgegebene Formen revoltiert, warum sollte das nicht auch in der Kirche Wellen schlagen? Wenn die Menschen immer wieder mehr fragen als sonst, sollen sie da in der Kirche stumm sein? Wären sie dies, wären sie stumm, würden sie alle vorgegebenen, rein menschlichen Formen, die zum Teil Formen und Ausdrucksweisen einer vergangenen Zeit sind, widerspruchslos hinnehmen, wollten sie ihrer Kirche in dem, was menschlich und veränderlich an ihr ist, nicht die Züge ihrer Zeit aufprägen, würden sie mit ihren Sorgen, mit Unruhe und Unsicherheiten nicht auch in die Kirche kommen — dann, liebe Freunde, dann könnte dies ein gefährliches Zeichen sein, daß die Kirche tot ist und für sie nichts mehr bedeutet Wird jemand in ein Museum gehen, um sich Antwort auf die Nöte der Gegenwart zu holen? Nein. Daß die Kirche für viele Menschen heute kein Museum mehr ist, kein bloß ehrwürdiges Denkmal der Vergangenheit, sondern ihr Haus, in dem sie leben sollen, mit ihren Sorgen und Problemen, mit ihren Fragen und Diskussionen, das sollte uns nicht nur mit Sorge erfüllen, sondern auch mit Trost und Zuversicht. Wo Leben ist, da ist Bewegung, da ist Unruhe. Das weiß die Mutter, die die Bewegungen ihres Kindes unter ihrem Herzen spürt, nur der Tod ist absolute Ruhe. Die Kirche geht deswegen nicht in die Irre, weil sie vorwärtsschreitet! Sie ist das Zeichen Gottes unter den Völkern, sie darf kein Totenpfahl sein, senden ein Zeichen des Lebens. Leben aber ist Bewegung und Spannung. Es kommt allerdings darauf an.wohin diese Bewegung führt. Es kommt darauf an zu wissen, was sich verändern kann und was immer gleichbleiben muß. Im wechselnden Antlitz der Zeit müssen wir immer die gleiche Wahrheit sehen und erkennen.

Wir unterscheiden heute deutlich, was in der Kirche menschlich ist, was äußeres Kleid, veränderungsmöglich und reformbedürftig ist. Das betrifft nicht nur die äußeren Formen der Organisation, der Verwaltung und der Herrschaft in der Kirche, der Gestaltung und Sprache des Gottesdienstes; veränderlich und erneuerungsbedürftig sind für uns heute auch die zeitlichen Ausprägungen zeitloser und notwendiger Einrichtungen, wie die Ausübung und Form des Lehr- und Hirtenamtes in der Kirche, die Auswirkung und Handhabung der geistlichen Autorität. Auch die Theologie versucht in ihrer Sprache immer aufs neue der Wahrheit auf neuen und besseren Wegen näherzukommen. Unwandelbar aber ist die Offenbarung und die darauf fußende Lehre, der Kern der Frohen Botschaft Jesu Christi, unwandelbar ist der mystische Leib der Kirche, in der Christus fortlebt. In diesem Sinne wird die Kirche immer die gleiche bleilben, heute so wie gestern und morgen.

Wenn ihr euch um das Schicksal der Kirche, um den Bestand des Glaubens Sorge macht, seid nicht ängstlich und kleingläubig! Vieles muß euch ja verwirren, wenn ihr diese oder jene Meinung in der Zeitung lest — in unserer Zeit wird ja dieses Wort sensationell zugerichtet und in alle Welt hinausposaunt, oft aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch mißverständlich. Seid nicht ängstlich und kleingläubig, wenn ihr Alarmrufe von allen Seiten hört.

Es gibt natürlich Tendenzen und Behauptungen, die an die gemeinsame Basis des katholischen Glaubens rühren und sie in Frage stellen. Es gibt ohne Zweifel auch gelegentlich theologische Aussagen, über die man nicht mehr debattieren kann, weil sie den Boden des Christentums verlassen. Solchem gilt unser entschiedenes Nein.

Wenn aber die gemeinsame Basis des christlichen Glaubens gewahrt bleibt, dann darf man nicht eng sein, dann muß man auch tolerant und duldsam sein können. Diese innerkirchliche Toleranz — der rechte Glaube ist dabei immer vorausgesetzt — ist ein sicheres Zeichen jener Liebe, die Christen auszeichnen muß. Und gerade diese Haltung vermißt man heute bei den sogenannten Progressiven und Konservativen. Ist nicht bereits eine solche Abstempelung ein Zeichen dafür, daß es an der gegensätzlichen Bereitschaft zum Verstehen und zur Zusammenarbeit fehlt?

Vor 150 Jahren ist in einer kleinen Salzburger Kirche zum erstenmal das Lied von der stillen, von der heiligen Nacht gesungen worden. Dieses Lied schließt mit den Worten „Christus, der Retter, ist da“. Christus, der Retter, ist da! Und wenn Er bei uns ist, vor wem sollen wir uns dann fürchten? Er ist uns auch der Garant jenes Friedens, von dem der Heilige Vater in diesen Tagen so eindringlich gesprochen hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung