"Ein Budget wie die New Yorker Feuerwehr"

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Andreas Zumach, taz-Korrespondent bei der UNO in Genf, zum Erpressungsversuch der USA, zu dummen Rasenmäher-Reformen und einem Generalsekretär mit grober Fehleinschätzung.

Die Furche: Herr Zumach, werden nach dem 30. Juni bei der uno die Lichter ausgehen?

Andreas Zumach: So drastisch wird das wohl nicht sein; aber wenn die Amerikaner bei ihrem Zahlungsstopp bleiben und andere nicht die Finanzlücken stopfen, dann wird man Aktivitäten reduzieren müssen - in der Zentrale und was gravierender ist, auch in den humanitären Programmen von uno-Unterorganisationen.

Die Furche: Gibt es einen Ausweg?

Zumach: Die anderen 190 Mitglieder stehen vor einer klaren Alternative: Entweder sie geben den finanziellen Erpressungsmanövern der Bush-Administration nach und verraten ihre eigene Meinung in der Reform; oder sie stimmen in der Sache anders und springen dafür mit höheren Beiträgen ein, um die Finanzlücke zu füllen.

Die Furche: Haben die Amerikaner mit Ihrer Forderung nach Bürokratieabbau nicht in der Sache recht?

Zumach: Bürokratieabbau ist prinzipiell richtig, das Problem ist nur: Es gibt keinen Konsens, was die Prioritäten der uno in den nächsten 15 Jahre sind. Aber nur mit einer solchen Prioritätenliste, kann man sagen, wo gespart werden soll und wo mehr Geld und Personal nötig sind.

Die Furche: Aber diese Diskussion hat es nicht gegeben ...

Zumach: ... und der Druck der usa wirkt sich jetzt wieder so aus, dass der Generalsekretär mit dem Rasenmäher durch das gesamte uno-System geht und überall kürzt - das ist die dümmste und schlechteste Bürokratiereform, die man sich vorstellen kann.

Die Furche: Hat Annan also das Pferd von der falschen Seite aufzäumt?

Zumach: Annan hat die Stimmung in der Generalversammlung bei diesem Teil der Reform völlig falsch eingeschätzt - sonst gäbe es nicht eine derartig breite Abwehrfront des Südens.

Die Furche: Werden die Amerikaner stur auf Ihrer Meinung beharren?

Zumach: Das hängt viel mit dem Iran-Konflikt zusammen: Wenn die Verhandlungen weitergehen, dann wird die usa auf die uno als wichtiges Forum setzen; in der Geld-und Reformfrage könnten die Amerikaner dadurch nachgiebiger werden, um gute Stimmung zu machen. Das ist ein wahrscheinliches Szenario, festlegen möchte ich mich darauf aber nicht.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Gerhard Pfanzelter, Österreichs Botschafter bei der UNO in New York, sieht die Vereinten Nationen als "Herz des Multilateralismus" und wünscht sich eine Frau UN-Generalsekretärin.

Die Furche: Herr Botschafter, die un-Reform steht - ein Zeichen, dass die uno an Durchsetzungskraft nach innen und außen verliert?

Gerhard Pfanzelter: Nein, das denke ich nicht. Ich bin felsenfest überzeugt, dass die uno unersetzlich ist. Sie ist die wichtigste Plattform der internationalen Zusammenarbeit, sie ist das Herz des effektiven Multilateralismus.

Die Furche: Bei den eigenen Institutionen wird der uno genau diese Effektivität abgesprochen?

Pfanzelter: Die uno hat weit weniger Bürokratie als andere internationale Organisationen; sie hat aber viel mehr und viel umfassendere Aufgaben. Um die Dimensionen besser einordnen zu können: Die uno arbeitet mit einem ähnlich großen Budget wie die New Yorker Feuerwehr.

Die Furche: Worin sehen Sie dann den Hauptzweck von Kofi Annans Reformbestrebungen?

Pfanzelter: Der Herr Generalsekretär hat in seiner Amtszeit schon eine Reihe von Reformen in Gang gesetzt, die teilweise zu positiven strukturellen Veränderungen führten. Das vermehrte Auftreten ernsthafter Probleme in letzter Zeit - denken Sie an den "Oil for Food"-Skandal oder die Vorfälle von sexuellen Übergriffen in manchen Friedensmissionen - zeigt aber, dass Ad-hoc-Reformen nicht ausreichen, sondern eine grundsätzliche Strukturreform vonnöten ist. Besonders die usa üben in diese Richtung einen großen politischen Druck aus.

Die Furche: Im Herbst wird ein neuer Generalsekretär gewählt. Wer hat Chancen, es zu werden?

Pfanzelter: Eines ist klar: Es wird ein Kandidat aus Asien oder Osteuropa zum Zug kommen. China und Russland tendieren eher zu einem Kandidaten aus Asien. Aber auch Kandidaten aus Osteuropa, wie der ehemalige polnische Präsident Kwasniewski, werden genannt.

Die Furche: Und Bill Clinton?

Pfanzelter: Ein ungeschriebenes Gesetz besagt: Bürger der ständigen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats sollen nicht kandidieren.

Die Furche: Wird es erstmals eine Frau Generalsekretär geben?

Pfanzelter: Man munkelt, dass die lettische Staatspräsidentin, Vaira Vike-Freiberger interessiert ist. Ich würde eine Frau an der Spitze der uno sehr begrüßen.

Das Gespräch führte Heike Warmuth.

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