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Ein Ehedrama im alten Stil

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Die Uraufführung 1850 in Triest war nicht gerade ein durchschlagender Erfolg. Das war nur ein Jahr vor „Rigoletto”. Aber auch der Neuauflage als Kreuzrittertragödie „Aroldo” 1857 in Rimini war nicht mehr Glück beschieden: Giuseppe Verdis „Stiffelio”, von der Kritik geschmäht, vom Publikum vergessen, erlebt erst im 20. Jahrhundert eine kleine Renaissance. Nach London, Venedig, Mailand, New York und Graz steht die Rarität in der Wiener Staatsoper auf dem Programm. In der antiquierten Produktion von 1993 für die londoner Covent Garden Oper.

„Stiffelio” ist ein krisengeschütteltes Werk. Francesco Maria Piaves von der Zensur malträtiertes und gezaustes Libretto, das Ehedrama eines protestantischen Predigers im Tiroler Zil-lertal, ist ein Appell an die Menschlichkeit. An die Gattenliebe, die mit Herzensgute verzeiht. Verdi konnte dem Sujet trotz effektvoller Chorszenen keine musikalische Größe verleihen. Daran ist nicht allein die politische Wirklichkeit zur Zeit der Uraufführung schuld: Die österreichische Zensur und die kirchliche Doktrin gegen die Ausbreitung des Protestantismus rief Italiens Nationalisten auf den Plan. Verdi gönnte „Stiffelio” eine Menge stimmlich anspruchsvoller Attacken und Möglichkeiten zu te-noraler Bravour - nur eine Arie gönnte er der Hauptfigur nicht. Jose Car-reras bemüht sich glanzlos um Durchschlagskraft. Aber um in der Rolle adäquat zu sein, müßte er auch mit Verdis „Othello” zu Rande kommen. Die Stars des Abends waren Mara Zam-pieris Lina und Renato Brusons Stan-kar: Sie ist eine Ehefrau, die verzweifelt um Vergebung für den Ehebruch bettelt. Stimmlich präsent, mit makellosen Höhen und ihrer ganz persönlichen Vorliebe für Wärme und Innigkeit. In der Charakterisierung der Figur wie im Gesang einer äußerst heiklen Partie souverän. Bruson ist Graf Stankar, der zwischen Milde und Wut schwankt: Seine Bühnenpräsenz und sein wohlklingender voller Baßbariton geben dem verzweifelten Vater, der die Ehe der Tochter wie die Familienehre retten will, menschliche Züge. Daß er ihren Liebhaber Raffae-le (Rüben Broitman) „richtet”, verzeiht man. Fabio Luisi hat das lauwarme Opernwerk solide einstudiert. Er bemüht sich um aufregend musikalische Momente. Aber schon bei der wenig überzeugenden Ouvertüre klingen Unsicherheiten bei den Bläsern durch. Luisis routiniertem Umgang mit großen Kantilenen gelingt in einigen Äugenblicken Dramatik und Spannung. Imponierend die Chorszenen: Der Wiener Staatsopernchor, perfekt einstudiert von Johannes Meister, machen den Abend doch noch zu einem musikalischen Ereignis. Inszenierung und Ausstattung wurden einem Gala-Abend kaum gerecht: Die Sektierer im Laura-Ashley-Stil mit Rüschenkragen und Blümchenmuster (Kostüme: Peter J. Hall) wirken ebenso verstaubt wie das Bethaus des Bühnenbildners Michael Yeargan. Elijah Moshinskys Inszenierung paßt sich dem antiquierten Ambiente an. Durch seine opernerprobten Posen und Gesten wird die verworrene Eifersuchtgeschichte, in der Liebesbriefe zwar geschrieben, aber nicht übermittelt werden, nicht klarer und dramatischer, die Duelle nicht spannender und das endgültige Verzeihen Stiffelios nicht berührender. Verdis Figuren sind verblaßt, sie verschwinden in einer Opernklamotte. Statt dieser Dekors wären ein paar Stühle und ein Holzkreuz für die aufgebotenen Sänger wohl geeigneter gewesen als der anglo-amerikanische He'imatstil.

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