Ein Friedensprofessor, der den Titel zurecht führt

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Ernst Schwarcz zählt zu den Menschen, die Politik von einer festen, ethisch und religiös begründeten Position nicht nur beurteilen, sondern zu beeinflussen, also "zu machen" versuchen. Schwarcz ist der in Österreich eher selten gesäten Spezies der konsequenten Pazifisten zuzuzählen: Schwarcz ist überzeugter Pazifist in der Tradition William Penns. Schwarcz ist Quäker.

Doch Schwarcz, der am 15. Juli 1923 als Sohn eines jüdischen Wiener Verlegers geboren wurde, ist vor allem auch ein engagierter Bürger Österreichs, Europas und der Welt. Er mischt sich ein - wie sein Vater als Verleger und als Autor. Er ist Citoyen - und nicht Bourgeois. Für ihn ist die Politik seine, weil aller Angelegenheit. Die Politik, der er sich widmet, ist die Politik des Friedens. Und seine Arbeiten zum gewaltfreien Widerstand stehen in der Tradition Mahatma Gandhis.

Schwarcz, der vor den Nazis nach Schweden fliehen konnte, kommt nicht nur aus der Tradition des William Penn. Er war und ist aktiv in den von den Namen Bertrand Russell und Albert Einstein definierten internationalen Friedensbemühungen, die in den Jahrzehnten nach 1945 sich vor allem im Rahmen der Pugwash-Konferenzen artikuliert haben.

"Frieden machen, statt Kriegführen": Diesem Motto von Ernst Schwarcz ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der Friede ist das Ziel jeder sowohl ethisch vertretbaren als auch im Sinne einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse vernünftigen Politik. Und Friede muss "gemacht" werden, muss politisch geschaffen werden, kommt nicht von selbst, auch nicht als Produkt guter Wünsche. Friede fällt uns nicht in den Schoß.

Das Problem ist, wie dieses Ziel erreicht werden kann, was die Politik ist, die zum Frieden führt? Diese Frage, Schwarcz' zentrale Frage ist nicht ausdiskutiert und wird vielleicht nie ausdiskutiert sein: Kann es nicht, im Sinne des Friedens, unter Umständen notwendig sein, Krieg zu führen? Gibt es nicht, etwa aus der Sicht polnischer Partisanen nach 1939, aus der Sicht der amerikanischen Demokratie nach 1941, aus der Sicht eines antikolonialen Befreiungskampfes in Algerien nach 1954, eine ethische Rechtfertigung von "gerecht" definierter Gewalt? Wie steht es mit der Gewalt derer, die bereit waren, am 20. Juli 1944 Menschen - auch "Unschuldige" - in die Luft zu sprengen, weil sie so ein Unrechtssystem und einen ungerechten Krieg zu beenden hofften? Vor dem Hintergrund dieser Fragen können zum Beispiel Schwarcz' kritische Anmerkungen zur Politik der USA und der NATO gegenüber Jugoslawien heftig diskutiert werden. Die etwa von Friedensforscher Johan Galtung konzipierte Unterscheidung zwischen "positivem" und "negativem" Frieden kann sehr wohl zur Rechtfertigung einer die Menschenrechte in den Mittelpunkt rückende Friedensorientierung und damit einer auch militärische Mittel einsetzenden Intervention in die "inneren Angelegenheiten" eines Staates herangezogen werden.

Atomare Gefahr im Blick

Nicht zufällig hat Bill Clinton auf seiner letzten Afrika-Reise als US-Präsident sich in Ruanda dafür entschuldigt, im Frühjahr 1994 keine US-Truppen zur Unterbindung des schrecklichsten Genozids seit 1945 geschickt zu haben.

Doch unabhängig, wie die Analysen der verschiedenen Konflikte aussehen könnten: Schwarcz provoziert unterschiedliche Antworten, weil er die richtigen Fragen stellt. Und Schwarcz stellt deshalb die richtigen Fragen, weil er diese in Zusammenhang mit den alles in den Schatten stellenden atomaren Gefahren bringt. Eine falsche Antwort heute hat ganz andere, weil menschheitsbedrohende Konsequenzen als eine falsche Antwort 1914 oder auch noch 1939. Ernst Schwarcz führt den Titel "Professor" zu recht. Denn dieser Begriff hängt mit "Bekennen" zusammen. Und Ernst Schwarcz ist ein Bekenner. Ad multos annos!

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