Ein "Hinternationaler" erklärt Europa

Werbung
Werbung
Werbung

Der traut sich was", denkt sich der Rezensent, als ihm bei der verregneten Fronleichnamsprozession der EU-Regenschirm eines Teilnehmers ins Auge sticht. Denn solche, die in diesen EU-politisch recht stürmischen Zeiten noch unter dem himmelblauen Schirm mit den zwölf Sternen Zuflucht suchen, sind rar geworden. Einer von ihnen, der sich auch was traut, und der sich unter dem EU-Schirm nicht versteckt, sondern diesen hoch in die Luft reckt, damit noch mehr darunter Platz hat, ist Erhard Busek.

Sein neues Buch, "Eine Reise ins Innere Europas", sei deshalb gerade in diesen Tagen als Lektüre empfohlen. Um einen Kontrast zu den Krawallbildern aus Göteborg zu erhalten, um andere Töne, als nur die FP-Volksabstimmungsforderungen zur EU-Erweiterung im Ohr zu haben.

"Protokoll eines Österreichers", der Untertitel des Buches greift eigentlich zu kurz. Zum einen handelt es sich beileibe nicht bloß um ein Protokoll. Buseks Reisebericht ist (s)eine Liebesgeschichte mit und über Europa, getreu dem Mythos von Europa. Zum anderen ist Busek nicht nur Österreicher. Er ist ein typischer "Hinternationaler", einer, der "hinter den Nationen lebt, ohne sich selbst voll mit irgendeiner zu identifizieren", um damit "nicht zu neuen Unterscheidungen und Trennlinien zu greifen".

Diese alten und neuerdings für eine Politik der Ausgrenzung und des Relativismus wieder aufgerissenen Gräben in Europa und zwischen den Europäern überschreitet Busek auf seiner Reise. Nicht indem er sie leugnet, ignoriert, großspurig an ihnen vorbeifährt. Busek ist zu Fuß unterwegs. Jeder alte und neue Graben ist für ihn ein ernstes Hindernis, braucht Zeit, braucht Erklärung, braucht Argumente. Aber Busek nimmt sich die Zeit, erklärt, argumentiert und auch die Leser müssen sich die Zeit nehmen. Damit auch die bisher auf dem Weg in und immer noch nach Europa Vergessenen zu Wort kommen können. Die Juden, die Werte, die Glasperlenspieler Europas - wo sind sie, warum sind sie nicht mehr oder noch nicht da?

Wichtig zu erwähnen, dass Buseks Europareise keine Traumreise ist. Visionen ja, Träumereien nein - dazu kennt der Autor das tägliche Ringen um ein handlungsfähiges Europa viel zu gut. Auch Visionen von einem Österreich, schildert der Regierungsbeauftragte für die EU-Erweiterung, dass seine Chance, Tor Ostmitteleuropas zu sein, besser und nachbarschaftlicher als bisher nutzt.

Die verregnete Fronleichnamsprozession stand am Anfang: Christus in der Welt. Was Busek auf wenigen Seiten über das Verhältnis von Politik und Glaube, Marktplatz und Tempel schreibt, ist in solcher Klarheit und Überzeugungskraft selten: "Wir haben als Christen die Pflicht, die Welt zu gestalten, die Welt als Welt radikal ernst zu nehmen und alle falschen Sakralisierungen in der Politik, in der Wissenschaft, im sozialen Lebensvollzug als Götzendienst zu entlarven." Eine Textprobe aus Buseks Reisebericht, der als Ganzes davon Zeugnis gibt, dass man unterwegs nach rechts und links, voraus und nach hinten, nach unten auf den Weg und - nicht zu vergessen - nach oben in den Himmel schauen soll.

W. Machreich Eine Reise ins Innere Europas. Protokoll eines Österreichers.

Von Erhard Busek, Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2001, 303 Seiten, geb., öS 328,-/e 23,84

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung