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Ein idealer Ort

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Ein Blick in die Statistik zeigt, daß die Kriminalität vor allem ein städtisches Phänomen ist. Die Gründe dafür sind Thema des folgenden Gesprächs.

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Ein Blick in die Statistik zeigt, daß die Kriminalität vor allem ein städtisches Phänomen ist. Die Gründe dafür sind Thema des folgenden Gesprächs.

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DIEFURCHE: Gibt es besondere Aspekte der städtischen Kriminalität GENERALDIREKTOR MICHAEL SIKA: Da ist zunächst die Anonymität der Stadt. In ihr gedeiht die Kriminalität. Auch leben in der Stadt die Menschen enger beisammen und das schafft Konfliktsituationen. Daraus entstehen Aggressionen. Sie sind der Nährboden für die Kriminalität. Dazu kommt, daß viele junge Menschen unter ungünstigen Umständen heranwachsen. Was veranlaßt etwa Volksschüler zur Droge zu greifen? Sieht man sich die Situation näher an, erkennt man, daß die Eltern meist nur zeitweise zu Hause sind, sich nicht tun die Kinder kümmern, sich durch großzügiges Taschengeld freikaufen und sie dem Femsehen überlassen. Derm die Familien sind eben im ländlichen Raum größer und eher intakt. Kaputte Famuien -da hegt schon der Keim für Kriminalität drinnen.

DIEFURCHE: PFelche Art von Kriminalität kann man als typisch städtisch bezeichnen?

SlKA: Das kann nicht nur eine Kriminalität durch Körperverletzung oder Bedrohung, sondern auch eine Diebstahlskriminalität sein. Es gibt nämhch im Ballungsraum viel mehr Gegensätze als auf dem Land. In der Stadt leben arme und reiche, gescheite und dumme, aggressive und friedliche Menschen eng auf einem Fleck zusammen. Und das ergibt Spaimungen, was wiederum Kriminalität fördert. Schon aus diesem

Grund ist der Ballungsraum wesent-hch problematischer. Hier in Österreich nicht so sehr wie in anderen Ländern, vor allem in den USA. Insbesondere dort sind die Ballungsräume schreckhch. Ich glaube alles in allem, daß Städte eine unglückselige Sache sind.

DIEFURCHE: Nimmt die Kriminalität in den Städten auch rascher zu? SlKA: Ja. Gewisse Deliktsformen sind ja am Land überhaupt nicht möghch,

etwa der Taschendiebstahl. Dieser kaim nm verübt werden, wo Menschen eng beisammen sind, etwa in Massenverkehrsmitteln oder in einem Fußballstadion. Oder der Au-toeinbmch, auch er ist im ländüchen

Raum nicht so leicht möglich wie in der Stadt. Sie bietet dem Kriminellen viel mehr Möghchkeiten.

DIEFtJRCHE: Stagniert die Kriminalität also am LaruP SlKA: Es ist festzustellen, daß die Kriminalität vor allem in den Fremdenverkehrsgebieten stark steigt. Da gibt es sehr viele Diebstähle. Außerdem nimmt dort die Suchtgiftkriminalität zu, weil sich in Fremdenverkehrsorten vermehrt Nachtclubs imd Discos etablieren. Dort bringt man das Gift leichter \mters Volk. Diese Entwicklung bereitet uns Sorge. Überhaupt verhert der ländhcne Raum durch die Zersiedelung seinen Charakter. Es entstehen stadtähnliche Verhältoisse, die Kriminalität begünstigen. Jedenfalls steht fest: Wo es dichte Besiedelimg gibt, gibt es auch mehr Kriminalität: Einerseits, weil für die Kriminellen mehr Möglichkeiten gegeben sind, und andererseits weil es von Haus aus mehr Sparmuiigen zwischen den Menschen gibt. Selbstverständhch ist auch die organisierte Kriminalität ein städtisches Phänomen.

DIEFURCHE: Milete man also Überschaubarkeit fördern? SlKA: Natürhch. Aber es wird wohl eine Trendwende nicht geben können. Was zersiedelt ist, bleibt eben zersiedelt.

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