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Ein neues Gesicht

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20 Jahre Katholische Jugend sind gewiß ein Anlaß zum Feiern, 20 Jahre Katholische Jugend sind aber auch ein Anlaß zur Besinnung, zum Überdenken der bisher gegangenen Wege, zum Aufbruch nach neuen Ufern.

Der Bundesfühnungskreis der Katholischen Jugend hat im März 1566 ein neues Statut beschlossen. Statue sind nicht nur Papier, sondern sie sind auch der Niederschlag einer geistigen ’Entwicklung. Das Kind der Nachkriegsjahre ist zum Jüngling geworden, der sich in einer veränderten Welt und einer veränderten Kirche einen neuen Platz suchen muß.

In diesen Tagen schicken sich nun 160 Delegierte der Katholischen Jugend in St. Pölten an, dieses neue Statut und seine Auswirkungen zu überdenken — sie werden die Weichen für das dritte Jahrzehnt stellen.

Katholische Jugend ist Kirche

Wer immer über die geistigen Veränderungen innerhalb der Katholischen Jugend spricht, nennt zuerst die Auswirkungen des vor und im Konzil gewandelten Kirchenbiidee in der Katholischen Jugend. Hatte es im alten Statut noch geheißen „Katholische Jugend ist Jugend der Kirche“, und hatte man dahinter den Totali- tätsanspruch gespürt, allem von den Bischöfen mit dem Apostolat in der Jugend beauftragt zu sein, so äst dieser Totalitätsanspruch jetzt weggefallen. Es heißt jetzt einfach „Katholische Jugend ist Kirche“. Diese Entwicklung mag wohl dadurch bedingt sein, daß es im Lauf der 20 Jahre einfach nicht möglich war, im innerkirchlichen Pluralismus diesen Totalitäteanspnueh durchzusetzen, ja daß man es in richtig verstandener innerkirchlicher Toleranz heute auch nicht mehr will, vor allem aber liegt der Grund dieser Änderung auch im neuen Bewußtsein der Laien, nicht nur ein Instrument in der Hand des Klerus ( Jugend der Kirche), sondern selbst, ein Teil des Volkes Gottes zu sein (KJ ist Kirche).

Bewußter als vor zwanzig Jahren weiß sich die Katholische Jugend heute als Katholische Aktion. Katholische Aktion zu sein ist noch ein sehr junges Gefühl innerhalb breiterer Kreise der Jugend; ein Beweis für das Fehlen dieses Momentes in der Vergangenheit ist die geringe Mitgliederzahl ehemaliger Angehöriger der Katholischen Jugend bei den Erwachsenengliederungen der KA. Man kann sagen, daß hier ein gewisser Anstoß gerade von den Studierenden und von den Akademikern her gekommen ist, die Vertikale in der KA stärker zu betonen. Man wird die weitere Entwicklung abwarten müssen, denn noch stehen die Methoden nicht fest, die Lücke zwischen dem Jugendlichen und dem jungen Erwachsenen, der die ersten Jahne seines Berufslebens und seiner Ehe hinter sich hat, zu schließen. Ein Weg scheint hier in einer verstärkten Hinwendung zur Seelsorge an Verlobten und jungen Familien au liegen. Trotzdem hat die Katholische Jugend eine Reihe von heute

Katholischen Aktion hervorgebracht und auch wesentliche Inhalte der Katholischen Aktion mitbes timmt: Laienführung, Apostolatsauftrag, Parteipolitische Unabhängigkeit usw.

Mit und nicht gegen die Welt

Die Katholische Jugend hat viel von ihrem idealistischen Zukunfts- glauben der ersten Nachkriegsjahre verloren. Sie will nicht mehr ein neues Reich neben Staat und Gesellschaft bauen, sondern sie bemüht sich heute stänker', sich in den Dienet dieses, ,jihres“ Staates izu stellen. Die harten Realitäten der Aufbauarbeit nach dem Krieg haben gezeigt, daß es mit der „Weibveränderung“ nicht so einfach ist. Und wenn diese Welt

verändert worden soll, in Christus neu (gestaltet werden soll, dann geschieht das besser in Verbindung mit den Erscheinungen dieser Weit als

gegen sie. Der Versuch einer Integration bei Beibehaltung der grundsätzlichen Ziele findet seinen Ausdruck in einem Zurückdämmen der demonstrativen Formen. Nicht mehr das machtvolle Auftreten, sondern der andere neben mir, der Christ, der Niurgetaufte und der. Nichtge- taufte treten stärker in den Blickpunkt.

Diese neue Haltung hat bereits in manchen Methodenänderungen ihren Ausdruck gefunden, wenn auch hier noch nichts Endgültiges gewonnen ist. Gerade in der Methodenfrage ist eine gewisse Unsicherheit zu bemerken. Man beginnt die Welt zu beobachten, man stellt sich auf den anderen ein. Man fragt, was brauchen die Jugendlichen neben mir, im Betrieb, in der Schule, und erst dann wird die Antwort formuliert. Ein mühsamerer Weg als der frühere, aber ungeheuer fruchtbarer. Katholische Jugend von heute ist aus dem Ghetto herausgetreten.

führenden Pewsonllichkedten der

Informelle Gruppen und Klubs

Die Suche nach neuen Methoden hat zu einer stärkeren Anerkennung der informellen Gruppen geführt. Nicht mehr das Hineinholen in die kleine Gruppe ist der erste Schmitt, sondern das Hinausgehen, das Anknüpfen eines Gespräches mit der Welt. Man nimmt in Kauf, daß der Erfolg dieser neuen Arbeitsweisen nicht wägbar und meßbar ist, nicht in Zahlen von Gruppenmitgliedem ausgedrückt wenden kann, aber man weiß, daß diese neue Methode viel wirksamer werden kann durch die Erfassung größerer Kreise und. 'durch den Versuch, den anderen im Gespräch zum eigenen Denken au bringen. Man will heute den Jugendlichen nicht aus seiner Weit heraus- bolen und ihm ein neues Reich neben seinen vielen, bisherigen aufbauen, sondern hineingehen in die natürlichen Gemeinschaften, Familie, Schule, Betrieb, Freizeitraum. Nicht mehr die festen Gruppenstunden in Pfiarrheimen sind der Weg zu den jungen Menschern sondern die Schaf

fung einer jugendgemäßen Atmo- späihre in geeigneten Räumen, an deren Ausgestaltung die Jugendlichen selbst Anteil haben, die allen den ganzen Nachmittag und Abend offen,stehen, die aber geprägt sind von einer kleinen Zahl -bewußter Mitanbeiter.

Die neuen Formen der Bildungs- und Erziehungsanstalt warfen auch die Fragen nach einer „sekundären“ Führungsschichte auf. „Jugend führt Jugend“ war das Schlagwort der Nachkriegszeit, aber ein Neunzehnjähriger kann einem Fünfzehnjährigen wohl Freund sein, nicht aber ein Haus leiten, einen Bildungsplan erstellen oder die so notwendige geistige Kontinuität in der Arbeit sichern. Ehemalige Mitglieder der Katholischen Jugend, die die Probleme kennen, könnten diese sekundäre Fühirungssehicht bilden, als einen Dienst an der Jugend, die für sie selbst einmal -bestimmend gewesen ist.

Aach daa religiöse Bäd der Katho

loschen Jugend hat in den letzten 20 Jahren einen Wandel mitgemacht, der nicht unwesentlich durch den Weg der Kirche in dieser Zeit bestimmt war. Überall bei den Veränderungen innerhalb der Jugend stößt man auf die Spuren des Zweiten Vatikanischen Konzils, nirgends aber mehr als hier. An der Spitze der religiösen Inhalte in Führungsschichten und Mitgliederkreisen steht das Bewußtsein um eine lebendige Liturgie. Gerade die Katholische Jugend hat maßgeblich mitgeholfen, die Neuerungen des Konzils in die Praxis umzusetzen, wenn das auch manchmal nicht ohne Schwierigkeiten vor sich gegangen ist, ja gar nicht gehen konnte! Hat nicht die

Frage der neuen Gestaltung der Kirchenmusik die Gemüter österreichischer Katholiken erhitzt und damit gerade das erreicht, was die Jugend wollte, nämlich, daß man über Liturgie spricht, sie ständig neu erarbeitet und nicht al etwas Gegebenes

hinnnimmt.

Mündige Laien

Die Jugend ist kritischer geworden. auch in religiösen Frage !. Die Fragen des Konzils, die verstärkte Beschäftigung mit der Bibel haben eine fragende Genaration hervorgebracht, mündige Laien im Bereiche

einiges zu erwarten ist, ist die Frage -der Bildung des Seelsorgers für die Jugendarbeit vor allem eine Sache des Kontaktes mit der Jugend, der so eng als möglich sein soll. Gelegentliche Studientage sind hier nur Tropfen auf den heißen Stein. „Von den Bischöfen beauftragt“, suchen die höheren Führungen der KJ auch in ständigem Kontakt mit ihren Oberfiiirten sich deren Zustimmung au ihren Experimenten zu sichern. Die Anliegen der Jugend werden wohlwollend geprüft, die Jugend genießt hier sehr viel Freiheit, und wenn alles gut gegangen ist, auch die bischöfliche Billigung. Der mündige Laie wird hier ernster genommen als vielleicht auf manchen unteren Ebenen.

1948 wurde die Miheugl jede rung der Katholischen Jugend durchgeführt, eine Entwicklung, die etwa 1954 ihren Höhepunkt erreichte: die Gliederungen der Katholischen Arbeiterjugend, der Katholischen Landjugend und der Katholischen

des Glaubens. Die Katholische Jugend heute verlangt von ihren Seelsorgern mähr als früher. Einerseits ist der Seelsorger wirklich zum Assistenten geworden, au der Führerstellung weit®ehend verdrängt, anderseits muß er theologisch mehr bieten, sich auch unangenehmen Fragen stellen und sich auf ein partnerschaftliche Verhältnis mit der Jugend einstellen. Besonder im Bereich der Mädchenseelsorge bleibt hier noch einiges aufzuholen. — Vor allem aber ist das eine Frage der Priesterarziehung! Die Wünsche der Jugend sind hier groß. Wenn auch von dem in manchen Diözesen eingeführten Pastoraljahir der Diakone

Mittelschuljugend (heute Katholische Studierende Jugend) wurden geschaffen und damit das Sorgenkind der Katholischen Jugend. Man kann die Milieufrage als das nicht gelöste Problem innerhalb der Katholischen Jugend bezeichnen.

Ihren Ausdruck findet diese Tatsache darin, daß es kaum eine Brücke gilbt zwischen den Aussagen über die Katholische Jugend als ganzes im neuen Statut und den Aussagen der Gliederungen. Vielleicht hat man zu wenig bedacht, daß die Zeitenitiwicklung über die MilieugHederung hinweg gegangen ist, daß heute viel mehr Gemeinsamkeiten zwischen Stadt und Land, zwischen Arbeitern, Angestellten und Studenten bestehen: Bedenken wir nur welche Generalisierung durch Fernsehen und Film, durch die Motorisierung und überhaupt durch die moderne Konsumgesellschaft eingetreten ist. Stadt und Land werden immer stärker miteinander

verknüpft, die Milieuunterschiede immer mehr nivelliert.

Anderseits ist kaum etwas geschehen, um den jungen Menschen von seinem Beruf her anszusprechen, also das Berufsmilieu zu erfassen und nicht so sehr das Lebensmilieu, wenn sich auch eine leichte Hinwendung zur personellen Seelsorge auf Kosten der territorialen Seelsorge abzeichnet. Hier den richtigen Weg au finden, wird eines der entscheidenden Probleme der nächsten Jahre sein.

Hat die Katholische Jugend eine politische Bedeutung?

So gestellt, kann die Frage nicht mit einem Ja oder Nein -beantwortet werden. Politischer Verband ist sie nicht und will sie auch nicht sein. Wenn es aber darum geht, ob sie politisch ernst genommen wird, so muß diese Frage bejaht werden: Es macht eben immer noch Eindruck, wenn 6000 Burschen und Mädchen bei einem Fackelzug über den Ring marschieren. Aber das ist vielleicht nicht das Entscheidende — wichtiger ist, daß ehemalige Mitglieder der Katholischen Jugend und Jungschar etwa in den Bereichen der Volksbildung, des Journalismus und der Kommunalpolitik eine gewisse Rolle

spielen. In höheren politischen Funktionen findet man nur noch vereinzelt Vertreter, die aber dann durch ungeheuren Fleiß und viel Arbeit diese Positionen erreicht haben. Von großer Bedeutung ist auch die Stellung der Katholischen Jugend im österreichischen Bundesjugendring wo sie immer wieder für das Gespräch zwischen den Gruppen eintritt, im katholischen Bereich, mit den anderen Konfessionen und auch mit den weltanschaulichen Gegnern.

Man wirft -heute manchmal der Katholischen Jugend Konzeptlosi-g- keit und Mangel an Wagnis vor. Da mag von außen so aussehen. Aber hat man der Kirche des II. Vaticanums nicht das gleiche vorgeworfen? Die Dinge sind eben in Fluß geraten, die neuen Positionen noch nicht gefunden, und dennoch kann man sagen, daß die Katholische Jugend ihr Ziel klar vor Augen hat, daß sie ihr neues Gesicht, wenn auch erst in Umrissen, gefunden hat.

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