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Ein Politiker, der sich immer am Menschen orientierte

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Beharrlichkeit, Leidenschaft und Augenmaß: drei Tugenden, die nach Max Weber einen guten Politiker auszeichnen sollen. Auf die gesunde Mischung kommt es an, weil I .eidenschaft sehr leicht und zu oft das Augemaß verlieren läßt; weil die Politik in ihrer tagesbezogenen Kurzatmigkeit Feind der Beharrlichkeit ist. Rertram Jäger, der am 22. Oktober seinen 65. Geburtstag feierte - in der FURCHE (42/1994) wurde es kurz vermerkt - hat diese Tugenden nahezu ideal in sich vereint. Mit ein Grund dafür, daß Jäger über alle Parteigrenzen hinweg Achtung und Wertschätzung genießt.

Bertram Jäger, von Juli 1987 bis zu seiner kürzlichen Verabschiedung Präsident des Vorarlberger Landtages, seit 1976 Mitherausgeber der FERCHE, paßt so gar nicht in das Zerrbild, das heute die Öffentlichkeit vom Politiker als machthungrigen, skandalumwitterten und privilegienbesessenen Karrieristen entworfen hat. Aufgewachsen als zweites von acht Kindern eines Bürser Schneidermeisters, maturierte er 1949 am Paulinum in Schwaz, begann 1950 als Hilfsarbeiter in der Bludenzer Textilfirma Getzner und avancierte nach Absolvierung eines HAK-Abiturientenkurses zum Angestellten: bis November 1969 Werksschriftleiter sowie Sachbearbeiter für Ausbildungsfragen und das betriebliche Vorschlagswesen des Unternehmens.

Von der Katholischen Arbeiterjugend — viele Jahre deren Gebieteführer - geprägt, engagierte er sich für seine Kollegenschaft, wurde bereite 1950’ Angestelltenbetriebsrat, vier Jahre später Betriebsratsob- mann in der Textilfirma, immer bereit, dazuzulernen: unter anderem - und mitprägend für seinen weiteren Lebensweg - besuchte er 1960/61 die Katholische Sozialakademie in Wien.

Seine politische „Karriere“ begann er 1956 als Gemeindevertreter in Bürs, später - nach Übersiedlung - in Bludenz, ab 1964 gehörte er bis zuletzt dem Vorarlberger Landtag an. Als „schwarzer“ Jäger im dereinst ausschließlich „roten“ Revier wurde er schlagartig 1969 als erster nichteozialistischer Präsident der Arbeiterkammer bekannt - und beliebt. ÖAAB-Fraktionsführer in der AK, ÖAAB-Landesobmann, ÖAAB- Bundesvize, ÖVP-Parteiobmann- Stellvertreter - Alois Mock ein loyaler Weg- und Kampfgefährte - waren weitere Stationen.

Der Politiker Jäger hat sich dabei nie an einer Institution, sondern immer am Menschen orientiert, immer auf der Seite der sozial Schwachen, etwa auch dann, wenn es galt, gegen Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Gastarbeitern aufzutreten. Das war sein „Erfolgsgeheimnis“ in der Politik. Und dazu: Kontaktfreudigkeit, Glaubwürdigkeit, Bescheidenheit, Solidarität und Toleranz, aber auch Mut, wohltuend abgehoben vom Hochmut, der Politik oft in Mißkredit bringt. Ein lebensfroher und lebensbejahender Mensch, dem die Frohbotschaft seines Glaubens ins Gesicht geschrieben steht.

Bertram Jäger, seit 1958 verheiratet, Vater von vjer Töchtern und zwei Söhnen, zudem „begeisterter“ Großvater, ist auch ein Familienmensch. Familiär und herzlich auch als Freund, als solcher auch der FURCHE und ihrem Team persönlich und menschlich über viele Jahre verbunden.

Von der aktiven Politik hat Bertram Jäger jetzt Abschied genommen. Ruhestand? Davon wird bei ihm keine Rede sein. Verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen zur Kirche Lateinamerikas sind es nicht allein, die ihn konkrete Projekte verfolgen und unterstützen lassen, wo Menschen Hilfe brauchen, wo Not am Mann ist.

In gleicher Weise engagiert er sich beispielsweise auch leidenschaftlich für das von Pater Georg Sporschill initiierte Hilfsprojekt für die Straßenkinder von Bukarest: mit steter Beharrlichkeit, ungebrochener Leidenschaft und Augenmaß für die Nöte.

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