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Ein Schritt zur Selbsterkennntnis

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Die Untaten der Sklavenjäger und des Kolonialismus waren bis vor nicht langer Zeitdie bestimmenden 'Themen afrikanischer Romanautoren. Der Sicrra-Leonese Syl Cheney-Coker geht einen großen Schritt weiter. Sein Roman „Der Nu-bier" beginnt mit der Geschichte eines zum 'Tod verurteilten afrikanischen Generals von heute, der vergeblich versuchte, sich gegen die Korruption der herrschenden Schicht au f-zulehnen.

Der Staat Malagueta, in dem er seine Geschichte spielen läßt, steht in der Absicht des Autors für den afrikanischen Staat von heute. Konkret han delt es sich um Sierra I.eone, ursprünglich, wie Liberia, eine Gründung von befreiten amerikanischen Sklaven, dann jedoch von Großbritannien erobert.

Am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg nahmen auf der einen wie der anderen Seite Sklaven in der I loff nung teil, damit ihre Freilassung zu erringen. Zwei Gruppen finden sich nach vielen Irrläufen im künftigen Malagueta, im Afrika ihrer Ahnen wieder, um ein Leben in Freiheit auf zubauen. Ahnliches ist vielleicht schon geschrieben worden. Von vor neherein angenehm berührt jedoch im „Nubier" die realitätsnahe Zeichnung von Weißen wie von Schwarzen. Der Liebhaber von esoterischen Gei-stergeschichten kommt ebenfalls gut auf seine Rechnung. Der Titel „Nubier" verweist auf eine der Figuren des Romans, einen Mann, der, mit magischen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet, aus Omdurman stammend, durch den Kontinent gewandert und bei den Siedlern gelandet ist. Man weiß nicht recht, ob als Geist oder als Lebender, gibt er immer wieder Schicksalswarnungen von sich.

Die Bückkehr der ehemaligen Sklaven ins erhoffte Paradies der Ahnen ist von vorneherein ein schwieriges und gefährliches Unternehmen. Nachdem sie endlich ihre Siedlung aufgebaut und sich gegen alle Gefahren durchgesetzt haben, tauchen die Engländer auf, die das Gebiet im Zug der Aufteilung Afrikas noch schnell an sich reißen wollen. Ein gar nicht mehr so leichtes Unterfangen, denn in der Zwischenzeit hat sich an der ganzen Atlantikküste Afrikas eine reife bürgerliche Gesellschaft entwickelt. So auch in Malagueta, wo die Kreolen, wie das einheimische Bürgertum entlang der ganzen Küste genannt wird, ein Erziehungssystem bis zur Oberschule, Zeitungen sowie ein lebhaftes gesellschaftliches lieben auf der Grundlage von Handel und Industrie aufgebaut haben.

Wie überall, werden auch in Malagueta die Kreolen zu 1 landlangern der Kolonialmacht reduziert. Diedadurch entstandene Abwesenheit einer selbstbewußten Schicht nützen Libanesen aus, die den I lande! monopolisieren und vor allem den Diebstahl der Diamanten und des Goldes der Minen organisieren. Die Unabhän gigkeit sieht dementsprechend aus. Einheimische Geschäftemacher der übelsten Sorte schwingen sich als Strohmänner der Libanesen zu Herren des Landes auf. Wiederum steht Malagueta symbolisch für das heutige Afrika. Die Liban esen stehen für die Korruptionisten aller 1 ander, die sich wie Hyänen auf Afrika stürzen.

Über das Aufzeigen dieser Misere und der Machtlosigkeit der Integren kommt allerdings auch Cheney-Coker nicht hinaus. Seine Sicht ist pessimistisch. Doch um zu neuen Perspek tiven vorstoßen zu können, muß Afrika sich vorerst von der bisherigen fixen Vorstellung losreißen, alles Übel sei lediglieh Erbe der Kolbnisierung. Eine der Voraussetzungen dafür sind Bücher wie dieser Roman.

DER NUBIER

Roman von Syl Cheney-Coker. I'eterllammer, Wuppertal 1996. H8 Seiten, geh., öS ))6

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