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Ein Weinmuseum

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Schon Goethe meinte, alles Lebendige sei nur ein Gleichnis. Um wieviel mehr der Wein, dieses lebendigste aller Getränke! Nicht umsonst heißt es, daß,_ wo die Rebe gedeiht, auch die Kultur zu Hause ist. Aber wenn schon diese besondere Verbundenheit von Wein und Kultur und Kultur und Wein als Tatsache hingenommen werden darl, ist denn da wirklich ein Museum der richtige Ort, ihm, dem Wein, eine Stätte zu bereiten? Ernst Jünger hat schon vor vielen Jahren behauptet, daß in den Museen sich die Todesseite unserer Wissenschaft oiienbate, im Wein aber pulst lebendigstes Leben im wörtlichen wie im übertragenen Sinn: denn er ist nicht „gemacht“, sondern gewachsen und geworden, er reitt und baut sich aus, er hat Jugend, Fülle und Alter, ja, philosophische Kopie meinen, in ihm liege Wahrheit. Ihm ein „Museum“?

Wir dürfen uns diesen Begriff nicht zu überspitzt vorstellen. Wir wollen es mit den philosophischen Köpfen halten, die gerne von einem Brennpunkt her die gegebene Situation beleuchten, dieses Auf und Ab des sich unablässig wandelnden Lebens mit seinen ewigen Rhythmen, die stets wiederkehren und einander unaufhörlich ablösen, Jugend und Alter, Frühling und Herbst, Sommer und Winter, Aulstieg und Niedergang, Werden und Vergehen. Wir wollen in diesen Brennpunkt einmal den Wein stellen und uns tragen, nicht, wie sich ihm das Leben darstellt, wenn er in den Kelchen lunkelt und seinen Zechern, den fröhlichen und den betrübten, den geselligen und den einsamen, den Jungen und den Alten, den glücklichen und den verzweifelten, in die Augen und durch sie in die Seele schaut, sondern wir wollen uns umgekehrt fragen, welchen Weg dieser Wein wohl durchmessen haben mag, vom Setzling bis zur Traube, von der Kelter bis ins Faß, vom Keller bis ins Glas, durch den Wandel der Zeiten und an all

Wegen der kulturhistorischen Bedeutung einiger Teilnehmer an dieser Tafelrunde seien die dargestellten Personen (von links nach rechts) namentlich angeführt. Sitzend: Adolphe de Tronson aus Reims, Champagner-meister bei Schiürrlberger, Julius Eckmaier, Direktor der -Vöslauer Kammgarnfabrik, Wundarzt Ignaz Forster, Villenbesitzcr in Gainfarn, Carl Ludwig Falck, Direktor der Vöslauer Kammgarnfabrik, Dr. Ignaz Gold-schmiedt, Bade- und Herrschaftsarzt in X'öslau, Dr. Franz Schuselka, Schriftsteller, Abgeordneter beim Frankfurter Parlament, Robert Schlumbergcr, Begründer der österreichischen Sektindustrie; stehend: Gottlieb Reiffen-stein, Zeichner und Lithograph in Wien, Ernst Szontagh, Seidenwarenhiindler zur .Jungfrau von Orleans“ in Wien, Anton Freiherr V. Doblhoff, August Schwendenwein, Architekt, Erbauer von Goldeck, Samuel Jäger* mayer, Leinenwaschehändler zur „Weißen Katze“ in Wien, Moritz Gottlieb Saphir, Journalist und Satiriker, Moritz Graf v. Fries, Herrschaftsbesitzer in Vöslau, A. I. W. Baron Walteiskirchen, Villenbesitzer in Vöslau, Franz Nowotny, Hofmodewarenniederlage in Wien,

den Orten, durch die ihn sein Schicksal geführt hat. Wir wollen ihn bitten, daß er uns Kunde geben möge, wem er dabei begegnet und was ihm widerfahren ist von allen denen, die mit ihm zu hantieren hatten, und wie sie alle, diese vielen, ihm zum lebendigen Gleichnis wurden der ewig gleichen und doch immer neuen Rhythmen des Lebens.

Die Anregung zu so einem Blick vom Weine her soll das Weinmuseum bieten — das erste, das in Oesterreich erstand und heute das einzige auf Wiener Boden —, freilich nur aussclmittsweise, bruchstückhaft, denn es ist selbst ein Gewachsenes und Gewordenes in seiner notwendigen Unvollsländigkeit und Beschränkung. Aber es steht da, mitten in einem Betrieb, der auch gewachsen und geworden ist im Aufbau von Generationen, im Guten wie im Schlimmen, in Zeiten des Aufschwungs und des Rückgangs, aber doch sich selbst treu wie alles Lebendige. Vielleicht ist das seine besondere Autgabe, anders als die anderer Museen: persönlich zu bleiben und gegenwartsverbunden, eine Wegkreuzung, von der aus sich alle Pfade übersehen lassen, die der Wein zu durchmessen hat, die Tätigkeit des Winzers und der Arbeitsleute, des Küfers und der Binder, des Kellermeisters und des Grundherrn, des Sctulfers und Frachters, des Händlers, des Reisenden, des Maklers, des Gastwirts und des Schankburschen, der vielfältigen staatlichen Kontrollorgane und Abgabeneinheber, der Wissenschafter, die Licht in das Geheimnis der Weinbereitung gebracht haben, und der findigen Köpfe, die all den verschiedenen Gerätschaften des Weinbaus und der Kellerwirtschaft durch fortentwickelte Erfahrung jeweils die beste Form zu geben wußten, und nicht zuletzt der Künstler, deren Phantasie der Wein angeregt und die uns seinen Werdegang zu verschiedenen Zeiten tn Wort und Schrift festgehalten haben. Sie alle dienen dem Weine.

Es müßte verdorren, ein solches Museum, wenn es fernab vom Betrieb ein konserviertes Dasein fristen würde, bloß für Schaulustige, Einzelgänger und Aestheten. Nein, mitten im Betrieb muß es stehen, das ist seine Funktion, in stetem Austausch mit dem lebendigen Leben: dieses anregend durch besinnlichen Hinweis auf Bleibendes, das die Zeiten überdauert, und auf Vergängliches, das sich wandelt und plötzlich wiederkehrt; selbst aber auch empfangend dadurch, daß es übergreifend noch hineinreicht in diese Sphäre des lebendigen Betriebes und sich in ihm fortgebildet und fortentwickelt sieht. Es muß zu einer Stätte werden, die auf gewachsenem Grunde steht, von jener Ehrfurcht getragen, in der eine Generation der nächsten die Hand reicht, weil sie alle wissen, daß ihnen die Güter dieser Erde nur geliehen, nicht geschenkt sind, weil sie als bodenverwurzelte Menschenkinder — und das sind alle, die echte Liebe zum Wein im Herzen tragen — sich einbezogen fühlen in den ewigen, großen Kreislauf der Natur.

Hauer in der Lage, was sich wieder aus den

besonderen Verhältnissen in Oesterreich seit 1914 erklärt.

Bekanntlich ist ein Weinstock nach zirka 25 Jahren nicht mehr genug ertragsfähig, weshalb in normalen Zeiten alljährlich ein Fünfundzwanzigstel der Weingartenfläche zu regenerieren ist. Kriegszeiten verhindern diese wichtige Arbeit, Nachkriegszeiten bringen Teuerungen. Es dauert erfahrungsgemäß sehr lange, bis ein unterbrochener Wirtschaftskreislauf wieder in Gang gebracht werden kann. Der Weinbau im Rumpfstaat Oesterreich ist nun nach zwei Weltkriegen sehr geschwächt. Aus-

gesprochene Konjunkturjahre konnten nicht voll ausgenutzt werden, weil die Versuche einer Sicherung dieses Wirtschaftszweiges vielfach als Bereicherungsabsicht ausgelegt worden sind.

Die Weinhauer Oesterreichs trachten nun, durch genossenschaftliche Organisation ihre Lage zu verbessern. Die Genossenschaft bietet ja den tausenden kleinen Weinhauern die Vorteile des Großbetriebes. Insbesondere ist es den Winzergenossenschaften möglich, der dominierenden Forderung nach konstanter Qualität gerecht zu werden.

Der verzweifelte Existenzkampf der österreichischen Weinproduzenten ist leider von kompetenten Seiten nicht immer richtig verstanden worden. Dies hat sich zum Teil sehr nachteilig auf den Absatz ausgewirkt. Dazu kommen noch die drückenden Weinimporte. In dieser Beziehung konnten allerdings in letzter Zeit einige günstige Uebereinkommen getroffen werden.

Unter den gegebenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist dem österreichischen Weinbau d i e außerordentlich hohe Produktion von rund einer Million Hektoliter Weinmost jährlich und die unglaubliche Qualitätsverbesserung, die den österreichischen Wein zu einem begehrten Spezial-wein und konkurrenzfähigen Komme r z w f i n erhoben hat, ganz besonders anzuerkennen.

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