6738560-1966_31_23.jpg
Digital In Arbeit

Eine reiche Dame lud zu Gast

Werbung
Werbung
Werbung

Es war ein sommerlicher Theaterabend im Sinne des Reinha-rdtschen Gartentheaters, den uns Dr. Peter Janisch vor dem Melker Parkpavillon bot. Man hatte das Gefühl, bei einer reichen Dame auf einem schönen Besitz im Niederösterreichischen zu Gast zu sein, obwohl sie nicht selbst in Erscheinung tritt, sondern wie der reiche Herr in der „Ariadne“ durch einen würdevollen Haushofmeister repräsentiert ist. Der Wechsel vom vorigen Melker „Jahresregenten“ Raimund zu dem heurigen, nämlich Johann Nestroy, glückte zum allseitigen Pläsier, denn das Vergnügen war nicht nur, wie man so schön sagt, unsererseits, die wir unten auf den Bänken saßen, auch oben auf dem Podium herrschte sichtlich die gleiche Freude am Spiel.

Eingeleitet wird die Aufführung mit einem Gustostückerl für

Nestroy-Freunde: dem lange verschollen gewesenen Vorspiel „Der

Zettelträger Papp“, Nestroys dichterischen Erstling, in dem allerdings noch publikumswirksame Spaßetteln die parodistischen Spitzlichter überwiegen. Ein Dialog zwischen dem Haushofmeister, von Tino Schubert mit Nobelesse dargestellt, und dem Austräger einer wandernden Komödiantentruppe. Franz Muxen- eder feiert in dieser Rolle im stilgerechten Hanswurstkostüm sein

Melker Debüt, renommierend wie ein redselig-selbstgefälliger Bier- tischigesprächspartner. Muxeneder weiß, wie man die Farben pastos aufsetzt. Eine Spitzwegfigur am Rande: Hans Meltons penibler

Kammerdiener.

Dann folgte „Der Talisman“, jene Komödie des Vorurteils oder vielmehr gegen das Vorurteil, statuiert am Exempel des Titus Feuerfuchs, eines armen Teufels, der nach der Reihe eine schwarze, eine weizenblonde und schließlich eine eisgraue falsche Lockenpracht überstülpt, weil er wegen seines natürlich gewachsenen roten Haares nirgends sein Glück machen kann, sondern mit seinem Kopf des Anstoßes überall auf Ablehnung stößt. Fritz Holzer spielt diesen Arglosen, wegen seines Karottenschädels der Arglist Verdächtigten. Eine rundum runde Gestalt voller Reibstellen und Ecken, wie sie eben ein Mensch entwickelt, der sich dauernd gegen die Voreingenommenheit seiner Umwelt wehren muß und die seelischen Beulen mit dem beißenden Balsam des Sarkasmus zu kühlen sucht. Die ganze Ausdrucksskala zwischen Verzagen und Auftrumpfen, das ist etwas für Holzers komödiantisches Temperament und seine Individualität, die ihn etwa zwischen Josef Meinrad und Kurt Sowinetz stellt.

Alle schuldige Reverenz vor dem Trio der koketten Witwen! Helli Servi, eine resolute, riegelsame Gärtnerin, die das Scharmutzieren ebenso versteht wie das Herumschaffen, Inge Rosenberg, eine süßholzraspelnde Kammerfrau, die weiß, daß sie eben „was Besseres“ ist und es dabei faustdick hinter den Biedermeierlocken hat, und Edith Hieronymus als Frau von Cypressen- burg, die zum Erstaunen des Publikums in einer veritablen Kalesche vorfährt, ganz schöngeistige Dame mit Heroinenstimme, straußenfedernumwallt. Ganz Courtoise und Parfüm: Peter Gerhard als Monsieur Marquis, der in dieser Posse als Bringer und dann Nehmer einer Schicksalsgäbe — der Perücke — . jene Stellung hat, die in einem Zaubermärchen einem Wesen aus der Feen- und Geisterwelt zukäme. Franz Muxeneders Gärtnergehilfe : Plutzerkem schwelgt in der dra- . stischen Komik einer mit Schläue • unterspickten Schwerfälligkeit. Die 1 wohlversilberte Borniertheit des 1 reichen Herrn Spund, rührseliges ‘ Herz über dem prallen Bierbauch, verkörpert Georg Corten nach der 1 Art des Herrn Karl. Als Salome ! Pockerl, die treue einfältige Seele, die zu guter Letzt den Titus Feuer- ‘ fuchs kriegt, damit zwei „Rot- kopierte“ Zusammenkommen, gibt Rosmarie Müller eine sehr vergnügliche Talentprobe.

Vergnüglich auch der Szenen- 1 Wechsel auf dem Podium. Junges 1 „Landvolk“ in hübschen Kostümen 1

bewerkstelligt ihn, humorvoll übersteigert, mit jener Hast, die sonst beim Umibau hinter geschlossenem Vorhang herrscht. Aber Norbert Pawlicki läßt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Im Heckenwinkel exekutiert er, den Biedermeierzylinder auf dem Kopf, mit seinen Solisten eigene originelle Bearbeitungen von Adolph Müllers Bühnenmusiken.

Das Publikum ging lebhaft mit und dankte durch anhaltenden Applaus für diesen Melkerischen Abend — denn „Melkerisch“, das ist nun schon zu einem bestimmten Stil heiteren sommerlichen Theaters geworden. Und wenn es darum ginge, eine Bezeichnung für jene Gruppe von Darstellern zu finden, die sich hier bereits zu einem Ensemble zusammengespielt haben, dann würde ich eine abgewandelte berühmte Formulierung aus der neueren Wiener Theatergeschichte vorschlagen, nämlich: „Die Schauspieler in Melk unter der Führung von Peter Janisch.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung