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Ulrich Woelks Roman über männliche Selbstfindung.

Inhaltlich ist der Roman "Die Einsamkeit des Astronomen" des gelernten Astrophysikers Ulrich Woelk eine Variation auf mehrere aktuell beliebte Muster, die mit dem allmählichen Altern einer Autorengeneration ebenso zu tun haben wie mit den Verunsicherungen, die ein deregulierter Arbeitsmarkt und die Auflösung der konventionellen Geschlechterrollen mit sich bringen. Der Tod des Vaters lenkt den Blick zurück auf die eigenen Anfänge und familiären Prägungen, während berufliche und beziehungsgeschichtliche Erschütterungen aktuell vor allem einsame männliche Protagonisten zu einer Revision ihrer lebenspraktischen wie emotionellen Orientierungen zwingen.

Beide Themen verbindet Woelk hier mit dem Klischee des rationalen Naturwissenschaftlers - doch das ist eine Zutat, der es eigentlich nicht bedürfte. Denn was den Astrophysiker Frank Zweig hier umtreibt, sind die ganz normalen emotionellen Defizite, die männlichen Protagonisten häufig in der Mitte ihres Lebens bewusst werden, wenn Beziehungen gescheitert, Ehen zerbrochen und Freunde verloren sind. Die Selbstfindung, die Frank Zweig mit dem vorliegenden Bericht unternimmt, hat einen konkreten Anlass: Ein von der EU finanziertes deutschen Observatorium ist durch Franks verrückt gewordenen Kollegen ruiniert worden. Über den Hergang der Wahnsinnstat fordert die zuständige EU-Behörde, vertreten just von einem Studienfreund Franks, nun Auskunft. Die kann und will Frank aus verschiedenen Gründen nicht so recht geben: da ist seine kurze Liebesaffäre mit der Meteorologin Ellen, die am Rande des Geschehens mitspielt, da ist sein ambivalentes Verhältnis zum "Wahnsinn" seines Kollegen, schließlich musste er selbst in der Pubertät einige Zeit in einer Anstalt verbringen, und da ist zuletzt und vor allem das gemeinsame Forschungsprojekt. Just in der Unglücksnacht sollte eine Beobachtung den finalen Beweis für den von ihnen neu entdeckten Himmelskörper HD 206332 erbringen.

Doch im Mittelpunkt steht eigentlich Franks emotionale Befindlichkeit. Er rekonstruiert die kurze Liebesgeschichte mit Ellen, mit der ihm zumindest eine Woche lang so etwas wie "familiäre Harmonie" gelungen war, er durchstreift das Haus seiner Eltern, das nunmehr, ein Jahr nach dem Tod des Vaters endgültig aufgelöst werden soll, und er setzt sich in langen Gesprächen mit seiner Schwester Marthe und ihren Vorwürfen auseinander.

"Vermutlich wird Marthes Überlegenheit in emotionalen Dingen unser Verhältnis bis ans Ende unserer Tage prägen", heißt es gegen Schluss des Romans. Das lässt sich interpretieren als vorsichtige Abkehr von seiner bisherigen Lebensmaxime, "daß die Vernunft die einzige Waffe ist, die wir gegen die Angst und das Nichts haben", die für ein befriedigendes Leben selten ausreicht. Durchaus möglich, dass Frank Marthes Rat, die Beziehung zu Ellen wieder aufzunehmen, befolgen wird.

Die Einsamkeit des Astronomen

Roman von Ulrich Woelk

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2005

285 Seiten, geb., e 19,50

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