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Niklas Franks beklemmendes Porträt über seine Mutter, die Frau des "Schlächters von Polen".

Ich bin lieber die Witwe als die geschiedene Frau eines Reichsministers." - Dieser Satz von Brigitte Frank verrät viel über diese Frau. Zum Beispiel, dass ihr die Karriere, dass ihr die gesellschaftliche Stellung über alles ging. Über buchstäblich alles. Niklas Frank hat jetzt, nachdem er 1987 bereits ein Porträt über seinen Vaters geschrieben hat, den von Adolf Hitler eingesetzten "Generalgouverneur" und so genannten "Schlächter von Polen", auch seine Mutter entlarvend porträtiert.

Aus mehr als 3000 Seiten stenografierter Aufzeichnungen, die Brigitte Frank hinterlassen hat, hat ihr Sohn - verwoben mit schriftlichen Erinnerungen seines Vaters - ein Stück deutscher Geschichte geschrieben: in dem sich Eitelkeit, Ehrgeiz, Schuld und deren Verdrängung spiegeln. Es ist aber nicht nur ein Stück deutscher Geschichte - es ist auch ein mehr als 400 Seiten starkes Schandmal, das Frank seiner Mutter errichtet hat. Es ist der Versuch eines Sohnes, sich von seinen Eltern zu lösen, das Erlebte zu verarbeiten ...

Es ist furchtbar, entlarvend und beschämend zugleich, wenn Frank seine Mutter zu Wort kommen lässt. Er zitiert Sätze wie diesen: "Ja, es ist für deutsche Frauen eine Lust zu leben." Diesen Satz hat Brigitte Frank gesprochen, als ihr Mann gerade damit beschäftigt war, Polen "judenfrei" zu morden. Seine Frau hat sich darum nie gekümmert. Politik fand sie stets nur gewöhnlich - was sie aber nicht daran hinderte, sich der Politik zu bedienen, von ihr zu profitieren. So scheute sie beispielsweise nicht davor zurück, eine Geliebte ihres Mannes bei Heinrich Himmler als "Jüdin" zu denunzieren. Denn ihre Position als "hohe Frau", als die Ehefrau des "Generalgouverneurs von Polen", wollte Brigitte Frank auf keinen Fall verlieren. Und als ihr Mann sich von ihr trennen wollte, setzte sie bei Hitler das Verbot der Scheidung durch.

Und doch fragt man sich beim Lesen unwillkürlich: Ist es wirklich wichtig zu erfahren, was Brigitte Frank so trieb, mit wem sie die Nacht verbrachte? Ist das wirklich wichtig, während ihr Mann dafür sorgte, dass die kz-Öfen von Majdanek nicht zu rauchen aufhörten? Ja, das ist wirklich wichtig. Denn die Geschichte von Brigitte Frank ist gerade kein Einzelschicksal. Brigitte Frank steht vielmehr exemplarisch für Millionen deutscher Frauen und für die Entscheidung dieser Frauen. Denn haben nicht unzählige von dem profitiert, das Brigitte Frank "Wonneproppenreich" nannte? Wie viele deutsche Frauen hatten dem Aufstieg ihrer Männer oder Söhne ein luxuriöses Leben zu verdanken, wie viele haben zu den Verbrechen ihrer Männer oder Söhne geschwiegen - und schweigen bis heute? Und viele sehen sich immer noch weniger als Täter, sondern nur als unschuldige Opfer.

Als Täterin hat sich auch Brigitte Frank nie gesehen. 1947 wurde sie für kurze Zeit interniert, aber als "minder belastet" freigesprochen. 1959 starb sie verarmt in München im Alter von 64 Jahren.

Niklas Franks Porträt seiner Mutter ist darum nicht nur die Abrechnung eines enttäuschten, eines vielleicht sogar traumatisierten Kindes. Das Porträt ist zugleich auch der verzweifelte Versuch, mit der Geschichte seiner Mutter auf unbarmherzige Weise gegen das Verschweigen der deutschen Geschichte anzuschreiben.

Meine deutsche Mutter

Von Niklas Frank

C. Bertelsmann Verlag, München 2005

416 Seiten, geb., e 23,60

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