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Epilog zu den Salzburger Hochschul wochen

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So wie die äußeren und inneren Verhältnisse bei uns heute noch liegen, war die Wiederaufnahme der Salzburger Hochschulwochen ein Wagnis. Zumal durch die als Forderung in ihnen mächtige Geistigkeit. Hebt sie der streng wissenschaftliche Charakter auch über Raum und Zeit hinaus, so streben sie doch bewußt Raum- und Zeitnähe an. Wollen sie sich selber und ihrer ganzen Vergangenheit nicht untreu werden und als geistig mitentscheidender Faktor aus dem Zeitgeschehen sich selber nicht ausschalten, so müssen sie gerade vom gesicherten Standort ihrer wissenschaftlichen und christlich-religiösen Haltung aus zu den Fragen Stellung nehmen, die unsere in Raum und Zeit der Gegenwart eingeengte Mitwelt bis in das Innerste ihres Daseins aufwühlen. Und darin lag das Wagnis.

Es sind vor allem drei Sachgebiete, die heute Konzentrationspunkte lebhaftesten Interesses sind: das religiöse, das philosophisch - weltanschau-liehe und das sozialwirtschaftliche Gebiet.

In der Theologie gaben Dillersberger, Karrer, Eder ihr Bestes. Von geradezu klassischer Klarheit, Genauigkeit und Vollendung waren die Vorlesungen des Professors Vancourt von Lille über: „L'Ecclesiologie d'apres les orthodoxes“. Die Aussprachen und Arbeitsgemeinschaften erfüllten voll die Aufgabe, die sie hatten. Sie wirkten durchgängig klärend, anregend, orientierend durch unmittelbaren Gedankenaustausch zwischen Dozenten und interessierten Hörern.

Unter den Vorträgen verdienen besondere Beachtung die, welche ausländische Dozenten, wie Polle t, Congar, Davis hielten. Nichts befruchtet eigenes Wissen und Denken so, wie Auffassungen, die vom Ausland her zu uns sprechen. Die Ausführungen C o n g a r s über den „Anteil der Gläubigen am Aufbau der Kirche, als dem mystischen Leib Christi“ zeichneten sich durch ebenso große Weite wie Tiefe der Gedanken aus. Soviel wurde klar, daß Frankreich in Unionsfragen uns nicht nur weit voraus ist, sondern schlechthin die Führung innehat. In lautloser Ergriffenheit lauschte ein volles Auditorium den religiös packenden Worten des Abtes von Seckau, Dr. Benedikt Reetz, über „Christus als der magna quaestio mundi“. Sie bedeuteten einen der Höhepunkte der Hochschulwochen. Die Vorlesungen des philosophisch-weltanschaulichen Kurses machten auf alle Teilnehmer den Eindruck des in sich am meisten Abgeschlossenen und Vollendeten. Von Anfang bis zum Schluß wußten die glanzvollen Darlegungen Urs von Balthasars S. ]. über die geistige Lage unserer Zeit eine immer wachsende Hörerschaft in Spannung zu halten. Ganz verschieden in seiner Art, aber nicht weniger nachhaltig, verstand es D e m p f, Interesse und Aufmerksamkeit der Hörer durch den Aufriß einer Ge-schichtsphilosophie in seinen Bann zu ziehen. Wie von selber weiteten sich die geistigen Horizonte. Grundsächliche Aus:-führungen über Psychopathologie, wie sie die Vorlesung Niedermeyers brachte, dürfen an sich schon immer auf eine aufgeschlossene Hörerschaft rechnen. Durch ihre unbestechliche Sachlichkeit und die Wärme ihrer Überzeugung weckten sie einen; starken Widerhall.

Die Arbeitsgemeinschaft Dr. W i n d i-s c h e r s (Innsbruck) wird in Erinnerung bleiben, der selbst über das tragische Gottesbild in der neueren Philosophie die Aussprachen einleitete. Aus der Vortragsreihe über weltanschaulich- und kulturphilosophische Themen verdienen besonders die feinsinnigen Vorträge SasZalozieckys über byzantinische und östliche Kunst, die geistige Krise der Zeit und Sinn und

„Du aber, meine Braut, künde es deinen Kindern: Bleibt treu seinen Geboten, fürchtet euch nicht vor dem Zorn der Könige, dem Drohen der Tyrannen, dem zornigen Schnauben der Verlechter des Irrtums! Habt keine Angst vor Feuer und Schwert und den Hetzen der Bestien1. Wenn Sie euch ausrauben, euch enteignen, das Gut und das Haus und alles, was euch teuer ist, siehe die Abtrünnigen, die euch zerschmettern wollen, werden selbst in die Tiefen geschleudert!

Was immer die Feinde auch listig entsinnen wider dich, alles werde ich in Stücke zersplittern! Denn du, o Kirche, ruhst auf einem Felsen, der fest ist und lebendig.“

Homilie aus der Zeit dos byzantinischen Bildersturms, 18. Jahrhundert, fälschlich Athanasius zugeschrieben. — Aus „Mater Ecclesia“ von Hugo Rahnei

Aufgabe der Universität von heute hervorgehoben zu werden.

Umstritten mag das Urteil über den ozia 1 wirtschaf11ichen Kurs sein — nicht deshalb, weil die Darbietungen hier an geistiger Höhe denen der beiden anderen Kurse nachgestanden hätten. Schon der Name Professors Wilhelm Schmidt SVD ist Gewähr genug für die wissenschaftliche Bedeutung, die seinen Ausführungen über das Eigentum in seiner geschichtlichen Entwicklung zukommt. Leider konnte Prof. Aug. K n o 11 (Wien) einer angegriffenen Gesundheit wegen die angekündigte Vorlesungsreihe nicht selbst halten. Doch löste sein Stellvertreter, Dr. J a n e b a, gut seine Aufgabe. Knoll sprach auf der Durdireise in einem bedeutsamen Vortrag, der schon auf der Ischler Hochschulwoche berechtigtes Aufsehen erregte, über „Kirche und Sozialismus“. Nicht weniger Beachtung dürften die Vorlesungen des Rektors F r o d 1 S. J. über das Thema: Die Stellung des Christentums zu Kapitalismus und Kommunismus beanspruchen.

Der eigentliche Grund, warum die Meinungen und Beurteilungen über die Behandlung der sozialen Frage so weit auseinandergingen, lag in der Sache selber. Jedem ist es klar, daß wir uns heute einer zum großen Teil anderen, neuen Lage gegenübersehen, als es noch vor einem Jahrzehnt der Fall war. Die Maßstäbe, die man damals noch anlegen mußte, treffen heute nicht mehr zu. Auch auf katholischer Seite hält man heute eine Überprüfung der bisher eingenommenen Stellung für geboten. Während bei uns noch wenig Klarheit herrscht, im Gegenteil alles noch ungeschieden durcheinanderwogt, hat sich eine Scheidung der Meinungen in Frankreich bereits mit aller Deutlichkeit durchgesetzt. Es wäre wünschenswert gewesen, daß alle Teilnehmer der Hochschulwochen die so klaren, maßvollen, fein unterscheidenden Ausführungen V a n-courts über „Lc mouvement communiste en France“ gehört hätten. Er konnte aus unmittelbarer Erfahrung sprechen. Denn er kam aus dem größten Industriezentrum des französischen Nordens Die französischen Katholiken stehen mitten in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Bewegung, und zwar in zunehmend positiver Weise. Vor mir liegt im Manuskript ein Referat, daß ein Ordensmann von Namen auf einer geschlossenen Tagung hielt: „Deux forces internationales en pre-sence: le commumisme et Peglise. Lecons a tirer de ce conflict“. Hier wird deutlich der Standpunkt eingenommen, daß die heut? durch den Kommunismus geschaffene Sachlage eine andere sei, als sie noch vor dem zweiten Weltkrieg war. Zur neuen Sachlage würde die Kirche eine neue Stellung einnehmen.

Während so in Frankreich bereits neue Linien in der sozialen Bewegung sich ausprägen, herrscht bei uns selbst noch im Grundsätzlichen Unsicherheit. Sie kam in den Stellungnahmen bei den Aussprachen und Arbeitsgemeinschaften des sozialwirtschaftlichen Kurses der Flochschulwochen zum Ausdruck. In aller Bestimmtheit aber mußte an dem Standpunkt festgehalten werden, daß die Hochschulwochen unter keinen Umständen der Ort sein können, wo Meinungsverschiedenheiten in grundsätzlichen Fragen nicht in streng erkenntnismäßiger Einsicht, sondern in leidenschaftlich willenmäßiger Stellungnahme sich gegenseitig bekämpfen. Darum waren auch die ohne Zweifel von einer starken sittlichen Persönlichkeit getragenen Sozialrehren Professor Udes wenig geeignet, ausgleichend zu wirken. Ihre nicht zu verkennende Neigung zu radikaler Einseitigkeit wird und kann kaum je Billigung finden. Denn der Weg der Kirche ist immer mehr oder weniger goldener Mittelweg, auf dem allein das Wahre wie das Gute anzutreffen ist. Die soziale Frage wird auch bei uns siicht mehr zur Ruhe kommen. Die Hocn-schulwochen haben wenigstens das Verdienst, die gegenwärtige Lage in ihrer grundsätzlichen Unentschiedenheit blitzartig beleuchtet zu haben.

Im Gegensatz zu den sozialwirtschaftlichen Ausführungen in deutscher Sprache wirkten die drei englischen Vorträge des bekannten Oxforder Soziologen Fogarty über den sozialen Aufbau in England vom Standpunkt der katholischen Soziologie aus erfrischend und hoffnungsfroh.

Einer Rückschau auf die Salzburger Hochschulwochen fehlte die Krönung, gedächte sie nicht ihres Glanzpunktes in den beiden Vorträgen, die der Präsident des Schweizer Ständerates und der Universität Fribourg, Dr. P i 11 e r, über den demokratischen Geist der Schweizer Verfassung und über „Dieu dans la cite“ hielt. In unübertrefflicher Klarheit und straffer Logik der Gedanken und mit hinreißender Redegewalt schloß sich Satz an Satz, jeder inhaltgesättigt, sprachlich und rednerisch formvollendet. Sie waren Anregung, Bereicherung, Genuß. Sie werden allen Teilnehmern eine kostbare Vermehrung des positiven Ertrages der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen sein.

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