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Digital In Arbeit

Erdbeben setzten die Zäsuren

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Mauerreste, unter denen oft ältere Mauerreste zum Vorschein kamen, Häuser, über den mit Schutt aufgefüllten Resten früherer Häuser errichtet: In jahrzehntelanger Arbeit rekonstruierten österreichische Archäologen die Geschichte der Stadt Ephesos. Eines der wichtigen Einzelprojekte war die Erforschung des sogenannten Hanghauses 1. Nach zehn Jahren Arbeit legt nun die Archäologin Claudia Lang-Auinger ihren beeindruckenden Bericht über ihre Grabungen und deren Ergebnisse vor.

Er vermittelt dem Laien interessante Einblicke in die Methoden der Ausgräber und deren Zusammenarbeit mit Architekten. Claudia Lang-Auinger: „Diese Zusammenarbeit ist deshalb wichtig, weil Archäologen zweidimensional denken, nämlich in den Dimensionen des Grabungsfeldes. Der Architekt verfügt über etwas, worauf es bei der Rekonstruktion ankommt, nämlich über das räumliche Vorstellungsvermögen.”

Hanghaus 1 ist ein größerer unter den Mosaiksteinen, aus denen sich unser Bild des antiken Ephesos zusammensetzt. Im Lauf der Jahrhunderte standen an dieser Stelle mehrere Häuser. Ihre Geschichte ist eine Geschichte von Aufstieg und Niedergang, wobei die bedeutendsten Zäsuren von der Natur gesetzt wurden, und zwar in Form von Erdbeben.

Ein Beben zerstörte die späthellenistischen Anwesen anonymer Einwohner, obwohl deren Mauern aus gebrannten Ziegeln als Vorsichtsmaßnahme mit Holzankern verstärkt waren. Ihre Überreste gehören zum Wenigen, das bisher vom hellenistischen Ephesos gesichert wurde. Die Katastrophe gab einem reichen Bürger namens Varius Gelegenheit, die Grundstücke zusammenzulegen und den tiefer gelegenen Teil des Areals aufzuschütten, so daß ein großzügiger Baugrund entstand.

Er errichtete ein Banketthaus mit Peristyl, einem Säulenumgang, in dem wahrscheinlich die Mitglieder eines Kultes zusammenkamen. Diese Gesellschaften, die es in allen sozialen Schichten gab, spielten eine wichtige Rolle im sozialen Leben.

Hanghaus 1 liegt am Rand der Prozessionsstraße. Varus hatte auf der anderen Seite dieser Straße eine Therme gestiftet und scherte mit den beiden Bauten aus dem strengen hellenistischen Verbauungsraster aus, als er sie parallel zur Prozessionsstraße ausrichtete, die den Raster im spitzen Winkel schnitt. Auf diese Weise konnten er und seine Freunde bequem die Prozessionen verfolgen.

Er war ein mächtiger Mann der Stadtverwaltung, aber nicht mächtig genug, um zu erreichen, daß ihm ein widerspenstiger Nachbar ein kleines Stück seines Grundstücks abtrat. Weshalb sich die Errichtung des Peristyls nicht ausging und er sich an der Vorderfront des Hauses mit einem Scheinperistyl begnügen mußte.

Auch Varus verlor sein Haus durch ein Beben. An seiner Stelle siedelten sich wieder Bauern an. Die Kadaver ihrer Arbeitstiere entsorgten sie auf dem Grundstück in einer stillgelegten Zisterne. Die veterinärmedizinische Untersuchung der Skelettreste bestätigte: Es war kein Luxusgetier, sondern das von der Arbeit gezeichnete Vieh kleiner Leute.

Claudia Lang-Auingers Buch ist der eindrucksvolle, mit einer Fülle von Fotografien und Plänen belegte Niederschlag eines Teiles jenes abseits des öffentlichen Interesses vorangetriebenen Puzzlespieles, dessen Teile sich zum Bild des antiken Ephesos zusammenfügen - obwohl kaum zehn Prozent davon ausgegraben wurden. Den großen Rest wird sobald niemand mehr stören, denn die konservatorischen Auflagen, die verhindern sollen, daß das Ergrabene alsbald verfällt, ließen infolge der hohen Kosten die Arbeiten zum Stillstand kommen.

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