Ernst Jandl privat und in der Werkstatt

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Zwei Bücher beleuchten Ernst Jandls Biographie, sein Leben und vielseitiges Schaffen.

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Zwei Bücher beleuchten Ernst Jandls Biographie, sein Leben und vielseitiges Schaffen.

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Das Interesse der Leser an der Person des Autors ist viel diskutiertes Phänomen. Das Publikum will Privatleben hinter der Literatur, einen Menschen mit einer Geschichte, Problemen, einer Kindheit, etwas Handfestes, das ihn mit uns allen verbindet - oder auch nicht.

So waren denn auch die Zuhörer begeistert, als Ernst Jandl einen Leseabend in Salzburg mit Gedichten bestritt, in denen es nur um ihn ging. Die Lesung gab den Anstoß, seine autobiographischen Texte in einem Band bei Luchterhand zu sammeln. Und diese Sammlung ist nun recht vielseitig: Kindheitserinnerungen an Schule, Kameraden und NS-Zeit, der allzu frühe Tod der Mutter, erste Schreibversuche, die Wiener Gruppe, Nachdenken über Kunst, Liebe, Experimente und Beruf. Das sind nur einige der Themen. Natürlich auch Jandls jahrzehntelange Beziehung zu Friederike Mayröcker, über die er anlässlich des 70. Geburtstages der Autorin resümiert: "unser leben ist seit vierzig jahren ein gemeinsames, ohne gemeinsame wohnung, und ohne kochtopf. der turbulente anfang wich alsbald einer bis heute anhaltenden ereignislosigkeit". Das Buch "aus dem wirklichen leben" enthält Prosa, Dramenauszüge und Lyrik, die miteinander abwechseln und auf anschauliche Weise die Vielseitigkeit von Jandls Schaffen zeigen. Lautgedichte und Sprechgedichte sind vertreten, "Klassiker" und weniger Bekanntes, alles zusammen zeichnet eine ebenso bunte wie persönliche Schaffensgeschichte.

Wer sich außerdem für poetologische Konzepte und für die Entstehungsgeschichte von Texten interessiert, der kommt mit "autor in gesellschaft" auf seine Kosten. Diese Sammlung von Aufsätzen und Reden präsentiert in geballter Form theoretischen Hintergrund zu experimenteller Lyrik der Wiener Gruppe. Zu seinen eigenen Texten lieferte er teilweise sogar "Kochrezepte", wie etwa zu jenen, die nur Wörter mit den gleichen Vokalen enthalten ("ottos mops", "mal franz mal anna"), und er regt an, es selbst zu versuchen, was bisher vor allem bei Kindern auf Gegenliebe stieß und zu witzigen Ergebnissen führte, die ebenfalls abgedruckt sind. Außerdem finden sich Überlegungen über die Rolle des Schriftstellers in der Gesellschaft, dem Jandl etwa empfiehlt, einen Brotberuf zu ergreifen, um wirklich frei - frei in der Kunst - sein zu können. Bei ihm selbst hat es funktioniert: Neben seiner Arbeit als Lehrer konnte er in der Freizeit schreiben, was und wie er wollte, ohne auf den Geschmack des Publikums, der Verlage oder öffentlicher Stellen (als Mäzene) Rücksicht nehmen zu müssen. Denn wovon man leben muss, davon ist man abhängig, in der Literatur so wie überall.

Aus dem wirklichen Leben. Gedichte und Prosa von Ernst Jandl Verlag Luchterhand, München 1999 188 Seiten, geb., öS 234,- / E 17,Autor in Gesellschaft. Aufsätze und Reden von Ernst Jandl Verlag Luchterhand , München 1999 356 Seiten, kt., öS 263,- / E 19,11

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